Versicherungen sind beim Compliance Management top
Die Versicherungsbranche nimmt beim Compliance Management eine Vorreiterrolle ein, wie eine Studie zeigt. Inzwischen haben fast alle Versicherer ein Compliance-Management eingerichtet. Hinsichtlich der Gesamtwirtschaft fährt die Branche damit auf der Überholspur. Aber, reicht ein Compliance System schon für einen Neuanfang in der rufgeschädigten Branche?
Eine repräsentative Sonderauswertung zu Wirtschaftskriminalität und Compliance in der Versicherungsbranche, die das Marktforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers AG (PwC) sowie der Martin Luther Universität in Halle an der Saale durchgeführt hat, kommt zu interessanten Ergebnissen.
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Versicherungen überall auf Platz Eins
Im Resultat der Studie zeigte sich, dass die Versicherungsbranche im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen die größte Betriebsamkeit an den Tag gelegt hat, was die Installation von Compliance Management betrifft. Was die Studie von PwC außerdem offenbarte, ist, dass die Versicherungsbranche gegenüber anderen Wirtschaftszweigen auch in Sachen Kartellabsprachen, Geldwäsche und Diebstahl vertraulicher Daten ganz weit vorn liegt. Hier muss sich das Compliance-Management der Versicherungen offenbar noch einmal seinen eigentlichen Zweck bewusst machen.
Laut der genannten Umfrage können inzwischen 90 Prozent aller Versicherer ein Compliance-Management vorweisen. Im Durchschnitt aller befragten Unternehmen liegt die Versicherungsbranche damit weit über dem Durchschnitt von 74 Prozent. Gleichzeitig ist die Versicherungsbranche diejenige Branche, die zuvor den größten Nachholbedarf in Sachen Selbstkontrolle hatte, argumentieren die Studienmacher. Mit der Bekämpfung von Korruption hatten die Versicherer in der Vergangenheit ebenfalls arg zu tun, weswegen sie auch hier entschlossener durchgreifen wollen.
Der Trend ist positiv, aber bei weitem nicht zufriedenstellend. 2009 berichteten noch fast zwei Drittel der Unternehmen über mindestens einen Fall von Wirtschaftskriminalität, wohingegen im Rahmen der aktuellen Studie nur noch knapp jedes Zweite hierüber klagte.
Anti-Korruptionsprogramme wirken
Fast zwei Drittel der im Rahmen der Studie befragten Versicherer haben als Teil ihrer Compliance auch ein Anti-Korruptionsprogramm mit eingeführt. Der seit einiger Zeit kontinuierliche Rückgang von Korruptionsdelikten kann hier als Indiz gewertet werden, dass die Maßnahmen tatsächlich greifen.
2007 meldeten noch 24 Prozent der Versicherer konkrete Korruptionsfälle, 2013 waren es nur vier Prozent. Allerdings muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Über einen Verdachtsfall berichteten 2013 rund 16 Prozent der Unternehmen. Auch meinten 21 Prozent der Versicherer, dass sie infolge der Korruption eines Wettbewerbers eine Geschäftsmöglichkeit verloren hätten.
Handlungsbedarf bei Wettbewerbswidrigen Absprachen und Geldwäsche
Im Bereich wettbewerbswidriger Absprachen allerdings gibt es noch viel zu tun. Wie die Umfrage ergab, haben die Versicherer spezielle kartellrechtliche Compliance-Programme kaum auf dem Tableau. Nur ein Drittel aller Befragten kann ein solches Programm vorweisen, obschon das Bundeskartellamt vor zehn Jahren hohe Bußgelder gegen Industrieversicherer verhängt hatte. 2013 berichteten 8 Prozent der Versicherer über einen Verdachtsfall - im Vergleich zu 11 Prozent zwei Jahre zuvor.
Darüber hinaus dominieren im Bereich Wirtschaftskriminalität weiterhin Fälle von Vermögensdelikten. Die damit einhergehenden Schäden am guten Ruf, die insbesondere die Versicherungsbranche besonders empfindlich treffen, haben seit der letzten Befragung im Jahr 2011 ganz erheblich zugenommen. Noch viel häufiger als Unternehmen aus anderen Branchen berichten Versicherer über den Diebstahl vertraulicher Kunden- und Unternehmensdaten. Außerdem ist unter den Versicherern ein extrem steiler Anstieg von bekannt gewordenen Fällen der Geldwäsche zu verzeichnen. Immerhin fast jedes vierte Unternehmen hatte einen solchen Fall zu beklagen - bedingt auch durch strengere Kontrollen, die nun vieles ans Licht bringen, was früher nicht öffentlich wurde.
Möglichkeiten zur Aufdeckung von Delikten vorhanden
„Um diesen Gefahren vorzubeugen, müssen die Unternehmen ihre Compliance-Management-Systeme insbesondere auch auf diese spezifischen Risiken gezielt ausrichten. Die Versicherungsbranche hat bereits erkannt, dass Hinweisgebersysteme ein hoch effektives Instrument zur Aufdeckung von Delikten sind. Doch damit diese richtig greifen, empfiehlt es sich, sie nicht nur für die eigenen Mitarbeiter, sondern auch für Geschäftspartner und Kunden zu öffnen“, sagt Gunter Lescher, Partner für Forensic Services bei PwC.
Compliance-Lösungen auf dem Prüfstand
Im Ergebnis der Studie lässt sich sagen, dass die Versicherungsunternehmen, welche ein Compliance-Management in ihrem Unternehmen installiert haben, nun auch die Qualität dieser Systeme sicher stellen müssen. Trotz kleiner Fortschritte sind die Deliktzahlen noch recht hoch. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat dafür den Prüfungsstandard 980 festgelegt, der inzwischen jedem zweiten Versicherer bekannt ist. Jeder dritte Versicherer hat seine Compliance inzwischen auch von unabhängigen Prüfern beurteilen lassen.
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Der Hintergrund des neuerlichen Enthusiasmus für gutes Benehmen ist der vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) überarbeitete Verhaltenskodex, der die Prüfung der Angemessenheit oder die Wirksamkeit von Compliance-Management-Systemen für den Teilbereich Vertrieb durch einen Wirtschaftsprüfer vorsieht.