Versicherungsbote: Herr Lutz, welche Haftungsrisiken müssen Ärzte versichern?

Carsten Lutz:
Risiken aus Behandlungsfehlern stehen bei der Absicherung an der ersten Stelle. Im Fokus sind dabei vor allem Personenschäden aber auch Vermögensschäden können relevant werden. Darüber hinaus sollte auch eine strafrechtliche Komponente als Deckungserweiterung in den Schutz inkludiert sein. Elementar wichtig ist beim Haftpflichtschutz, dass die Risiken aus dem Fachgebiet des Arztes umfassend und bestmöglich abgesichert sind. Bei einem Neurochirurgen sind das unter Umständen andere Risiken als bei einem Allgemeinmediziner, ein Kinderarzt benötigt einen anderen Deckungsumfang als ein Gynäkologe.

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Haftpflichtschäden von Ärzten: Schadensumme pro Schaden massiv gestiegen

Carsten Lutz ist Leiter Produktmanagement Haftpflicht Heilwesen bei der HDI Versicherung AG.In welcher Höhe liegen Zahlungen bei Haftpflichtschäden? Wie gestaltet sich die Entwicklung solcher Zahlungen?

Diese Frage lässt sich in dieser Form nicht beantworten. Je nach Schadenfall können die Schadensummen vom dreistelligen bei kleineren Ereignissen bis in den siebenstelligen Euro-Bereich zum Beispiel bei Geburtsschäden rangieren. Bemerkenswert ist vor allem, dass die Höhe der Haftpflichtschäden in den vergangenen Jahren beständig signifikant zugenommen hat. Insbesondere die Höhe der Schadensummen pro Schaden ist dabei massiv gestiegen. Für den Zeitraum zwischen 1998 und 2007 hat der GDV eine jährliche Steigerung des Schadenaufwandes von 7 bis 8,5 Prozent im Jahr ermittelt.

Welche Gründe gibt es dafür?

Verschiedene Gründe sind für diese Entwicklung ursächlich. Der medizinische und apparative Fortschritt ermöglicht heute Behandlungen von geschädigten Personen, die vor einiger Zeit noch gar nicht denkbar waren. Darüber hinaus billigen die Gerichte Geschädigten mehr Schmerzensgeld zu als früher. Auch Kindern, die bei der Geburt entsprechend geschädigt wurden, wird heute der fiktive Erwerbsausfall für ihr gesamtes Leben erstattet. Ein weiterer Grund sind die hohen Pflegekosten in Deutschland. Schließlich dürfte sich in Zukunft auch das Patientenrechtegesetz, das im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, noch bemerkbar machen.

Was sollten Ärzte beachten, die bereits über eine Haftpflichtversicherung verfügen?

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang die Vertragsdeckungssumme. Be­troffen sind da in erster Linie Ärzte, die schon länger praktizieren und damit oft auch über schon lang laufende Haftpflichtversicherungen verfügen. Deckungsumfänge aber, die in den 90er Jahren oder auch noch vor zehn Jahren als ausreichend angesehen werden konn­ten, halten aktuellen Anforderungen nicht mehr Stand. Wir empfehlen daher eine Deckungssumme von mindestens 5 Millionen Euro und bieten darüber hinaus auch 7,5 Millionen an. Außerdem sollte jeder Arzt rechtzeitig überprüfen, ob der Versicherungsschutz auch inhaltlich noch aktuell ist und alle seine Risiken gedeckt sind.

Haftungssituation bei Zusammenschlüssen von Arztpraxen unübersichtlich

Oftmals gibt es Zusammenschlüsse von Facharztgruppen. Können sich dadurch Haftungsrisiken vermindern?

