Der Fall INFINUS - Soll der deutsche Staat für fehlerhafte Gesetze haften?
Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn es um das hart Ersparte solcher Bürger geht, die im Glauben waren, etwas für ihre Altersvorsorge zu tun oder solche Kleinsparer, die vom INFINUS Netzwerk im Glauben gehalten wurden, dass es sich um tatsächlich festverzinsliche und sichere Geldanlagen handelt.
Vorab: Sind INFINUS Vermittler tatsächlich selbst Opfer?
Natürlich wurden auch die INFINUS Vermittler selbst geblendet. Allerdings darf man von Menschen, die in der Finanzdienstleistungsbranche tätig sind, erwarten, dass diese zumindest selbst verstehen, was sie an ihre Kunden verkaufen. Von daher kann nur gesagt werden, dass auch im Falle INFINUS Unwissenheit nicht vor Strafe schützen kann.
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INFINUS als typisches Beispiel handwerklicher Fehler in der Gesetzgebung
Letztlich trifft Nachfolgendes natürlich nicht nur für INFINUS zu, aber der Fall eignet sich wegen seiner großen Schadenssumme besonders gut zur Verdeutlichung. Es wird vermutet, dass der mittlerweile insolvente Graumarktanbieter INFINUS (inklusive seines undurchsichtigen, ebenfalls insolventen Firmennetzwerkes) Anlegerschäden in Höhe von mehr als 1 Milliarde Euro verursacht hat. Aus der Insolvenzmasse wird (nach Abzug der Insolvenzverwalterkosten) eher wenig bis sehr wenig für die Anleger übrig bleiben.
Zwei verschiedene Vermittlergruppen waren an der Vermittlung beteiligt
Grundsätzlich muss klargestellt werden, dass die Anlagen der INFINUS-Gruppe von zwei verschiedenen Vermittlergruppen verkauft wurden. Zum einen von solchen Vermittlern, die dem Haftungsdach der INFINUS-Gruppe angehörten, zum anderen von freien Vermittlern, die dem vorgenannten Haftungsdach der INFINUS-Gruppe gerade nicht angehörten.
Unterteilung der geschädigten Anleger „per Gesetz“ in eine Zweiklassengesellschaft
Vorgenannte Unterteilung führt dazu, dass geschädigte Anleger heute unterschiedliche Erfolgsaussichten haben, wenn sie den ehemaligen Vermittler der INFINUS Anlage wegen Falschberatung in Anspruch nehmen wollen. Ein Vermittler, welcher dem INFINUS Haftungsdach angehörte, kann wohl laut jüngster, erster Urteile eher nicht persönlich in Anspruch genommen werden. Im Gegensatz dazu kann ein solcher Vermittler, welcher nicht dem Haftungsdach angehörte, persönlich in Anspruch genommen werden. Dies führt dazu, dass der geschädigte Anleger beim Obsiegen entweder eine hinter dem Vermittler stehende Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zur Befriedigung seiner Schadensersatzansprüche hat oder aber in das persönliche Vermögen des Vermittlers vollstrecken kann.
Die Vermittler des INFINUS Haftungsdaches
... haften wohl nicht, denn diese Vermittler sind nicht auf eigene Rechnung und auch nicht im eigenen Namen tätig geworden. Erste Urteile bestätigen dies. Diese Vermittler sind vielmehr im Namen und auf Rechnung des INFINUS Haftungsdaches tätig geworden. Da das INFINUS Haftungsdach insolvent ist und die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der INFINUS vermutlich nicht für den entstandenen Schaden aufkommen wird (Betrug ist nicht versicherbar!), bleibt den Anlegern, die ihre Anlage bei einem solchen Vermittler erworben haben, nicht viel. Entschädigungen werden wohl nur aus dem letztlich erzielbaren Geldwert des Insolvenzvermögens gezahlt werden (nach Abzug Kosten des/der Insolvenzverwalter).
Fraglich ist derzeit, ob nochmals zwischen solchen Anlegern zu unterscheiden ist, die Genussrechte gezeichnet haben und solchen, die Nachrangdarlehen gezeichnet haben. Im Normalfall dürften solche Anleger, die Nachrangdarlehen gezeichnet haben, völlig leer ausgehen, da die Insolvenzmasse kaum ausreichen dürfte, um zumindest die geschädigten Anleger zu befriedigen, die Genussrechte gezeichnet haben.
Freie Vermittler
Also solche, die nicht im Namen des Haftungsdaches der INFINUS tätig geworden sind, sondern die auf eigene Rechnung und in eigenem Namen vermittelt haben sind dagegen voll für etwaige Beratungsverschulden schadensersatzpflichtig. Hier kommt es insbesondere darauf an, ob und inwieweit eine ordnungsgemäße Dokumentation des Verkaufsgespräches erfolgt ist. Fehlen z. B. Hinweise in der Dokumentation darauf, dass es sich sowohl bei Genussrechten wie auch bei Nachrangdarlehen um solche Anlagen handelt, die einem Totalverlust-Risiko unterliegen, dann dürften die Klageaussichten der geschädigten Anleger ziemlich aussichtsreich sein. Sind diese Hinweise bspw. in den Dokumentationen des Verkaufsgespräches jedoch deutlich enthalten und die Dokumentation ist vom Anleger eigenhändig und im Original unterzeichnet, dann sind die Aussichten auf Erfolg einer Schadenersatzklage wohl als schwieriger einzustufen.
