Nahles-Rente: Lebensversicherung muss draußen bleiben!
Die „Nahles-Rente“: Jahrzehntelang forderten Versorgungsprofis eine Vereinfachung für die Betriebsrente. Diese soll nun kommen in Form einer Revolution namens „Nahles-Rente“. Was im Effekt wie ein Meilensprung für Betriebsrentner klingt, kann man nur als Kampfansage an die Assekuranz bezeichnen. Dies auch gegenüber den Botschaftern der Vorsorge: dem Finanzvertrieb. Hauptbetroffene werden ganz klar die Versicherungsmakler sein. Und die nächsten Betriebsrentner! Versicherungsbote analysiert die Ministerpläne.
Der Reihe nach. Angeblich weil die EU-Mobilitätsrichtlinie es verlangt, müsse das Betriebsrentengesetz geändert werden, schreibt der Maklerverband VDVM. Diese Feststellung ist präzise zu differenzieren.
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Richtig ist: Wegen der sogenannten Portabilität, also der Übertragbarkeit von Betriebsrenten auf einen anderen (EU-)Arbeitgeber, muss Deutschland das nationale Betriebsrenten-Recht ändern. Darauf soll hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Nur dies: Eine Regelung zur Portabilität von Pensionskassen scheitert bereits seit dem Jahr 2004!
Falsch an der VDVM-Feststellung ist: Die EU-Mobilitätsrichtlinie fordert, abgekürzt gesagt, nicht das, was Bundes-Sozialministerin Andrea Nahles für die betriebliche Altersversorgung (bAV) in einem neuen Gesetzentwurf fordert.
Regulierung ist keine Begründung
Wie im Folgenden festzustellen, wird in Deutschland wieder einmal über-reguliert; werden EU-Vorgaben also im Übermaß umgesetzt. Die in der Vergangenheit übertriebene, weil in der Bevölkerung abgelehnte Umsetzung des Nichtraucherschutzes ist dazu ein zwar plakatives, dennoch zutreffendes Beispiel. Bei der bAV droht ähnliches.
In eine Liste gebracht, sieht Nahles' bAV-Entwurf im wesentlichen dies vor:
- Gemeinschafts-Einrichtungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften (ähnlich der Metallrente)
- Begrenzung auf die Durchführungswege Pensionskasse/-fonds
- Enthaftung des Arbeitgebers („Pay and forget“), also erstmals so genannte Beitragszusage
- auch „tariffreie“ Unternehmen sollen teilnehmen können
- der PSVaG bietet weiter Insolvenzschutz
Statt Versicherer: Arbeitgeber und Gewerkschaften werden Risikoträger
Gemeinschafts-Einrichtungen der Sozialpartner würden den Versicherungsvertrieb völlig ausgrenzen. Weil Rente und Versorgung höchst erklärungsbedürftige Vorgänge sind, könnte eine pauschalisierte bAV für viele Arbeitnehmer zwar „richtig“ in wirtschaftlichen Sinne sein – für viele Beschäftigte könnte die Nahles-Rente aber auch der falsche Versorgungsweg sein.
Die Ursache für die nötige Beurteilung von richtig und falsch legte der Gesetzgeber selbst, indem er mindestens neun(!) geförderte Wege zur Rente schuf. Von „ebnen“ kann angesichts der neunfachen Komplexität keine Rede sein.
Neun Durchführungswege
In Deutschland gibt es: Fünf Durchführungswege für die bAV, plus Riester als Rente, zusätzlich den gesondert zu kalkulierenden Wohn-Riester, die Rürup/Basisrente und exklusiv für die Privatrente über den Lebensversicherer dem Profi bekannte Ertragsanteilbesteuerung. Auch wenn je konkretem Kunden einige Förderwege entfallen, muss der Berater mehrfach rechnen, welcher Sparweg für die Rente der beste ist.
Wer soll das bezahlen? Und könnte eine Nahles-Pauschal-bAV das Thema korrekt erledigen? Nein. Vorher müsste der Gesetzgeber die geschilderten neun Förderwege vereinheitlichen. Bis dahin erfordert gute Beraterleistung ihr Entgelt. Das ist ein wirtschaftliches Prinzip.
Vertrauen statt Garantie
Auch die laut Nahles' Entwurf vorgesehene Begrenzung der neuartigen bAV auf die Durchführungswege Pensionskasse und -fonds kann den Bürger nicht beruhigen. Die Beschäftigten wollen eigentlich nur wissen, wann sie wie viel Geld bekommen, wenn sie in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Aber genau hier schafft Nahles Unsicherheit.
Bisher bekommen Beschäftigte bei der bAV immer(!) eine Leistung zugesagt, sei es als konkrete Pensionszusage in Euro und Cent. Oder über Umweg-Konstrukte und Begriffsmonster wie der „beitragsorientierten Leistungszusage“ (Direktversicherung) oder der „Beitragszsuage mit Mindestleistung“, wenn es um Fondspolicen geht; mithin keinen Durchführungsweg im eigentlichen Sinne, sondern abhängig vom Kapitalanlageprozess Fonds.
Vom Kampfhubschrauber übernommen
Nun soll doch eine Vereinfachung für Arbeitgeber geschaffen werden. Die reine Beitragszusage. Der neue Begriff ist der Militärtechnik entlehnt. Statt „Fire and forget“, einer Zieltechnik für Kampfhubschrauber-Piloten, nennt sich das Verfahren neudeutsch „Pay and forget“. Der Arbeitgeber zahlt – wohlgemerkt aus Entgelt-Verzicht des Arbeitnehmers, also aus Arbeitslohn – und der Versorgungsträger bekommt aus den Beiträgen eine Rente in vertraglich zunächst angegebener, dennoch nicht gesicherter Höhe! Hierfür sollen die neu zu schaffenden Versorgungswerke Gewähr geben.
Versicherer müssen draußen bleiben
Zugleich soll die Anpassungspflicht von laufenden Renten ausgehebelt werden. Bisher gilt eine Mindestdynamik von einen Prozent pro Jahr, um den Arbeitgeber zu enthaften. Demnächst null Prozent? Man muss abwarten, in welcher Form der Gesetzentwurf zur bAV tatsächlich zum Gesetz wird. Kein Entwurf wird so zum Gesetz, wie er zunächst eingereicht wurde („Struck'sches Gesetz“, nach dem verstorbenen SPD-Politiker und vormaligen Verteidigungs-Minister Peter Struck).
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Provisionen und Versicherungsvermittler, allen voran Makler, die in der Vergangenheit die komplizierte Versorgungslandschaft der bAV in Richtung Mitarbeiter erklärt haben, will Ministerin Nahles ausschließen. Die Lebensversicherer auch.
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