Beratungsdokumentation: Missachtung bringt Makler in die Haftungsfalle
Viele Versicherungsvermittler verzichten bei der Beratung auf die Beratungsdokumentation. Stolze 86 Prozent der Vermittler dokumentieren nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie des Institutes für Transparenz (ITA). Dabei sollen Beratungsdokumentationen eigentlich die qualitativ hochwertige Beratung der Verbraucher sicherstellen und sind daher gesetzliche Pflicht.
Dazu der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas: „In der Praxis gibt es bei der Beratungsdokumentation offensichtlich große Defizite.“ Man wolle, so Maas weiter, die Ergebnisse des Gutachtens mit Branchenvertretern, Wissenschaft und Verbraucherverbänden besprechen. Ziel der Gespräche soll sein, dass die Beratungsdokumentation ihrer Funktion gerecht wird.
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Erschreckende Ergebnisse bei Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern
Laut der aktuellen Studie „Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich“ ist mit Hinsicht auf Versicherungsvertreter/Mehrfachagenten und Versicherungsmakler zu erkennen, dass diese Gruppe im Rahmen eines Mystery-Shoppings nur in 14 Prozent der Testfälle den Testkäufern eine Dokumentation ausgehändigt hat. In Anbetracht der hohen Bedeutung der Gruppe der Versicherungsvertreter/Mehrfachagenten und Versicherungsmakler sei dies ein bedenkliches Ergebnis. Zwar ist die Studie mit lediglich 48 Testkäufen im Versicherungsbereich keinesfalls repräsentativ, die Frage ist jedoch, ob sich die Werte bei z.B. 1.500 Testkäufen tatsächlich derart positiv ändern würden, dass von einer nahezu hundertprozentigen Erfüllung der Dokumentierungspflicht ausgegangen werden könnte. Letzteres darf sicher angezweifelt werden.
Folgen für Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler
Wer die Beratung und den zu erteilenden Rat nicht dokumentiert verstößt gegen geltendes Recht und haftet entsprechend. Geregelt ist dies u.a. in § 63 VVG (Schadensersatzpflicht), welcher bestimmt, dass der Versicherungsvermittler zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht.
Bei Verletzung der Pflichten durch einen Versicherungsvertreter haftet letztlich der Versicherer, ggf. hat der Versicherer jedoch ein Regressrecht gegen den Vertreter. Anders bei Versicherungsmaklern, diese haften für Verstöße gegen bestehende Pflichten stets selbst.
Versicherungsmakler und deren Pflichten
In den nachfolgenden Abschnitten soll insbesondere die Situation des Versicherungsmaklers betrachtet werden. Wie beschrieben handelt es sich bei den Dokumentationspflichten um klar geregelte gesetzliche Pflichten.
Der Status des Versicherungsmaklers, dessen Beratungsgrundlage und seine Dokumentationspflichten sowie Schadenersatzpflichten ergeben sich z.B. aus VVG (hier §§ 6 und 59 – 63). Verstöße gegen gesetzliche Pflichten sind durch die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht gedeckt.
Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in Sachen fehlender Dokumentation
Im Oktober 2014 hatte der BGH in Sachen fehlender Dokumentation zu entscheiden. Im Urteil vom 23.10.2014 (III ZR 82/13) heißt es: „Allerdings kann sich ... bei der Beurteilung, ob ein schuldhafter Verstoß des Versicherungsmaklers gegen Hinweis- oder Beratungspflichten einen wirtschaftlichen Nachteil verursacht hat, auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen. Danach trifft den Makler die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden Verhaltensempfehlungen hinweggesetzt hätte und deshalb der Schaden auch bei vertragsgerechter und pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre.“
Ein alltägliches Beispiel dazu: Der Versicherungsmakler dokumentiert die Beratung zu einer SBU. Dem Kunden ist die SBU zu teuer, er will diese nicht abschließen. Was fehlt (wie leider ganz oft) ist der dokumentierte Rat des Versicherungsmaklers und die Entscheidung des Kunden. Da der Rat des Versicherungsmaklers und die Entscheidung des Kunden nicht dokumentiert sind kommt es zu einer Beweislastumkehr. Der Versicherungsmakler muss nun nachweisen, dass er seinem Kunden einen Rat erteilt hat, den der Kunde ablehnte. Auch diese Beweisführung scheitert wiederum an der fehlenden Dokumentation dazu. Damit ist der Versicherungsmakler zum Schadenersatz verpflichtet.