Bei Zusammenschlüssen von Facharztgruppen kommt es – neben den beteiligten Fachgebieten – in hohem Maße auf die Rechtsform an. Die hat nämlich unterschiedliche Auswirkungen. Generell stellen wir fest: Je größer die Praxis oder der Zusammenschluss, desto unübersichtlicher ist häufig die Haftungssituation. Insbesondere wenn die Beteiligten ihre Berufshaftpflicht-Versicherungen individuell und bei verschiedenen Versicherern abgeschlossen haben, ist das der Fall. Unterschiedliche Versicherungsumfänge und sogar Deckungslücken verkomplizieren die Situation im Schadenfall und können zu unangenehmen Konsequenzen für alle Beteiligten führen. Bei der Haftpflichtversicherung für ärztliche Großpraxen ist es deshalb grundsätzlich sinnvoll, alle Risiken bei einem Versicherer zu bündeln. Das bringt den Beteiligten den Vorteil, dass Ansprüche schneller aus einer Hand bearbeitet werden können. Außerdem wird das Risiko der Praxis als Ganzes bewertet.

Je nach Fachrichtung fällt die Höhe der Beiträge für eine Berufshaftpflichtversicherung deutlich unterschiedlich aus. Die Tabelle weist die Jahresprämien (netto) bei der HDI für einen Kinderarzt sowie für einen Gynäkologen aus, jeweils mit einer Deckungssumme von 5 bzw. 7,5 Millionen Euro. Sind zwei angestellte Ärzte im gleichen Fachgebiet wie der niedergelassene Arzt tätig, sind sie bei der HDI zusätzlich prämienneutral mitversichert. Dies gilt nicht für die Sonderkonzepte von HDI für Großpraxen und medizinische Versorgungszentren.

















Was gibt es zu beachten?

Gemeinschaftspraxen bzw. Berufsausübungsgesellschaften – kurz BAG – stellen Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) dar. Hierin sind auch fachgebietsübergreifende sogenannte überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften (ÜBAG) oder auf einzelne Teile des beruflichen Spektrums begrenzte Teilberufsausübungsgemeinschaften (TBAG) eingeschlossen. Gegenüber dem Patienten treten BAGs bei der Abrechnung als wirtschaftliche Einheit auf.

Für Behandlungsfehler haften die Gesellschafter der BAG im Außenverhältnis persönlich und gesamtschuldnerisch. Jeder Gesellschafter kann so von einem Patienten auf die gesamte Leistung – und nicht nur einen prozentualen Anteil – in Anspruch genommen werden. Denn das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des einen Gesellschafters ist in diesem Fall der BAG zuzurechnen. Darüber hinaus können auch Fehler des gemeinsamen Personals – sowohl angestellter Ärzte als auch nicht ärztlicher Mitarbeiter – zulasten der Gesellschaft und damit aller Partner gehen. Bei jedem Zusammenschluss zu einer BAG/ ÜBAG/ TBAG empfiehlt es sich auf alle Fälle, die Haftungssituation zu besprechen, die Berufshaftpflichtversicherungen aller Partner aufeinander abzustimmen und identische Deckungssummen und Bedingungskonzepte zu wählen. Im Idealfall versichern sich alle Partner bei einem Versicherer.

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Eine weitere Variante sind medizinische Versorgungszentren (MVZ). Die MVZ können in allen zulässigen Organisationsformen firmieren, so auch als juristische Person in Form einer GmbH, AG, Genossenschaft oder KG. Ein MVZ ist Vertragspartner der Patienten und kann für Behandlungen und das Tun der angestellten Personen haftpflichtig gemacht werden. Es ist daher sinnvoll, das MVZ mit allen angestellten Behandlern über einen Versicherungsvertrag abzusichern. Für niedergelassene Ärzte oder freiberufliche Gesundheitsfachberufe, die nur als Kooperationspartner für das MVZ tätig sind, besteht die Notwendigkeit einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung. Mit dem Großpraxenkonzept und dem Spezialkonzept für medizinische Versorgungszentren bietet die HDI Versicherung auch für Zusammenschlüsse von Fachärzten umfangreichen Haftpflicht-Versicherungsschutz, die auch die speziellen Risiken der jeweiligen Fachgebiete und der Rechtsform abdeckt.

Vielen Dank für das Interview!