Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine recht junge Errungenschaft. Erst 1995 wurde das Pflegeversicherungsgesetz SGB XI in Deutschland eingeführt und damit die Grundlage für den Pflegeschutz geschaffen. Vater der Reform war der frühere Bundesarbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU), der die Einführung gegen Widerstand durchsetzen musste. Unter anderem hatten die Arbeitgeberverbände das Vorhaben als „größte Torheit der letzten Jahrzehnte“ bezeichnet, da sie hohe Kosten befürchteten. Doch erst mit dieser fünften Säule der Sozialversicherung konnte sich überhaupt ein breites Netz an ambulanter Pflege als Ergänzung zu den Alten- und Pflegeheimen etablieren.

Anzeige

Reformbestrebungen nur langsam umgesetzt

Es dauerte nicht lange, bis der Ruf nach Reformen laut wurde. Der Grund: Die Pflegebeiträge steigen infolge der Alterung der Gesellschaft rasant, auch deckt die Unterstützung nur einen Bruchteil der Pflegekosten ab. Geistige Leiden wie Demenz werden bisher ungenügend von der gesetzlichen Pflegeversicherung erfasst. Doch dreizehn Jahre lang gab es keine Änderungen oder Anpassungen des Pflegeversicherungsgesetzes. Erst mit der Pflegereform 2008 und dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) 2013 kam Bewegung in das Ganze, etwa durch die Einführung einer staatlich geförderten Pflegetagegeldversicherung ("Pflege-Bahr").

Nun plant die schwarz-rote Bundesregierung zwei Pflegestärkungsgesetze: das erste soll zum 01.01. 2015 in Kraft treten, das zweite zum Januar 2016. Durch die Pflegestärkungsgesetze werden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Dadurch stehen fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Insgesamt können die Leistungen aus der Pflegeversicherung um 20 Prozent erhöht werden.

Wie genau sehen die Leistungsverbesserungen ab 2015 aus?

Die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen ausgeweitet und die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen erhöht werden, wie die Bundesregierung berichtet. Zudem soll ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden. Alle Leistungsentgelte werden um 4 % angehoben, um die Preisentwicklung über den gesetzlich vorgegebenen Zeitraum der letzten 3 Jahre zu berücksichtigen. (zur Erhöhung des Pflegegeldes 2015 siehe Tabelle. Ausführliche Übersicht vom BMG zum 01.01.2015.)

Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz soll das Pflegegeld für die häusliche Pflege angehoben werden (hier ohne Sachleistungen). Stand Juli 2014BMG

Das Pflegegeld für vollstationäre Pflege wird angehoben. Stand Juli 2014Das Pflegegeld für vollstationäre Pflege wird angehoben. Stand Juli 2014 BMG

Welche Verbesserungen bringt das erste Pflegestärkungsgesetz für die Pflege zu Hause?

Was verbessert sich für die Pflege zu Hause? Die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser miteinander kombiniert werden. Statt bisher 4 Wochen sind bis zu 8 Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3.224 Euro, bisher bis zu 3.100 Euro.

Für die Verhinderungspflege gilt folgendes: Wenn der pflegende Angehörige krank ist oder eine Auszeit braucht, wird eine Pflegekraft oder Vertretung benötigt. Hier soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu 6 Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher bis zu 4. Die Leistung wird von bis zu 1.550 Euro auf bis zu 2.418 Euro jährlich erhöht.

Anzeige

  • Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut. Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann die Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Beispiel: Bisher gab es für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro. Nun sollen hierfür bis zu 3.224 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Auch Demenzkranke profitieren erstmals von dieser Leistung.

  • Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote werden gestärkt. Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen werden ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Demenzkranke bekommen schon heute bis zu 100 oder 200 Euro/Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro/Monat). Künftig werden auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Damit können Leistungen von Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote finanziert werden.

    Es können aber auch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und der Bewältigung sonstiger Alltagsanforderungen im Haushalt helfen. Das können auch Pflegebegleiter der Angehörigen sein, die bei der Organisation und Bewältigung des Pflegealltags helfen. Und auch die Aufwandsentschädigung für einen, nach Landesrecht anerkannten ehrenamtlichen Helfer, kann damit bezahlt werden, der zum Beispiel beim Gang auf den Friedhof begleitet oder beim Behördengang unterstützt. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue "Umwidmungsmöglichkeit" in Höhe von bis zu 50 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).

  • Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht. Hier werden die Zuschüsse deutlich gesteigert: von bisher bis zu 2.557 Euro auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie statt bis zu 10.228 Euro jetzt bis zu 16.000 Euro pro Maßnahme erhalten. Das ist eine gute Sache, da die Umbaumaßnahmen natürlich immer ein hoher Kostenaufwand ist.

    Die Zuschüsse zu den im Alltag verbrauchten Pflegehilfsmitteln werden von bis zu 31 Euro auf bis zu 40 Euro im Monat angehoben. Aber reicht das aus, die entstehenden Kosten zu decken? Ein Paket Inkontinenz-Windeln (56 Stück) kostet 72 Euro. Wenn man bedenkt, dass man „nur“ 3 Stück am Tag benötigt, braucht man im Monat also mindestens 90 Stück, das heißt 1,5 Pakete und dann ist man mal eben schnell bei 108 Euro pro Monat. Ein Paket Krankenunterlagen 60x90 (Betteinlagen) (50 Stück) kostet 34,90 Euro. Diese braucht man meist zusätzlich. Hier muss nach wie vor ein Großteil selbst dazu gezahlt werden.

Was wird für die Unterstützung der pflegenden Angehörigen getan?

Für pflegende Angehörige soll es nach den jetzigen Plänen der Bundesregierung auch Änderungen geben. Immerhin wird viel Geld gespart, weil die Geldleistungen, die der Pflegebedürftige für die Laienpflege erhält, die geringsten Leistungen sind, die von den Pflegekassen ausgekehrt werden. Mehr als zwei Drittel aller deutschen Pflegebedürftigen (1,76 Millionen Menschen) werden von Angehörigen zu Hause betreut, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Nicht auszudenken, was mit der Beitragshöhe und den Leistungen passieren würde, würden weniger Angehörige pflegen!

Wie oben schon ausgeführt werden die Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tages- und Nachtpflege ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Mehr zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote stehen zur Verfügung. Ebenfalls steigen sollen die Zuschüsse für nötige Umbaumaßnahmen sowie zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel.

Anzeige

Die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll verbessert werden. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung soll in einem separaten Gesetz geregelt werden, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.

Seite 1/2/3/