Gewonnene Klagen selbst gegen einen freien Vermittler sichern keine finanzielle Entschädigung
Dies darf nicht unerwähnt bleiben, denn selbst wenn ein Vermittler zu Schadenersatz verurteilt wird, so ist fraglich, ob dieser Vermittler finanziell überhaupt in der Lage ist, den entstandenen Schaden des Anlegers zu begleichen. Denkbar ist also auch eine solche Konstellation, dass der Anleger zwar den Schadenersatz-Prozess gewonnen hat, aber in seinen Händen nur einen (zwar 30 Jahre vollstreckbaren) aber letztlich wegen Zahlungsunfähigkeit des Vermittlers wertlosen Titel hält. In diesem Falle hätte der Anleger neben seiner Anlage noch weiteres Geld verloren, mithin das für seinen Anwalt und die Gerichtskosten. Übrig bleibt dann nur die ideelle Befriedigung, dem vermeintlich oder tatsächlich betrügerischen Vermittler das Handwerk gelegt zu haben.
Der Staat selbst
... hat überhaupt erst die vorstehend genannten Unterscheidungen der geschädigten Anleger in eine „Zweiklassengesellschaft“ durch nicht nachvollziehbare Gesetzgebung möglich gemacht. Diese Unterscheidung muss umgehend beseitigt werden. Es ist für mich erstaunlich, welche handwerklichen Fehler dem Gesetzgeber bei seinen Regulierungsanstrengungen sowohl im Versicherungs- wie auch im Kapitalanlagebereich unterlaufen.
Die Frage muss erlaubt sein, ob hier die Anbieter-Lobby zu stark oder gar das Eigeninteresse des Staates am Fortbestehen des grauen Kapitalmarktes zu hoch ist. Ich tippe auf Beides, will aber Letzteres an einem Beispiel verdeutlichen: Auch durch Prokon wurden viele Anleger geschädigt. Allerdings ist es im Falle Prokon so, dass doch etliche Windkraftanlagen tatsächlich stehen. Diese tragen zur staatlich verordneten Energiewende bei, ohne dass der Staat dafür auch nur einen Euro zahlen musste. Fakt ist demnach: Auch im Falle Prokon haben viele Anleger Geld verloren, aber wieder steht ein Teil der Energiewende ... !
Haftung der Initiatoren von Anlagen des Grauen Kapitalmarktes und deren „Rückdeckung“ ist zu fordern!
Auch der letzte Akt des Gesetzgebers, dass sogenannte Kleinanlegerschutzgesetz, ist eher nur ein halbherziges Werk. Dieser Auffassung ist auch der Berufsverband deutscher Honorarberater (BVDH). Richtiger wäre es m. E., wenn es zumindest eine gesetzliche Regelung dahingehend geschaffen würde, dass jeder Initiator einer Anlage auf dem Grauen Kapitalmarkt grundsätzlich vor dem Vermittler haftet und seine Anlageidee bei einem Versicherer versichern müsste. Diese Versicherung müsste dergestalt sein, dass der deckende Versicherer bei einem Ausfall des Emittenten wenigstes 50 % des eingesammelten Anlegerkapitals absichert (ohne jegliche Rückzugsmöglichkeit des Versicherers – im Schadenfall muss immer gezahlt werden, gleich aus welchem Rechtsgrund der Schadenfall eingetreten ist).
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Ein solches Vorgehen würde zwangsläufig dazu führen, dass die deckenden Versicherer die Anlagemodelle aus Eigeninteresse sehr genau auf vorhandene Plausibilität prüfen und laufend überwachen würden, also das tun, wozu die BaFin weder einen gesetzlichen Auftrag hat, noch sich dazu in der Lage sieht. Die Überprüfungen der Versicherer würden letztlich auch dazu führen, dass „schwarze Schafe“ den Markt ziemlich schnell verlassen müssten, aber dennoch die Möglichkeit der Risikokapitalbeschaffung erhalten bleiben würde. Natürlich würde bei Umsetzung des vorgenannten Szenarios das hälftige Anlagerisiko bei den Anlegern und den Vermittlern verbleiben, was m. E. korrekt wäre, denn schließlich handelt es sich bei solchen Anlagen nicht um Anlagen aus dem Bereich des geregelten Kapitalmarktes, sondern eben um reines Risikokapital. Dies müssen insbesondere die Vermittler, letztlich aber auch die Anleger selbst lernen. Immerhin wären aber eventuelle Schadenersatzpflichten gerechter zwischen Initiator und Vermittler und das Anlagerisiko selbst zwischen einem „wissenden, teildeckenden Prüfer“ und dem ggf. nicht wirklich sachverständigen Anleger verteilt ...
... meint Ihr
Freddy Morgengrauen