Versicherungsbranche: Wandel der Führungskultur notwendig
Die Versicherungsbranche steckt im Umbruch - in vielerlei Hinsicht. Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wertewandels, des demographischen Wandels und auch der zunehmenden Internationalisierung müssen vor allem Führungskräfte sich ihrer Verantwortung bewusst sein und im Umgang mit ihren Mitarbeitern diese Trends miteinbeziehen. Das hat die organisationspsychologische Beratung Organomics GmbH in ihrer aktuellen Studie „Führungskultur in der Versicherunsbranche“ herausgefunden.
„In der Versicherungsbranche und vor allem im Vertrieb ist es sehr wichtig, ehrgeizige Ziele zu haben“, sagt Dr. Thomas Bittner, Vorstand der Organomics GmbH. Mitarbeiter seien oft etwas unsicher, was die Zukunft angeht und diese Unsicherheit könne ihnen durch die klare Vereinbarung von Individualzielen genommen werden. Letzteres setzen allerdings nur 22 Prozent der in der Studie befragten Führungskräfte in der Praxis um.
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Auch die Art der Ziele sei für den Erfolg ausschlaggebend. Die klassische „SMART“-Regel, dass Ziele spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realisierbar und terminierbar sein sollten, gelte laut Bittner immer noch. Allerdings formulieren lediglich sechs Prozent der Führungskräfte tatsächlich ehrgeizige Ziele. „Dabei wissen wir aus vorherigen Studien, dass, je ehrgeiziger die Ziele gesteckt werden, desto engagierter und motivierter sind die Mitarbeiter und desto wirksamer nehmen sie die Führung wahr."
Wie finden Generation Y und die Versicherungsbranche zueinander?
Ein weiteres Schwerpunktthema der Studie ist der gesellschaftliche Wertewandel, dem die aktuell viel beschworene „Generation Y“ ein Gesicht verleiht. „Diesen Menschen zwischen 20 und 30 kommt es vor allem auf die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit an“, sagt Bittner. „Es ist daher die Aufgabe der Führungskräfte, diesen Mitarbeitern mitzuteilen, was sie hier eigentlich machen und welchem höheren Zweck es dient.“ Es sollte für alle Mitarbeiter eine Art Vision geben, ein ehrgeiziges Wunschbild, das die Zukunft attraktiver erscheinen lässt als die Gegenwart. Bei immerhin 59 Prozent der Versicherer existiert solch eine Vision. Allerdings wird sie nur bei 29 Prozent gelebt und umgesetzt und ist auch den Mitarbeitern bekannt. „Das ist viel zu wenig“, konstatiert Bittner.
In der Rekrutierung sowie der Ausbildung neuer Führungskräfte selbst gebe es ebenfalls noch Verbesserungspotenzial. Zwar nutzen schon zwei Drittel der Unternehmen systematische Verfahren, um die Mitarbeiter zu finden, die tatsächlich in der Lage sind und Lust haben andere Menschen anzuleiten und anzuführen. Allerdings komme es doch noch häufig vor, dass einfach der beste Sachbearbeiter befördert werde, der versucht das Thema Führung nebenbei zu erledigen. „Damit wird verkannt, dass Führung eine ganz wichtige Aufgabe hat und jede direkte Führungskraft sie auch gerne und mit Leidenschaft ausführen sollte“, sagt Bittner.
Würdigung der Mitarbeiter: Intrinsische Motivation lohnt sich
Was den richtigen Führungsstil angeht, hat Bittner weitere Erkenntnisse aus der Studie gezogen: „Ein Großteil der Versicherer setzt weiterhin stark auf extrinsische Motivation, zum Beispiel in Form von Reisen oder Boni.“ Was dabei aber oft vergessen werde, sei die explizite Herausstellung und Würdigung des Mitarbeiters, denn diese stärken das Selbstwertgefühl. „Wenn mein Chef weiß und würdigt, was ich tue und ich vor den restlichen Mitarbeitern stehe, dann steigt meine intrinsische Motivation, die sich auf lange Sicht gesehen für den Arbeitgeber mehr lohnt als die Extrinsische.“
In der organisationspsychologischen Forschung habe sich vor allem die transformationale Führung bewährt, die auf dem Prinzip der Leistung und Gegenleistung, der Wertschätzung jedes einzelnen Mitarbeiters durch die Führungskraft und der Eigenständigkeit der Mitarbeiter basiert. Jedes Unternehmen müsse da aber seinen eigenen Weg finden.
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Insgesamt schaue die Branche sehr ehrfürchtig in die Zukunft, was auch daran liegen könnte, dass sie beim Thema Führung momentan eher mittelmäßig aufgestellt sei: Um wirklich fit für die Zukunft zu sein, muss bei den Führungsansätzen nachjustiert werden. In den Abiturjahrgängen gibt es immer weniger Bewerber, die die Voraussetzungen erfüllen. Und da muss etwas passieren, um die richtigen Leute anzuziehen, zu motivieren und letztendlich auch zu binden. Denn sonst sind die ganz schnell wieder weg.“