Versicherungsbote: Sehr geehrter Herr Dr. Kuckertz, Sie sind Vorstand der Going Public – Akademie für Finanzberatung. Bitte erklären Sie uns: Warum ist Aus- und Weiterbildung für Finanzdienstleister wichtig?

Anzeige

Wolfgang Kuckertz: Ein Kunde schenkt einem Finanzdienstleister ein Vertrauen, weil er auf dessen guten Rat hofft. Dabei kann er zu Recht erwarten, mehr und besonders passendere Informationen und Empfehlungen zu erhalten, als er sich selber in einigen Minuten aus dem Internet ziehen könnte. Dafür benötigt der Berater Einfühlungsvermögen und ein breites Knowhow. Insofern ist Aus- und Weiterbildung zwingend. Weil hier unsere Branche in der Vergangenheit zu kurz gesprungen ist, hat sich ja auch in den letzten Jahren der Gesetzgeber des Themas angenommen und zumindest eine Basisqualifikation in den meisten Bereichen gefordert.

Versicherungsbote: Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler haben einen schlechten Ruf, wie mehrere Umfragen zeigen. Warum sollte jemand, der gerade sein Abitur gemacht hat, sich trotzdem für eine solche Tätigkeit entscheiden?

Wolfgang Kuckertz: Welche Branche genießt einen guten Ruf? Ärzte? Politiker? Handwerker? Es kommt immer darauf an, wie ein Berufstätiger seinen Beruf ausübt. Ein guter Finanzberater hat eine der spannendsten Aufgaben, kommt dicht an Menschen ran und hilft seinen Mitmenschen, in allen Lebenslagen gut über die Runden zu kommen. Dabei kann er auch heute noch durchaus gut verdienen. Das alles macht diesen Beruf so attraktiv.

Versicherungsbote: Lange Zeit waren die Qualifikationsanforderungen an Finanzberater und -vermittler gering. Zum Beispiel brauchen Versicherungsmakler erst seit 2007 eine Zulassung, mit der sie ihre Fachqualifikation nachweisen. Hätte sich die Branche nicht selbst zeitiger engagieren müssen, dass die fachlichen Einstiegshürden höher sind?

Wolfgang Kuckertz: Auf jeden Fall. Der Gesetzgeber wird ja nur aktiv, wenn dadurch Wählerstimmen zu gewinnen sind. In unserer Branche ist in der Vergangenheit so viel schief gelaufen, dass eine gesetzliche Anforderung unvermeidlich war. Das ist schade, weil der Gesetzgeber meist mit geringerer Sachkunde an die Lösungen ran geht, als die Branche das selber hätte tun können.

Versicherungsbote: Ab 2015 bieten Sie ein Fachhochschul-Zertifikat für Ruhestandsplaner an. Was beinhaltet speziell diese Ausbildung?

Wolfgang Kuckertz: Wir stellen hier den Kunden in den Mittelpunkt und eine deutlich zunehmende Kundengruppe sind die Menschen über 50. Bei diesen Kunden hat man im Schwerpunkt zwei Herausforderungen. Zum einen verlangen diese Kunden eine noch professionellere und andere Kommunikation als jüngere Kunden. Zum anderen liegt der Focus nicht mehr auf der Vermögensbildung, sondern auf der Sicherung von Vermögen und der Sicherung eines laufenden Einkommens – möglichst bis zum Lebensende. Dabei greifen Immobilien, Wertpapiere, Bankguthaben und Versicherungen ineinander. Hinzu kommen bestimmte rechtliche Themenstellungen wie Vorsorgevollmacht und Vermögensübertragungen. Das alles ist dann Gegenstand der Qualifikation mit FH-Zertifikat der Hochschule Kaiserslautern.

Versicherungsbote: Schaut man in die Medien, so scheint die Ruhestandsplanung derzeit ein undankbarer Job zu sein. Die Zinsen für Renten- und Lebensversicherungen sind niedrig, die Märkte volatil. Warum lohnt sich die Tätigkeit aus Ihrer Sicht trotzdem?

Wolfgang Kuckertz: Sie haben Recht! Das ist kniffelig. Einen leichten Job kann jeder erledigen. Dann wäre dort kein Geld zu verdienen. Gerade die Komplexität führt dazu, dass nur wenige Berater zu dieser stark wachsenden Kundengruppe passen. 
Außerdem: Die Schwierigkeit der Ruhestandsplanung führt dazu, dass auch Kunden deutlich eher eine Beratung in Anspruch nehmen wollen als in der Vergangenheit, als alles ganz leicht schien.

Versicherungsbote: Viele Makler stehen mitten im Berufsleben und haben einen anstrengenden Job. Welche Möglichkeiten haben speziell Makler, sich bei Going Public weiterzubilden? Können sie einen Studiengang an Ihrer Akademie absolvieren – ohne ihren Beruf vernachlässigen zu müssen?

Wolfgang Kuckertz: Die Effizienzsteigerung in der täglichen Arbeit aber auch in der Weiterbildung ist ein Schlüssel-Erfolgsfaktor, um die eigene Rentabilität zu steigern. Im Schulungsbereich setzen wir zunehmend auf Programme, die man aus der Distanz absolvieren kann – also insbesondere über virtuelle Schulungen am Computer. Präsenzseminare bleiben dennoch wichtig, werden aber von der Menge her reduziert. Damit Berater auch Ihre eigene Prozesse optimieren empfehlen wir auch, nicht für jedes Gespräch zum Kunden zu fahren, sondern Online-Beratungen – am Telefon und Rechner – durchzuführen. Auch dafür gibt es ein Schulungsprogramm zum „Online-Berater“.

Versicherungsbote: Im Rahmen der Vermittlerrichtlinie (IDD) soll auch die Verpflichtung zur Weiterbildung für Vermittler europaweit verankert werden. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben?