Daher sollte zumindest folgendes als Rat des Versicherungsmaklers und Entscheidung des Kunden dokumentiert sein: „Der Versicherungsmakler rät zum Abschluss einer SBU wie angeboten und vorstehend dokumentiert. Gegen den Rat des Versicherungsmaklers und trotz ausführlicher Beratung zur Wichtigkeit einer Arbeitskraftabsicherung wünscht der Kunde keine Absicherung derselben und auch keine Ausweichabsicherung in Sachen Arbeitskraftabsicherung.“
Die fehlende VSH-Deckung des Versicherungsmaklers bei Verstößen gegen gesetzliche Pflichten
Ein interessantes Urteil in Sachen Vermögensschadenhaftpflicht (VSH) hat der Bundesgerichtshof (BGH) IV ZR 90/13 jüngst im Dezember 2014 gesprochen. Zwar geht es hier um die VSH eines Insolvenzverwalters, aber die Sache lässt sich durchaus mit einem Versicherungsmakler vergleichen, da die VSH-Bedingungen in entscheidenden Punkten nahezu identisch sind. Interessant ist dieses Urteil insbesondere mit Hinsicht auf das Fehlen, die Fehlerhaftigkeit bzw. die Unvollständigkeit (z.B. vergessener Rat) einer Dokumentation.
Der BGH erkennt in diesem Urteil, dass eine angebliche Verletzung von beruflichen Kardinalspflichten vom VSH-Versicherer nachgewiesen werden muss. Sodann führt der BGH aus, dass eine solche Verletzung auch wissentlich sein muss.
Ein VSH-Versicherer, der aufgrund von Kardinalspflichtenverletzung des Versicherten leistungsfrei sein will, muss nach Meinung des BGH einen Sachverhalt vortragen, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. Dabei geht der BGH sogar soweit, dass der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien dann entbehrlich ist, wenn denn Nachweis erbracht werden kann, dass es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann.
Es ist mit Hinsicht auf die Ausführungen des BGH davon auszugehen, dass jeder Versicherungsmakler die für seine berufliche Tätigkeit geltenden gesetzlichen Pflichten kennen muss. Von daher ergibt sich, dass der VSH-Versicherer leistungsfrei sein kann, wenn eine fehlerhafte oder unvollständige Dokumentation vorliegt oder Selbige gar nicht vorhanden ist.
Wortlaut in den AVB der VSH-Versicherung
Der BGH stützt sich in der o.g. Rechtsprechung auf die AVB der VSH-Bedingungen. Im direkten Bezug auf das Urteil lautete der betreffende Abschnitt in den AVB der VSH-Versicherer für Insolvenzverwalter zumeist „Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche … wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, … oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung …“. Die AVB der VSH für Versicherungsmakler sagt identisches aus.
Haftung mit eigenem Vermögen des Versicherungsmaklers an einem Beispiel
Entsteht nun dem Kunden ein Schaden, so haftet der Versicherungsmakler mit seinem persönlichen Vermögen, wenn der VSH-Versicherer aufgrund fehlender/fehlerhafter/unvollständiger Dokumentation leistungsfrei ist.
Um es an einem konkreten Beispiel fest zu machen: Versicherungsbote berichtete jüngst, dass 78 Prozent der Deutschen über keine Absicherung im Falle der Berufsunfähigkeit (SBU) verfügen. Persönlich gehe ich nach eigenen Recherchen sogar davon aus, dass weniger als 10 Prozent der Deutschen eine ausreichende SBU-Absicherung haben, da in die meisten Statistiken sowohl reine BUZ (Beitragsbefreiung ohne Rente) wie auch Erwerbsunfähigkeitsversicherungen einfließen. Erschwerend kommt hinzu, dass ein nicht unerheblicher Teil der abgeschlossenen SBU-Renten nicht einmal die Höhe der Grundsicherung erreicht, was ebenfalls ein Beratungsfehler sein kann.
