Lebensversicherung: England führt Versicherungsvergleich im Angebotstext ein
Lebensversicherung: Nur noch mit Ranking. Englische Rentenanbieter sollen im Vertragsangebot demnächst angeben, wo sie im Vergleich zu ihren Mitbewerbern stehen. Außerdem krempeln britische Marktwächter den Lebensversicherungsmarkt komplett um. Die Versicherer dürfen rund 18 Millionen ihrer eigenen Rentenkunden nicht beraten.
Die englische Finanzaufsicht verlangt von Versicherungsunternehmen Angaben zum eigenen Marktrang. Der Grund: Nach ihren Erkenntnissen würden Verbraucher keine Konditionen vergleichen. Zunächst geht es um Rentenverträge, bei denen die Versicherer in Bälde schriftlich und bei Online-Angeboten auffällig, gut sichtbar darstellen sollen, wo sie mit ihren eigenen Renten-Offerten im Markt stehen. Treiber dieses Vergleichszwangs ist die englische Aufsicht Financial Conduct Authority (FCA), vergleichbar mit der deutschen BaFin. Wann die Pflicht zum Ranking-Ausweis kommen soll, ist noch unklar, sagt das englische Wirtschaftsmagazin „International Adviser“, das über die Pläne der FCA berichtet.
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Versicherer sollen Kunden fair behandeln
Wie die Versicherer den Verbraucher über ihren Leistungsrang informieren, hat die FCA gleichwohl klar und deutlich festgelegt: nämlich klar und deutlich! Die Versicherer sollen sich bei der Angabe des Rankings gegenüber Kunden laut „International Adviser“ an den britischen Verbraucherschutz-Leitlinien orientieren. Deren Name ist zugleich Programm: „Treating costumers fairly“ (TCF); auf deutsch: „Den Kunden fair behandeln“.
Verbraucherschutz-Richtlinie: Papier ist nicht geduldig
Diese Verbraucherschutz-Leitlinien für Anbieter und Vermittler von Finanzprodukten wurden vor etwa zehn Jahren von der britischen Regierung und Verbraucherschutzorganisationen auf der Insel entwickelt. Dieses Papier ist im Gegensatz zu herkömmlichen Kodizes, Compliance- und anderen Ehrenwortpapieren „nicht geduldig“ (wie es eine deutsche Redensart ist): Die Beteiligten verstehen die TCF aber nicht als punktuelles Schriftwerk für die Schublade, sondern einen ständig weiter zu formenden Organismus. Als laufendes Projekt.
Verbraucher vergleichen nicht
In Zusammenhang mit einer tiefgreifenden Rentenreform bei britischen Zusatzversorgungen für 18 Millionen Inselbürger präsentierte die Finanzaufsicht FCA kürzlich eine Renten-Studie. Anders als von herkömmlichen Studien gewohnt, hat die FCA aber weniger das durchschnittliche Renten-Niveau der Konsumenten, sondern viel mehr die Produktqualität und den Service der Anbieter geprüft.
Und sie prüfte auch das Vergleichs-Verhalten der Konsumenten, das man so beschreiben kann: Es gibt keines. Die Kunden schauen nicht in den Markt, ob andere Rentenanbieter, vor allem Lebensversicherer, vielleicht bessere Offerten auf auf dem Markt haben.
Entrümpelung durch Ent-Rürupung
Eigentlich sind die Briten ja traditionsbesessen. Aber weil der Markt der Privat- und Betriebsrenten nach Ansicht der Aufsicht FCA und deren Studienerhebungen nicht oder nie(?) funktionierte, kippte die Regierung kürzlich ein fast hundert Jahre altes Gesetz. Bisher durften sich englische Bürger ihre „Pension Pots“ (eine Mischung aus geförderten Privat- und Betriebsrenten) ab Alter 55 nur noch als Rente auszahlen lassen; oder sie mussten auf Cash-Kapitalzufluss hohe „Strafsteuern“ zahlen. Das ist nun vorbei. Die Renten-Pflicht, von Prof. Bert Rürup vor zehn Jahren den Deutschen auferlegt, gilt für die Briten ab dem 1. April 2015 nicht mehr. Im Gegenteil. Sie dürfen mit dem Geld jetzt machen, was sie wollen.
Kundenberatung: Lebensversicherer müssen draußen bleiben
Natürlich sollen die Sparer ihre Zusatzrente nicht verleben, sondern weiter sparen. Vor allem aber sollen die Kunden vergleichen und sich einen besseren Lebensversicherer suchen. Und weil die Versicherer bei der Aufsicht FCA kurz gesagt in Ungnade gefallen sind, dürfen sie ihre eigenen Kunden zur besseren Anlage ihre Gelder nicht beraten. Ein Novum, international.
Stattdessen nimmt die Regierung 20 Millionen Pfund oder 27,5 Millionen Euro in die Hand und finanziert damit eine neutrale Beratung unter Federführung der Finanzaufsicht und des Verbraucherschutzes.
"Wake-up Packs"
Von der Beratung der eigenen Kunden ausgeschlossen, drohen englischen Lebensversicherern wie Legal & General, Aviva und Standard Life ab 1. April, dann geht es los, massive Kapitalabflüsse.
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Aber informieren müssen die Versicherer trotzdem: Sie müssen den Kunden so genannte "Wake-up Packs" bereitstellen; deutlich aufbereitete Informationen zum bestehenden Vertrag und dessen Leistungen. Im Anschluss daran kommt eine neutrale Beratung, gesteuert von der FCA. Und dann machen die den Markt, die man in Deutschland so bezeichnen könnte: Als Marktwächter.