Wolfgang Kuckertz: Für Berater jeder Art ist eine Weiterbildung unerlässlich. Der Gesetzgeber macht damit also etwas zum Gesetz, was für Berater sowieso festes Programm sein sollte. Die Gefahr besteht darin, dass Berater nicht mehr nach Inhalten sondern nur noch nach Punkten suchen. Dafür braucht es ein intelligentes Punktesystem. Die Initiative „gut beraten“ hat hier einen ersten Aufschlag gemacht. Ich gehe davon aus, dass sich dieses System selbst weiterentwickeln wird und der Gesetzgeber könnte hier ebenfalls weitere Veränderungen verlangen. 
Insofern gilt derzeit: jeder Berater sollte sich unbedingt laufend weiterbilden. Ein sofortiger Anschluss an das System „gut beraten“ ist eine Option, aber keine zwingende.

Versicherungsbote: Wie sollte eine Weiterbildung speziell für Versicherungsmakler aussehen? Was sollte diese von der Weiterbildung der Ausschließlichkeitsvertreter unterscheiden?

Wolfgang Kuckertz: Ausschließlichkeitsvertreter haben eine eingeschränkte Produktpalette, mit der sie natürlich auch jonglieren können müssen, die aber die Analyse erleichtert. Ein vereinfachendes Beispiel: wenn ich nur eine Haftpflichtversicherung im Angebot habe, kann ich sowieso nur die eine anbieten und muss nicht so genau differenzieren, welche Risiken beim Kunden konkret vorliegen.
Das ist beim Makler grundlegend anders. Insofern muss der Makler sich viel intensiver in den Kunden und seine Risiko- und Finanzsituation reindenken. Das verlangt noch stärker kundenorientierte und ganzheitlich ausgerichtete Weiterbildungsprogramme.
Hinzu kommt, dass sich viele Ausschließlichkeitsvermittler nur auf Versicherungsprodukte und teilweise sogar nur auf einzelne Sparten konzentrieren. Ein guter Makler, der im Vorsorgebereich aktiv ist, kommt an Wertpapieranlagen nicht vorbei.
Die Qualifizierung von Maklern muss also viel breiter angelegt sein, als das bei der Ausschließlichkeit der Fall ist.

Versicherungsbote: Welchen Umfang sollte eine verpflichtende Weiterbildung haben? Italien hatte den Vorschlag von regelmäßigen Prüfungen eingebracht, dann wäre nicht nur die Teilnahme verpflichtend. Macht eine derart strenge Regelung Sinn?

Wolfgang Kuckertz: Werden regelmäßige Prüfungen abverlangt, so wird sich die Qualifikation auch nur auf diese Themen konzentrieren. Das vermeidet einen Aufbau von höherwertigen Qualifikationen. Beispiel: hat jemand einen Führerschein gemacht, so ist es eigentlich sinnvoller, wenn er später nicht die gleiche Prüfung nochmal macht sondern eher ein anspruchsvolles Fahrsicherheitstraining. Prüft man aber immer nur die Einstiegsqualifikation verhindert man eigentlich, dass der Kandidat sich darüber hinaus qualifiziert.
Wichtig ist also nicht nur, dass Weiterbildung stattfindet, sondern das man damit auch das Ziel verfolgt, an der Qualität der Beratung zu verbessern. Damit muss sich eine Weiterbildung an dem Tätigkeitsfeld des Beraters orientieren.

Versicherungsbote: Wie bewerten Sie die Weiterbildungs-Initiative „Gut beraten“ der Versicherungswirtschaft? Unsere Kritik: Die dort vermittelten Inhalte werden von den Versicherungen selbst angeboten, so dass die Weiterbildung nicht unabhängig erfolgt.

Wolfgang Kuckertz: Es heißt in diesem Zusammenhang ja: „Wenn ich mich für gesunde Ernährung interessiere, besuche ich kein Seminar bei McDonalds“. Soweit würde ich allerdings nicht unbedingt gehen. Ich glaube, dass die Angebote durch die Versicherungswirtschaft durchaus genutzt werden können. Wichtig ist, dass diese nicht den überwiegenden Teil der Weiterbildung ausmachen sollte – geschweige denn einzige Qualifikationsquelle sein dürfen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Angebote in der Qualität extrem unterschiedlich sind.
Dem Punktesystem fehlt hier aus meiner Sicht klar die Komponente der Qualitätskontrolle. Von den Bildungsdienstleistern wird keinerlei Qualitätszertifizierung abverlangt – obwohl es solche Zertifizierungen seit vielen Jahren in der Weiterbildungsbranche gibt. Diese könnte man sehr einfach von allen Bildungsdienstleistern verlangen. Hier besteht sicher noch Nachbesserungsbedarf.

Versicherungsbote: Vielen Dank für das Interview! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)

Anzeige

Steckbrief Dr. Wolfgang Kuckertz: Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann (IHK) hat Kuckertz eine Fortbildung zum Fachwirt für Finanzberatung (IHK) absolviert. An der TU Berlin studierte er BWL mit den Schwerpunkten „Bankbetriebslehre“ sowie „Personalwesen und Führungslehre“. Seine Promotion schrieb Herr Dr. Kuckertz zu dem Thema „Erhöhung des Kundenwertes durch ganzheitliche Finanzberatung“. Seit 1990 ist er als Trainer, Coach und Dozent zu Themen der Kapitalanlage und Kommunikation/Verkauf aktiv. U.a. auch Lehrbeauftragter der FH Kaiserslautern zu dem Fach Personalmanagement, Mitwirkung in diversen IHK-Prüfungskommissionen und DIHK-Arbeitskreisen. Mitherausgeber und Autor verschiedener Fachbücher und Praxisleitfäden.