Frage: Arbeitsmarktexperten empfehlen schon seit einiger Zeit, den Beschäftigungsgrad älterer Menschen zu erhöhen, um so Fachkräfte länger im Beruf zu halten. Ist Deutschland dabei vorangekommen?

Christian Pfarr:
In den zurückliegenden Jahren ist es tatsächlich zu einem nachhaltigen Anstieg der Erwerbsquote sowohl in der Altersgruppe 60 bis unter 65 Jahre als auch zu einer höheren Erwerbsbeteiligung der über 65-Jährigen gekommen. Wir konnten vor allem ab dem Jahr 1999 einen Anstieg der Personen beobachten, die trotz Erreichen des Rentenalters weiter einer regelmäßigen Arbeit nachgehen. Im europäischen Vergleich hat Deutschland zusammen mit Österreich und Frankreich allerdings nach wie vor eine der geringsten Erwerbstätigenquoten bei den 65- bis 69-Jährigen, allerdings mit ansteigender Tendenz.

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Rente: Ist die Erwerbstätigkeit von der Rentenhöhe abhängig?

Sie haben im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge einen Datensatz mit rund 68.000 Personen aus dem Sozioökonomischen Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung untersucht. Wie hoch war der Anteil der Erwerbstätigen unter den Rentnern?
Bei den Männern betrug er 6,4 Prozent, bei den Frauen 4,8 Prozent. Abgesehen von der etwas höheren Erwerbsbeteiligung der Männer verlief die Entwicklung seit 1995 nahezu parallel zwischen den Geschlechtern. Die Veränderungen im Betrachtungszeitraum haben sich also auf Frauen und Männer gleichermaßen ausgewirkt. Wir hatten allerdings mit einer stärkeren Annäherung der erwerbstätigen Frauen in der Altersgruppe über 60 Jahre gerechnet. Wegen der geringeren Renten von Frauen waren wir in unseren Hypothesen davon ausgegangen, dass diese tendenziell im Alter trotz Rentenbezugs eher arbeiten. Diese Hypothese ist von den Daten, die der Studie zugrunde lagen, nicht gestützt worden.

Sind die Faktoren ausreichend bekannt, von denen es abhängt, ob Menschen auch nach Rentenbeginn weiter erwerbstätig bleiben?

Das ist in der Vergangenheit für Deutschland nur unzureichend untersucht worden. Es existierten bislang keine repräsentativen, quantitativen Auswertungen. Internationale Studien waren nur eingeschränkt übertragbar. Häufig hatten die Studien nur stark eingegrenzte Stichproben oder ließen wichtige Kriterien unbeobachtet.

Deutlich mehr erwerbstätige Rentner in Westdeutschland

Gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland?
Ja, die Entwicklung ist ähnlich wie bei den Geschlechtern: eine nahezu synchrone Entwicklung seit 1995 mit einer im Westen konstant höheren Quote. Auch hier wäre theoretisch ein anderes Verhältnis zu erwarten gewesen. Arbeitnehmer im Osten erwerben durchschnittlich eine geringere Anzahl von Entgeltpunkten, außerdem gilt für die neuen Bundesländer noch ein niedrigerer Rentenwert. Daher hatten wir in unseren Hypothesen angenommen, dass es im Osten einen höheren Anteil von arbeitenden Rentnern gibt, weil sie geringe Renten beziehen.

Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr zeigt sich: Die Erwerbsbeteiligung der über 60-Jährigen ist in Westdeutschland deutlich höher als in den ostdeutschen Bundesländern.

Auch im Alter von 70 Jahren noch erwerbstätig

Lässt sich feststellen, wie lange Menschen nach Rentenbeginn noch arbeiten?
Erwartungsgemäß nimmt die entgeltliche Beschäftigung mit zunehmendem Alter und Entfernung zur Regelaltersgrenze auf Grund physischer und psychischer Belastungen ab. In den ersten Jahren nach Rentenantritt ist eine relativ konstante Quote sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu beobachten, die nach einer kurzen, niedrigeren Phase rund um das 65. Lebensjahr sogar zwischenzeitlich wieder ansteigt. Die Erwerbsbeteiligung im Alter von 65 Jahren der bereits sich im Ruhestand befindlichen Personen beträgt immerhin noch ca. sechs Prozent für Frauen und acht Prozent für Männer. Selbst im Alter von 70 Jahren gehen noch ca. drei Prozent der Frauen und etwa sechs Prozent der Männer trotz Rentenbezugs einer Erwerbstätigkeit nach.

Spielt die Branche eine Rolle, ob ein nennenswerter Anteil an Personen im Rentenalter noch arbeitet?

Ja, eine sehr große sogar. Es lassen sich sehr deutliche Unterschiede zwischen den Branchen feststellen. Während 1995 der größte Teil der erwerbstätigen Ruheständler in der Transport- und Handelsbranche tätig war und die Branchen Fertigung und Dienstleistung ähnliche Quoten aufwiesen, ergab sich im Jahr 2012 ein ganz anderes Bild.

Die Dienstleistungsbranche stellt mit etwa 45 Prozent den größten Anteil erwerbstätiger Rentner, gefolgt von Transport und Handel. Lediglich zwölf Prozent sind der Fertigungsbranche zuzurechnen. Dieses Ergebnis überrascht eigentlich nicht. In der Dienstleistungsbranche sind in Relation zu anderen Branchen geringere körperliche Belastungen anzutreffen.

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Das Interview wurde im Zuge der Studie vom Deutschen Institut für Altersvorsorge durchgeführt.

DIA