Wer sich betrunken und ohne Führerschein hinter das Steuer setzt, der kann seinen Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente verlieren. Dies musste aktuell ein 29jähriger Koch erfahren, der trotz jahrelanger Beitragszahlungen nun leer ausgehen wird. Die Richter des 5. Senats im Hessischen Landessozialgericht verweigerten ihm eine entsprechende Sozialleistung.

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Mit 1,39 Promille und ohne Führerschein gegen Erdhügel

In dem verhandelten Fall war der Geschädigte bei einem selbst verursachten Unfall schwer verletzt worden. Aufgrund überhöhter Geschwindigkeit hatte er eine Autobahnausfahrt verfehlt und war mit bis zu 160 Stundenkilometern ungebremst in einen Sandhügel gefahren, den Bauarbeiter am Fahrbahnrand aufgeschüttet und ordnungsgemäß gesichert hatten. Die Bilanz der nächtlichen Fahrt war verheerend. Der Koch zog sich so schwere Verletzungen zu, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte.

Doch die überhöhte Geschwindigkeit war nicht das einzige Fehlverhalten des Autofahrers, wie die Polizei später feststellen musste. Weder war der Mann im Besitz eines gültigen Führerscheins noch hatte er sich nüchtern hinter das Steuer gesetzt. Ein Bluttest ergab, dass er mit einem Alkoholpegel von 1,39 Promille unterwegs gewesen ist. Der junge Koch entpuppte sich als Wiederholungstäter: Mehrfach schon hatte er seinen Führerschein abgeben müssen. Er wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.

Rentenversicherung muss bei vorsätzlich herbeigeführter Straftat nicht zahlen

Zu allem Unglück verweigerte auch noch die Rentenversicherung die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente. Für ihre Ablehnung bezog sich die Behörde auf Paragraph 104 SGB VI im Rentenrecht, wonach eine Rente ganz oder teilweise versagt werden kann, wenn sich ein Versicherter „die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beeinträchtigung bei einer Handlung zugezogen hat, die nach strafrechtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vorgehen ist“. Die Klage des Geschädigten hatte keinen Erfolg. In zweiter Instanz bestätigten auch das Landessozialgericht Hessen, dass der Tatbestand des Paragraphen erfüllt sei.

In der Urteilsbegründung betonten die Richter, dass es gar nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn sich der Mann nicht betrunken und ohne Führerschein hinters Steuer gesetzt hätte. So sei das Fahren ohne Führerschein auch nicht losgelöst von der fahrlässigen Trunkenheit zu beurteilen. In jener Situation hätte der Fahrer alkoholbedingt nicht mehr über die notwendigen und praktischen Kenntnisse für eine Autofahrt verfügt, so dass er für den Unfall allein verantwortlich sei. Die Rentenversicherung könne folglich trotz voller Erwerbsminderung eine Rente verweigern (Urteil vom 20. November 2014, Az.: L 5 R 129/14).

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Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision vor dem Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Explizit verwiesen die Juristen auf die ethische Dimension ihres Richterspruchs. Einerseits habe das Sozialrecht keine strafrechtlichen Funktionen wahrzunehmen. Andererseits erfülle der hier angewandte Paragraph den Zweck, dass schwere Strafverstöße nicht auch noch durch Rentenleistungen „belohnt“ werden. Die Rentenversicherung hat deshalb nach Ansicht des Gerichts keinen Ermessensfehler begangen, als sie die Erwerbsminderungsrente verweigerte – auch wenn die Konsequenzen für den Betroffenen sehr bitter sind.