Nehmen wir nun an ein Versicherungsmakler hat 2009 seinen 30 Jahre jungen Kunden tatsächlich zum Thema SBU beraten, ein entsprechender Antrag wurde gestellt. Eine Dokumentation wurde nicht angefertigt, der SBU Antrag wurde wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht policiert. Der Versicherungsmakler ist wegen der Ablehnung genervt und kümmert sich fortan nicht mehr um den Vorgang. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Ganze 12 Jahre später wird der Kunde aufgrund eines schweren Unfalls erwerbsunfähig (die geneigten Leser können gern auch 2, 5 oder 20 Jahre oder jeden anderen beliebigen Zeitraum einsetzen). Der Anwalt des Kunden stellt fest, dass keine Dokumentation vorliegt und findet in den Unterlagen des Kunden den alten, abgelehnten SBU-Antrag. Um die Schadenersatzansprüche des Kunden weiter zu untermauern ermittelt er auch, dass zum Zeitpunkt der damaligen Beratung sowohl der ersatzweise Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung, einer Dread Disease Police, einer sogenannte Multi-Rente wie auch einer Grundfähigkeitsversicherung oder eine Aufstockung der Invaliditätsgrundsumme in der Unfallversicherung möglich gewesen wären.
Weiter wird festgestellt, dass alle vorgenannten Ersatz-Versicherungen im Sinne des eingetretenen Schadens leistungsverpflichtet gewesen wären und das die vom Versicherungsmakler nicht ersatzweise angebotene Erwerbsunfähigkeitsversicherung der abgelehnten Berufsunfähigkeitsversicherung vom Leistungsumfang her am nächsten gekommen wäre.
Der Versicherungsmakler kann aufgrund der fehlenden Dokumentation und der sich daraus ergebenden Beweislastumkehr nicht nachweisen, dass er Anstrengungen unternommen hat, dem Kunden zumindest die vorgenannte Erwerbsunfähigkeitsversicherung zu besorgen. Dokumentiert ist aber durch den abgelehnten Antrag die Höhe der beabsichtigten Absicherung von 1.500 Euro monatlicher SBU-Rente. Das ist zumindest Glück im Unglück für den Versicherungsmakler, denn die eigentlich erforderliche Höhe wären 2.200 Euro SBU-Rente im Monat gewesen. Das Gericht geht aufgrund der im nicht angenommen Antrag beantragten SBU-Rente von 1.500 Euro monatlich zugunsten des Versicherungsmaklers davon aus, dass der Kunde eine höhere Rente nicht beantragen wollte. Der Versicherungsmakler ist zum Schadenersatz in Höhe der erreichbaren aber nicht angebotenen Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.500 monatlicher Rente zu verurteilen. Der Schadenersatz errechnet sich wie folgt: Alter des Kunden zum Schadeneintritt 42 Jahre, Regelrenten-Beginnalter 67 Jahre = 25 Jahre Einkommensverlust. 1.500 Euro Monatsrente x 12 x 25 = 450.000 Euro Schadenersatz zuzüglich Gerichts- und Anwaltskosten.
In Folge wird der Versicherungsmakler sein fast bezahltes Eigenheim verkaufen müssen. Da der Schaden davon nicht vollständig bezahlt werden kann, muss er zukünftig auch einen Großteil der Courtageansprüche aus seinem Gewerbebetrieb zur Zahlung des Schadens aufwenden. Letztlich kann er gerade so überleben und schrammt hart an der Privatinsolvenz vorbei. Diese wäre eingetreten, wenn das Gericht das Nettoeinkommen des Kunden von 2.200 Euro als Schadenersatz-Berechnungsgrundlage angenommen hätte. Ein wenig Glück im großen Unglück für den betroffenen Versicherungsmakler.
Situation ist für Versicherungsmakler zu 100 Prozent und äußerst einfach vermeidbar
Versicherungsmakler müssen unbedingt erkennen, dass ohne eine vom Kunden im Original unterzeichnete Dokumentation alles nichts ist! Dabei gibt es am Markt durchaus einfach zu handhabende Software die entsprechende Dokumentation sicher zu stellen.
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In einem Fall sogar unter gleichzeitiger Bestätigung des VSH-Versicherers, dass er sich bei Verwendung einer bestimmten Dokumentationssoftware nicht auf die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit derselben berufen wird. So etwas ist für Versicherungsmakler blankes Gold wert. Selbst die Heilung vergessener, unvollständiger oder fehlerhafter Dokumentationen ist mit dieser Software möglich.