Das Lebensversicherungsreformgesetz hat viele Versicherungen zu einer Änderung der Maklervergütung veranlasst. Der Trend geht dahin, dass die Abschlusscourtage gesenkt wird, die Bestandsvergütung hingegen angehoben. Manche Anbieter senken die Abschlussprovision sogar ohne Ausgleich – hierzu zählen etwa die HanseMerkur, Inter und Württembergische, wie procontra Online berichtet.

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Pflicht zu flächendeckenden Nettotarifen?

Wilfried E. Simon, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM), geht nun in die Offensive und fordert weitergehende Veränderungen. „Wir erwarten von den Versicherern, ja wir halten sie sogar für verpflichtet, flächendeckend Nettotarife einzuführen“, zitiert Versicherungsmagazin Online den Verbandsfunktionär. Dies sei auch deshalb notwendig, weil manch ein Makler durch die Vergütungsänderung zur Geschäftsaufgabe gezwungen werde.

Simon nennt mehrere Gründe, warum Nettotarife sinnvoll seien. So könnten Versicherungsmakler je nach Aufwand und Ertragserwartung ihr Honorar frei kalkulieren, was übrigens durch Art. 12 des Grundgesetzes verbrieft sei. Zudem würden die Mandanten der Makler genau erfahren, wie viel sie für die Vermittlungsleistung zahlen. „Mehr Transparenz geht nicht“, so der Versicherungsfachmann.

Doch auch für die Versicherungsgesellschaften sieht Simon Vorteile. Nettotarife könnten die Attraktivität von Lebensversicherungen erhöhen, weil hier keine Provisionen/Courtagen herausgerechnet werden müssten. Darüber hinaus bräuchten die Anbieter keine Vermittlervergütung mehr diskontieren, was ihnen bei Solvency II zugute komme.

“Mit Nettotarifen ist allen geholfen, auch Verbraucherschützern“, wirbt der IGVM-Vorstand. „Selbstverständlich erwarten wir von Versicherungsmaklern, dass sie ihre Mandanten umfassend über Vor- und Nachteile der Nettopolicenvermittlung aufklären“. So müsse zum Beispiel ein Kunde das Honorar auch dann bezahlen, wenn er seine Lebensversicherung vorzeitig innerhalb der ersten 60 Monaten kündige. Durch den schneller ansteigenden Rückkaufswert könnten aber auch hier die Vorteile überwiegen.

Wahlfreiheit – mit zahlreichen Hürden

Für Makler würden Nettotarife Chance und Herausforderung zugleich bedeuten. Nur wenn Nettotarife sich tatsächlich auf dem Markt etablieren, haben ungebundene Vermittler die Wahl, ob sie eine Beratung gegen Courtage oder Honorar anbieten. Dass dies auch abhängig von den individuellen Kundenwünschen ist, betont Christian Nuschele, Vertriebsfachmann von Standard Life. So sei eine Honorarberatung für einen Berufsstarter schwer finanzierbar – aber für betuchtere Kunden schon eher eine Option.

Das Problem hierbei: Noch hat sich in der Bevölkerung nicht der Gedanke durchgesetzt, dass eine gute Beratungsleistung angemessen honoriert werden muss. Zwar wäre immerhin jeder fünfte Bundesbürger bereit, für eine Honorarberatung zu zahlen, wie 2014 eine Studie der ServiceRating GmbH ergab. Aber knapp die Hälfte der Beratungswilligen würde nicht mehr als 50 Euro pro Beratung ausgeben wollen. Eine völlig unrealistische Einschätzung der tatsächlichen Kosten, muss sich doch der Berater sowohl mit der individuellen Vermögens- und Lebenssituation des Mandanten vertraut machen als auch geeignete Produkte vergleichen.

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Mögliche Haftpflicht-Lücken

Zudem gibt es rechtliche Hürden, wenn Vermittler auf Provisionsbasis auch gegen Honorar beraten. So warnt die Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler e.V. (VSAV) vor möglichen Haftungslücken in der gewerblichen Haftpflicht. Die Haftpflichtverträge für die Honorarberatung „sind meistens anders formuliert als für Provisionsvermittler. Dies kann im Streitfall zu unterschiedlichen Auslegungen führen“, erklärt Vorstand Ralph Werner Barth. Und weiter: „Durch die Ausweitung ergeben sich in aller Regel Arbeitsfelder, die bisher nicht in der VSH abgedeckt waren.“ Er rät Maklern, ihren Versicherungsschutz entsprechend überprüfen zu lassen, wenn sie Honorarberatung oder Mischmodelle anbieten wollen.