Was am Donnerstag in der Schweiz passiert ist, lässt Steuerfahnder aus Deutschland staunen. Mit einem Großaufgebot hat die Polizei 20 Büros und Wohnungen in Zürich und Basel durchsucht, um Steuerdelikten auf die Spur zu kommen. Doch der Anlass war eine Klage aus Deutschland – vor Monaten hatte der deutsche Unternehmer Carsten Maschmeyer Anzeige in Köln gegen die Schweizer Sarasin Bank erstattet.

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Es sei ein „Novum“, dass eine Razzia bei Bankern in der Schweiz wegen eines deutschen Steuerfalls durchgeführt werde, gab ein erstaunter deutscher Beamter der Basler Zeitung zu Protokoll. Nicht einmal die Kavallerie musste dafür zu den Eidgenossen geschickt werden. Bisher ist eine Rechtshilfe stets am Bankgeheimnis gescheitert.

Razzia wegen Cum-Ex-Deals

Das Ausmaß des möglichen Steuerbetrugs ist gewaltig. Die Fahnder suchten nach Belegen für sogenannte Cum-Ex-Deals. Dabei werden Wertpapiere mit (cum) und ohne (ex) Anspruch auf Dividende vor dem Stichtag einer Dividendenausschüttung so schnell hin- und hergeschoben, dass für die Steuerbeamten nicht nachvollziehbar ist, wer die Aktien gerade hält.

Die Verrechnungssteuer für die Dividende können Unternehmen dann mehrfach vom Staat zurückfordern – obwohl sie nur einmal gezahlt haben. Ein lohnendes Geschäft auf Kosten des Steuerzahlers: Rund 12 Milliarden Euro könnten in Deutschland zu viel ausgezahlt worden sein, schätzen Finanzexperten. Mehrere Banken sollen sich an den schmutzigen Deals beteiligt haben, ermöglicht durch eine Gesetzeslücke im deutschen Steuerrecht. Erst 2012 wurden derartige Geschäfte ausdrücklich verboten.

Auch der Sarasin Bank wird vorgeworfen, mit derartigen Cum-Ex-Deals Geschäfte gemacht zu haben. Jahrelang habe das Geldhaus Prominente angeworben, die ihr Geld in dubiose Fonds der Luxemburger Firma Sheridan steckten. Anfangs erwirtschaftete der Fonds mit den mutmaßlichen Steuer-Schiebereien hohe Renditen. Der Schaden, den die Sarasin Bank dem deutschen Fiskus beschert haben könnte, wird von der Kölner Staatsanwaltschaft auf 460 Millionen Euro geschätzt.

Wussten die Prominenten von den Cum-Ex-Deals?

Doch wussten die Prominenten davon, dass ihr Geld wohl mit Steuerbetrug gemehrt wurde? Carsten Maschmeyer war einer der Prominenten, die in Sheridan-Fonds investiert haben. Auf Rat seines langjährigen Geschäftspartners Eric Sarasin habe er 2010 einen Fonds gezeichnet, der 10 Prozent Rendite und maximal 2 Prozent Verlustrisiko versprochen habe. Ebenfalls beteiligt: seine Gattin Veronica Ferres, Schalke-Patron Clemens Tönnies sowie Mirko Slomka, der soeben entlassene HSV-Trainer. Zusammen investierten sie über 40 Millionen Euro in der Schweiz.

Weil die Gesetzeslücke 2012 geschlossen wurde und Cum-Ex-Geschäfte nicht mehr möglich waren, müssen Maschmeyer, Tönnies und Slomka nun den Verlust eines zweistelligen Millionenbetrages fürchten. Zwar haben sie nach einem Vergleich mit der Bank 26 Millionen Euro zurückerhalten. Doch 14 Millionen Euro wären futsch. Erwin Müller, Gründer der deutschen Müller-Drogeriekette, fühlt sich gar um 50 Millionen Euro betrogen. Sie alle bestreiten, von den Steuer-Schummeleien gewusst zu haben.

Sollte Carsten Maschmeyer, der mit dem Strukturvertrieb AWD zum Milliardär wurde, selbst Opfer dubioser Anlageberater geworden sein? „Ich bin nie darüber informiert worden, dass die von mir gezeichneten Fonds steuerschädlich agieren könnten. Daher werde ich auf Rückabwicklung wegen Täuschung klagen", hatte der schillernde Unternehmer im April zu Protokoll gegeben. Maschmeyer und andere deutsche Anleger haben Klage gegen Führungspersonen der Sarasin Bank erhoben - die Großrazzia ist nun die Folge.

30 potentielle Täter unter Verdacht

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat 30 mögliche Täter im Visier, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Durchsucht wurden etwa auch die Räume einer deutschen Anwaltskanzlei an der Zürcher Straße, wie die Basler Zeitung berichtet. Ebenso Räumlichkeiten des Bergdorfes Zuoz im Engadin, wohin sich der bekannte Steueranwalt Hanno Berger zurückgezogen hat. Die Sarasin Bank wollte gegenüber dem Blatt mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellung beziehen. Berger beharrte darauf, dass an der Sache „strafrechtlich nichts dran sei“.

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Der Ausgang des Rechtsstreits dürfte auch in Deutschland von Interesse sein. Für einen Unternehmer wie Maschmeyer, der sich in der Öffentlichkeit gern als Wohltäter feiern lässt und auch die Politik berät, ist der Verdacht eines möglichen Steuerbetrugs der mediale Super-GAU. Eine Verurteilung der Sarasin-Banker würde ihn hingegen entlasten. Es verwundert allerdings der Zeitpunkt der Razzia: In anderen Ländern wurden verdächtige Firmen bereits vor zehn Tagen durchsucht, unter anderem eine Sarasin-Filiale in Frankfurt am Main. Die Verdächtigen hatten also viel Zeit, sich auf eine mögliche Razzia einzustellen.