Berufsunfähigkeitsversicherung: immer häufiger Folge psychischer Erkrankungen
Berufsunfähigkeitsversicherung - Der häufigste Grund für eine vorzeitige Berufsaufgabe sind mittlerweile psychische Erkrankungen, während Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems immer seltener zu einer Berufsunfähigkeit führen.
Wie hat sich die Berufsunfähigkeit in den letzten Jahren gewandelt? Dies ist eine der Fragen, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für seine „Themenwoche Berufsunfähigkeit“ in den Mittelpunkt stellt. Wichtige Erkenntnis: Längst wird das vorzeitige Aus im Beruf nicht mehr hauptsächlich durch schwere körperliche Tätigkeiten erzwungen. Schließlich sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Malocher-Jobs in den Fabriken, Bergwerken oder an den Fließbändern weggefallen.
Anzeige
Rückgang von „Verschleißerkrankungen“
Heute arbeitet knapp die Hälfte der rund 42 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland vor einem Bildschirm, berichtet der GDV. Die PC-Arbeiter sind einer deutlich geringeren körperlichen Belastung ausgesetzt als frühere Generationen, was sich auch im Rückgang der körperlichen Verschleißerkrankungen widerspiegelt.
1993 erhielten laut Gesetzlicher Rentenversicherung rund 81.000 Personen erstmals eine Erwerbsminderungsrente wegen einer Krankheit des Muskel- oder Skelettsystems. Im Jahr 2014 waren es hingegen „nur“ noch knapp 24.000 Personen. Auch insgesamt gingen die Fallzahlen in dem Zeitraum zurück: von 270.000 auf rund 175.000, wobei nur gesetzlich Versicherte, nicht jedoch Selbstständige und Beamte erfasst sind.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Psychische Erkrankungen nehmen deutlich zu
Ein deutlicher Anstieg ist hingegen bei den psychischen Erkrankungen zu beobachten. 1993 bekamen rund 41.400 Menschen eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Störungen zugesprochen, 2012 waren es knapp 75.000. Damit stieg der Anteil dieser Gruppe an allen neu erteilten Erwerbsminderungsrenten von 15,4 auf 42,7 Prozent, Tendenz steigend. In der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung ist das Bild ähnlich: Laut dem Analysehaus Morgen und Morgen entfielen 2012 rund 31 Prozent der Leistungsfälle auf psychische Erkrankungen. Damit hat sich der Anteil seit 2003 fast verdoppelt.
Der Trend hin zu psychischen Erkrankungen wird auch durch neue Anforderungen der modernen Arbeitswelt begünstigt. Befristete Jobs und projektbezogene Arbeit sind auf dem Vormarsch, ebenso eine stärkere Leistungsorientierung und zeitabhängiges Arbeiten. Durch Handy, Smartphone und Co. sind Beschäftigte zudem rund um die Uhr für ihren Arbeitgeber erreichbar. Das bedeutet nicht nur mehr Stress, sondern auch eine zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Freizeit. Die Arbeitszeiten werden immer länger, die Erholungszeiten nehmen ab.
Als Oberbegriff für psychische Erkrankungen hat sich der Begriff „Burn Out“ durchgesetzt, auch wenn darunter allerlei Krankheitsbilder nicht ganz korrekt zusammengefasst werden. Leiden wie Depressionen, depressive Verstimmungen, Angstzustände oder Suchterkrankungen werden dem „Burn Out“ zugerechnet. Das Burn-Out-Syndrom ist wissenschaftlich selbst nicht als Krankheit anerkannt, sondern gilt laut Klassifikationssystem der WHO als „Problem der Lebensbewältigung“.
Der Anstieg psychischer Leiden ist nach Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) aber nicht nur Folge veränderter Belastungen am Arbeitsplatz. Er lässt sich auch auf verbesserte Diagnosen zurückführen. Zudem hat es einen Wandel in der Gesellschaft gegeben. Psychische Probleme werden heute offener besprochen und nicht mehr tabuisiert wie in früheren Zeiten.
Erwerbstätige werden immer früher berufsunfähig
Die Zunahme psychischer Erkrankungen erklärt auch, warum Menschen immer früher aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf aufgeben oder ganz aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen. Während körperliche Verschleißerkrankungen typischerweise im Alter zunehmen, treten “psychische Erkrankungen häufiger auch schon in jüngeren Jahren massiv auf”, heißt es im Altersübergangs-Report vom Institut Arbeit und Qualifikation.
Anzeige
Lag das Durchschnittsalter der Männer bei Zusage einer Erwerbsminderungsrente 1993 noch bei 53,3 Jahren, betrug es im vergangenen Jahr 51,5 Jahre – wenngleich es zuletzt wieder leicht gestiegen ist. Die Vorstellung, dass nur die Alten von Berufsunfähigkeit betroffen sind, trifft jedenfalls nicht mehr zu.