Entscheidend für die Leistung eines Rechtsschutzversicherers ist der Zeitpunkt, an dem ein Konflikt konkret auftrat, nicht etwa das Datum, an dem ein Vertrag geschlossen wurde. Entsprechend dürfen Rechtsschutzversicherer genau differenzieren.

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Rechtsschutzversicherung bestand zum Klagezeitpunkt nicht mehr

Im verhandelten Fall ging es um eine Schadensersatzforderung an einen Wirtschaftsprüfer, der in einer Geldanlageangelegenheit einen für seinen Kunden folgenschweren Fehler gemacht hatte. Der Geschädigte wollte nun, dass der Wirtschaftsprüfer für seinen Fehler finanziell aufkommt - dieser konnte jedoch aufgrund seiner Insolvenz nicht zahlen.

Der Geschädigte wandte sich daraufhin an die Berufshaftpflichtversicherung des Wirtschaftsprüfers. Diese lehnte eine Zahlung ab, mit der Begründung, der Wirtschaftsprüfer habe bewusst seine Pflichten verletzt, und dieser Fall sei nicht versichert. Als der Kunde - erst nach einigen Jahren - gerichtlich gegen die Berufshaftpflichtversicherung vorgehen wollte, bestand seine eigene Rechtsschutzversicherung nicht mehr und sie lehnte somit eine Kostenübernahme ab. Aus Sicht des Geschädigten stellte aber die gesamte Schadensersatzangelegenheit ein und dasselbe Verfahren dar, das seinen Ursprung sechs Jahre zuvor im Fehlverhalten des Wirtschaftsprüfers hatte.

BGH: Eingeschränkte Auslegung über Eintritt des Rechtsschutzfalls

Der Bundesgerichtshof sah dies anders: So hat er bereits mehrfach geurteilt, dass über die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalles allein der Tatsachenvortrag entscheidet, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründet. Weiter sei auch die Bestimmung in § 14 (3) ARB 75, wonach der Versicherungsfall bereits als eingetreten gilt, wenn ein Dritter begonnen hat/haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen, und bei mehreren Verstößen der erste adäquatursächliche maßgeblich sein soll, eingeschränkt auszulegen, so der BGH (Az. IV ZR 22/13, 05.11.2015).

Die Richter differenzierten also sehr genau zwischen dem Schadensersatzanspruch gegen den Wirtschaftsprüfer und dem Vorgehen gegen dessen Berufshaftpflichtversicherer. Zu dem Zeitpunkt, an dem man erstmalig dem Berufshaftpflichtversicherer selbst einen Vorwurf machen konnte, bestand der Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht mehr.

Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Klaus Schneider von der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) erläutert zum Fall: „Liegt die Wurzel des Ärgers nämlich in einer Zeit, zu der noch gar keine Rechtsschutzversicherung bestanden hat, kann der Versicherer sich weigern, für Anwalt und Rechtsstreit aufzukommen. Das gleiche gilt, wenn die Rechtsschutzversicherung zum Zeitpunkt des Konfliktes bereits nicht mehr besteht.“ Insbesondere der letztgenannte Fall klingt zwar logisch, in der Praxis kann der Versicherungsnehmer aber eine andere Wahrnehmung dazu haben - wie auch die aktuelle BGH-Entscheidung zeigt.

Folgen der BGH-Entscheidung für das Problem der „Vorvertraglichkeit“

„Häufig ist die Situation jedoch genau umgekehrt“, erklärt Schneider. „Oft lehnen die Rechtsschutzversicherer gerade bei vertraglichen Streitigkeiten mit einem weit zurückliegenden und vor Beginn des Rechtsschutzversicherungsvertrages liegenden Ereignis die Kostenübernahme ab.“ Denn generell bieten Rechtsschutzversicherungen Versicherungsschutz für zukünftige Auseinandersetzungen. Kein Versicherungsschutz besteht dagegen für Rechtsstreitigkeiten, deren Anlass zeitlich vor dem Versicherungsbeginn liegt.

In diesen Fällen kommen Versicherungsnehmern jedoch nun die Grundsätze zugute, die der BGH in der vorliegenden Entscheidung erneut bestätigt hat. Denn danach ist derjenige Zeitpunkt entscheidend, an dem es zum konkreten Streit zwischen den Parteien gekommen ist – und nicht der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag geschlossen wurde, so die Fachanwälte.

Versicherer berufen sich in der Praxis zu Unrecht auf Vorvertraglichkeit

Plastisch wird der gesamte Sachverhalt auch am Beispiel einer Mietstreitigkeit. Der Mietvertrag mag schon vor vielen Jahren geschlossen worden sein. Gibt es Krach mit dem Vermieter, ist der Beginn dieses Konfliktes der entscheidende Zeitpunkt, nicht das Datum des Mietvertrages. Besteht zum Zeitpunkt des Konfliktes eine Rechtsschutzversicherung, muss der Versicherer die Kosten für anwaltliche Hilfe und gegebenenfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung tragen.

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„Lehnt ein Rechtsschutzversicherer die Kostenübernahme mit dem Argument ab, der Rechtsschutzversicherungsvertrag habe zum Zeitpunkt des Konfliktes nicht bestanden, sollten Verbraucher einen Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultieren“, empfiehlt Schneider. Dieser kann dann genau prüfen, ob der Versicherer tatsächlich den richtigen Zeitpunkt seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Aus seiner Erfahrung weiß er, dass es in der Praxis gar nicht so selten ist, dass sich der Versicherer zu Unrecht auf eine sogenannte Vorvertraglichkeit beruft.

Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV)