Bereits im Verlauf der mündlichen Verhandlung am Mittwochvormittag hatte die Vorsitzende Richterin des 4. Zivilsenats des BGH, Barbara Mayen, das nun gefasste Urteil des Bundesgerichtshofs angedeutet. Die Allianz habe den Kläger „möglicherweise korrekt an Überschüssen und Bewertungsreserven beteiligt“, sagte Richterin Mayen in einer „vorläufigen Einschätzung“. So wurde die Richterin am Mittwoch in einem Vorbericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) zitiert.

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Der Kläger hatte seine Allianz-Lebensversicherung im Jahr 1987 abgeschlossen. Zum Ablauf im Jahr 2008 habe ihm die Allianz etwa 28.000 Euro ausgezahlt, davon mehr als 9.000 Euro Überschüsse. Der Rentner klagte auf zusätzliche 650 Euro Bewertungsreserven; einen Betrag, dem die Allianz grundsätzlich nicht widersprach. Allerdings sah sich der Versicherer im Recht, diesen Betrag mit den Schlussdividenden verrechnen zu dürfen. Dies hat der Bundesgerichtshof nun bestätigt.

Allianz darf Bewertungsreserven verrechnen

Die Krux für Kunden ist: Schlussdividenden werden, wie der Name es schon sagt, dem Vertrag nicht laufend, sondern einmalig und erst im Ablaufjahr, hier im Klagefall das Jahr 2008 betreffend, gutgeschrieben. Eine klare Trennung zwischen einem, man nenne es Treuebonus und der Beteiligung an stillen Reserven, also dem Überschuss zwischen Buchwert und Marktwert namentlich von Anleihen, gibt es nicht. Aber gerade diese Anleihen auf früheren Zeiten notieren in Zeiten niedriger Zinsen immer höher. Und für Kunden steht es in Frage, ob der Versicherer quasi so tun muss, als ob er die Anleihen zu einem guten Preis verkauft hätte.

Auf diese Frage hat der BGH nicht direkt geantwortet. Vielmehr sagt das höchste deutsche Gericht: Der Versicherer darf verrechnen, obwohl dem Kunden seit 2008 grundsätzlich 50 Prozent der Bewertungsreserven, Kursgewinne von Anleihen, zusteht. Im vergangenen Jahr hat das neue LVRG die Beteiligung an den Reserven praktisch ausgesetzt. Wohlmeinend kann man sagen, auf bessere Zinszeiten vertagt. Wenn der im Klagefall umstrittene Wertbetrag von 650 Euro nicht gar verpufft. Denn mit steigenden Marktzinsen, so es geschähe, könnte sich der aktuelle Kurs der Papiere wieder reduzieren – weswegen die Versicherer aktuell stille Reserven gerne als „Scheingewinne“ bezeichnen. Seit 2014 und dem LVRG dürfen die Versicherer Kursgewinne aus festverzinslichen Wertpapieren nur noch ausschütten, wenn ihre Vertragsgarantien für den LV-Bestand gesichert sind.

BdV-Chef: „Schlag ins Gesicht“

Der Rechtsweg muss mit dem Urteil vom Mittwoch nicht beendet sein. Es war das Bundesverfassungsgericht, welches im Jahr 2005 eine „angemessene und transparente Beteiligung“ der Kunden an den Bewertungsreserven gefordert hatte. „Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Bundesbürger, der seine Altersvorsorge in die Hände der Versicherungswirtschaft gelegt hat“, urteilt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bund der Versicherten e. V. (BdV) in einer Pressemitteilung.

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„Auch ein weiterer Auskunftsanspruch, der die Versicherungsnehmer in die Lage versetzt, den Auszahlungsbetrag auf Richtigkeit zu Überprüfen, spricht der BGH den Versicherten ab“ schreibt der BdV. Und weiter: „Kleinlein ist entsetzt: ,Dem legalen Betrug der Versicherer sind damit weitere Tore geöffnet worden, denn eine Überwachung der individuellen Berechnungen der Versicherungsunternehmen findet nicht statt, und wird durch diese Intransparenz verhindert'. Verbraucher müssten sich stets auf die Aussage der Unternehmen verlassen können, allerdings ohne eine Kontrollmöglichkeit zu haben.

Bundesgerichtshof/Bund der Versicherten