Ramsauer will Rente mit 63 aussetzen - und erntet Widerspruch
Peter Ramsauer (CSU) hat vorgeschlagen, Reformprojekte wie die „Rente mit 63“ vor dem Hintergrund der unsicheren Konjunktur auf Eis zu legen. Nun wird Ramsauer von seinen Parteifreunden zur Ordnung gerufen – die Rente mit 63 werde kommen, so der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer.
Peter Ramsauer (CSU), Vorsitzender des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, will zur Stärkung der Wirtschaft Mindestlohn und Rente mit 63 vorläufig aussetzen. Wenn sich die Konjunktur abschwäche, müsse gegengesteuert werden, sagte Ramsauer am Mittwoch im Deutschlandfunk-Interview. Auch die Frauenquote für Vorstände und die Pflegereform müsse auf den Prüfstand. Doch mit diesem Vorschlag stößt er auf Kritik in den eigenen Reihen.
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Rente mit 63 stehe nicht zur Debatte
“Was Herr Ramsauer leider übersieht ist, dass Union und SPD im Koalitionsvertrag die Rente mit 63 festgeschrieben haben“, sagte Michael Grosse-Böhmer (CDU), Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, der Tageszeitung „Welt“. „Die Union wird sich immer koalitionstreu verhalten. Deshalb steht ein Verschieben der Rente mit 63 nicht zur Debatte.“
Gestern hatte Ramsauer schon heftige Kritik von der SPD geerntet – bis hin zur Androhung, den Koalitionsfrieden aufzukündigen. „Wer ernsthaft meint, mit der SPD in der Bundesregierung könne man den Mindestlohn oder die Rente mit 63 ‚aussetzen‘, bei dem muss das Denkvermögen ausgesetzt haben“, sagte der SPD-Bundesvize Ralf Stegner Handelsblatt Online. „Wenn Herr Ramsauer dann auch noch mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft für unsinnig erklärt, seine CSU aber gleichzeitig mit Verve für Kita-Fernhalteprämien und Ausländermaut eintritt, dann erkennt man daran die intellektuelle Tristesse der gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Debatten in Deutschland.“
Auch der Arbeitnehmerflügel der Union lehnt Ramsauers Vorschlag ab. "Statt die Schlachten von gestern zu schlagen, sollten sich unsere Wirtschaftspolitiker mal Gedanken darüber machen, wie sie unsere Wirtschaft durch Bürokratieabbau entlasten können", sagte Karl-Josef Laumann (CDU) der Rheinischen Post. "Ohne die Rente mit 63 hätte es auch die Erhöhung der Mütterrenten nicht gegeben, denn die hätte die SPD nicht mitgemacht", erklärte der Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Die Mütterrente ist ein Projekt der Unionsparteien, das allerdings ähnlich wie die "Rente mit 63" in der Kritik steht.
Herbstgutachten gibt Reformpolitik Mitschuld an schwächelnder Wirtschaft
Angestoßen wird die Debatte durch ein Herbstgutachten mehrerer Wirtschaftsinstitute, die der Reformpolitik der Bundesregierung eine Mitschuld an der schwächelnden Konjunktur geben. Rentenpaket und Mindestlohn würgen das Wachstum ab, so die Kritik der Wirtschaftsforscher, zu denen das Berliner DIW, das Münchner ifo-Institut, das Essener RWI und das IWH aus Halle gehören. Sie prognostizieren für dieses Jahr ein Wachstum von „nur“ 1,3 Prozent, nachdem sie noch im Frühjahr 1,9 Prozent prophezeit hatten.
Doch auch das Herbstgutachten provoziert Widerspruch. Die Wirtschaftswissenschaftler hätten bereits im Frühjahr viel zu optimistische Prognosen gestellt, kritisiert der linksliberale Ökonom Heiner Flassbeck auf seiner Webseite, und damals zu Unrecht einen Aufschwung prophezeit. Dass die Erwartungen nun nicht erfüllt werden, sei Folge der eigenen Prognose-Fehler, so die Argumentation.
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So hätten die Forscher etwa die Investitionsbereitschaft der Unternehmen im Frühjahr überbewertet, weil man davon ausgegangen sei, dass der Niedrigzins die Investitionen ankurble. Eine unrealistische Erwartung, da Unternehmer nur investieren würden, wenn sie ihre Produkte auch loswerden und die Kapazitäten ausgelastet sind. Dies sei aber u.a. aufgrund der anhaltenden Eurokrise nicht der Fall gewesen. Auch die Zunahme des privaten Konsums hätten die Wissenschaftler zu hoch geschätzt.