Vor allem die Relevanz von elektronischen Systemen zur Risikoprüfung wurde gleich in den ersten Vorträgen der Konferenz, der über 50 Fachexperten aus der Versicherungsbranche beiwohnten, deutlich. Dr. Orna Grün (E+S Rück) stellte gemeinsam mit Theo Breit (COR&FJA) sowie Zouhair Haddou (ARAG) das Risikoprüfungstool ESmeRiT der E+S Rück vor: eine umfangreiche medizinische Datenbank, deren Daten dem Versicherer als Entscheidungsgrundlage bei der Bearbeitung eines Antrags dienen können. Einen Schritt weiter geht die Munich Re zusammen mit Franke und Bornberg. Das gemeinsam entwickelte, anbieterübergreifende Tool vers.diagnose führt die Vermittler elektronisch durch die Risikoprüfungsfragen einer Risikolebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung und bietet direkt im Anschluss verbindliche Vertragsangebote verschiedener angeschlossener Versicherer an. Alexander Grafl (AXA Konzern) erklärte die Vorteile anschließend aus Versicherersicht und lobte vor allem, dass sich der vorgelagerte manuelle Risikovoranfrageprozess seit Einführung von vers.diagnose extrem verringert habe. Auch Dr. Christian Kirsch (Zurich) berichtete in seinem Vortrag von den positiven Erfahrungen der Zurich mit dem System.

Anzeige

Wettbewerbsnachteil ohne elektronische Systeme

Unter dem Motto „Risikoprüfsysteme am Point of Sale (POS) – Fluch oder Segen für den Vertrieb“ diskutierten Dr. Sylvia Thießen-Lüders (Munich RE), Dr. Christian Kirsch (Zurich) und Dr. Martin Pöll (TELIS) unter der Moderation von Versicherungsforen-Geschäftsführer Jens Ringel eines der Kernthemen der zweitägigen Konferenz. Den unterschiedlichen Systemen am Markt standen alle Diskutanten offen gegenüber. Jede Alternative (Teleunderwriting, automatisierte Risikoprüfung usw.) habe ihre Daseinsberechtigung, für jeden Vertriebsweg sind z.B. unterschiedliche Systeme geeignet. Versicherer, die jedoch weiterhin auf einer nicht-automatisierten Risikoprüfung bestehen, hätten mittelfristig einen Wettbewerbsnachteil. Dr. Kirsch betonte zwar, dass die Branche generell eher traditionell und konservativ sei und die langsame Papierverarbeitung erst in einem schleichenden Prozess abgelöst werden würde, sich die Geschwindigkeit aber auf Dauer zum essentiellen Erfolgskriterium entwickle.

Im weiteren Verlauf der Podiumsdiskussion wurde auch erwogen, ob Kunden bei einer möglichen sofortigen Ablehnung ihres Antrags eventuell mit Verweigerung reagieren. Dr. Kirsch betonte jedoch, dass der Kunde auch bei elektronisch automatisierter Ablehnung eines Antrags profitiert, da der Vermittler in diesem Fall mit dem Kunden direkt Alternativen zur ursprünglich gewünschten Versicherung diskutieren und eruieren kann. Auch bei der Papierverarbeitung sei der Vermittler der „Überbringer“ der Ablehnung, jedoch in der Regel erst bei einem zweiten Termin, der aufgrund der Ablehnung schon einen eher negativen Einstieg hat. Frau Dr. Thießen-Lüders unterstrich, dass ein ganzheitlicher Beratungsprozess des Kunden in jedem Fall einen Vermittler braucht. Denn nutzt der Kunde ein automatisiertes System allein, entsteht im Fall einer Ablehnung wieder ein Bruch, da ein Vermittler konsultiert werden müsste. Die automatisierte Risikoprüfung solle jedoch genau diesen Bruch verhindern. Zudem bleibe das Vertrauensverhältnis zwischen Vermittler und Kunde auch in Zukunft ein wichtiger Faktor.

Insgesamt befürworteten alle Diskutanten die Einführung einer Risikoprüfung am POS, gaben jedoch zu bedenken, dass immer Voten existieren werden, die sich nicht elektronisch abbilden lassen und von Hand geprüft werden müssen. Von ihren individuellen Erfahrungen in der Antrags- und Leistungsbearbeitung berichteten die Referenten der Generali Lebensversicherung, HUK-Coburg Lebensversicherung und der Nürnberger Versicherung Österreich.

Alexander Rettkowski (Generali LV) widmete sich in seinem Vortrag dem Thema „Herausforderungen und Lösungsansätze psychischer Erkrankungen“. Die steigende Anzahl von Diagnosen psychischer Erkrankungen sei für alle Versicherer eine große Baustelle. Die Generali begegnet dieser Problemstellung mit dem Einsatz einer hauseigenen Psychologin, die ihr Know-how in die Risiko- und Leistungsprüfung einbringt und die Fallentscheidung dadurch maßgeblich vereinfacht.

Teleunderwriting & Leistungsbearbeitungsprozesse

Das Thema Teleunderwriting griff Dr. Stefanie Schramm von der HUK-Coburg in ihrem Vortrag auf. Das Unternehmen setzt Teleunderwriting in Form von Small-T seit rund fünf Jahren ein und schaut positiv auf diese Zeit zurück. Durch die Reduzierung der Bearbeitungsdauer und die höhere Policierungsquote sei die Resonanz der Kunden sehr positiv, weniger (schriftliche) Rückfragen entlasten den Vertrieb. In der anschließenden Diskussion des Plenums zeigten sich jedoch unterschiedliche Meinungen zum Thema Speicherung der Gesprächsaufzeichnungen und Datenschutz. Einige Teilnehmer haben bereits negative Erfahrungen gemacht und mahnten zur Vorsicht.

Einen Einblick in die Gepflogenheiten des Nachbarlandes Österreich gaben Philipp Andree und Wolfgang Menghin von der Nürnberger Versicherung in Österreich. Anhand ihres Leistungsbearbeitungsprozesses für die Berufsunfähigkeitsversicherung, der oftmals in der Außenregulierung durchgeführt wird, zeigten sie Unterschiede zu Deutschland auf. Die Außenregulierung ermögliche der Nürnberger eine schnellere und zielgenauere Leistungsentscheidung und dadurch eine gesteigerte Kundenzufriedenheit. Auch der Maklermarkt honoriere dies mit guten Bewertungen und steigendes Neugeschäft lässt sich verzeichnen.

Anzeige

Als Fazit der Konferenz lässt sich festhalten, dass es bereits viele innovative Ansätze und Lösungsvorschläge gibt, um die Antrags- und Leistungsbearbeitung zu optimieren und mit zusätzlichen Serviceleistungen beim Kunden zu punkten. Aus den Erfahrungsberichten wurde deutlich, dass einige Versicherer bereits neue Konzepte entwerfen und weiterentwickeln, Automatisierungstools einsetzen und neue Standards entwickeln, um langfristig einen Wettbewerbsvorteil zu generieren.

Versicherungsforen Leipzig