Verbraucherzentralen starten als Marktwächter
Die Verbraucherzentralen starten ihr Projekt „Marktwächter“, mit dem sie die Angebote bei Versicherungen, Finanzen und digitale Dienste wie Smartphone oder Apps unter die Lupe nehmen wollen. Für dieses Projekt nimmt das Verbraucherministerium in den kommenden drei Jahren fast 17 Millionen Euro in die Hand. Kritik ernten die Macher unterdessen von einem Marketingverband, der von einem „Weg in den Überwachungsstaat“ spricht.
Das Projekt Marktwächter ist eine direkte Folge des Koalitionsvertrags von Union und SPD. Bereits seit dem vergangenen Jahr haben Bundesjustiz- und Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) eine „Marktwächter-Architektur“ aufgebaut, meldet der VZBV an die Presse. Dessen Chef Klaus Müller erklärte, mit dem Projekt würden die Verbraucherzentralen „das zerklüftete Marktwissen der Verbraucher durch systematische Analysen sichtbar machen“.
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Frühwarnsystem für Versicherungs- und Smartphone-Kunden
Ferner bezeichnete Müller den Marktwächter am Donnerstag als „Frühwarnsystem“ und „Seismografen“ für die Märkte der Versicherungen/Finanzen und die „Digitale Welt“. Letzteres dient dem Oberkundenschützer als Oberbegriff für die elektronische Welt. Für alles vom Smartphone, über Online-Kommunikation bis hin zum sicheren Daten in einer virtuellen Welt. Man wolle die tatsächliche Lage der Verbraucher prüfen und „frühzeitig auf Marktverwerfungen aufmerksam machen“, schreibt der VZBV.
Mit echten oder vermeintlichen Marktverwerfungen kennt man sich in England bereits aus. Dort dürfen Lebensversicherer demnächst 18 Millionen ihrer Kunden nicht mehr beraten.
VZBV startet interaktives Marktwächter-Onlineportal
Für ein genaueres Marktbild möchten die Verbraucherschützer Beschwerden der Konsumenten auswerten und neue Studien zum Finanz- und Digitalmarkt durchführen. Ziel des VZBV sei, es dauert wohl noch ein bisschen, „perspektivisch ein interaktives Onlineportal“ zu errichten, auf dem die Kunden sich über das Geschehen bei Geld- und Digitalthemen informieren können sollen. Mit seinen Erkenntnissen will der Marktwächter als feste Schutzeinrichtung auch Aufsichts- und Regulierungsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen.
Verbraucherschutz plant neue Studien
Bundesminister Heiko Maas sagt zu den geplanten Studien des VZBV: „Empirisch gewonnene Erkenntnisse helfen dabei, Verbraucher zielgenauer und schneller vor Fehlentwicklungen oder dubiosen Angeboten zu schützen“. Vor allem die Erkenntnisse der Verbraucherzentralen seien eine Grundlage für die Arbeit des Marktwächters. Der VZBV meldet für das vergangene Jahr rund 110.000 Beratungen zum Thema Finanzen und gut 70.000 mal Verbraucherrat zur digitalen Welt im weiteren Sinne.
Zu teuer, zu wenig rentabel, zu unflexibel oder zu riskant
Bei Finanzprodukten, so der VZBV, sei etwa „knapp jedes zweite“ Anlageprodukt „zu teuer, zu wenig rentabel, zu unflexibel oder zu riskant.“ Acht von zehn Haushalten besäßen mindestens ein nicht bedarfsgerechtes Anlageprodukt, darunter auch Versicherungen. Nun startet der Marktwächter schrittweise. Im zweiten Halbjahr 2015 sollen neuere Erkenntnisse zum Finanzmarkt ausgewertet und ein Internetportal aufgebaut sein. Das Bundesjustiz- und Verbraucherministerium (BMJV) fördert das Marktwächter-Projekt vorerst bis Ende 2017 mit 5,6 Millionen Euro pro Jahr, insgesamt 16,8 Millionen.
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Kritik vom Dialogmarketing-Verband
"Mit der Institutionalisierung der Marktwächter (…) haben wir einen weiteren Schritt auf dem Weg in einen Überwachungsstaat vollzogen“, kritisiert Patrick Tapp, Chef des Deutschen Dialogmarketing-Verbands (DDV), die neue Verbraucher-Politik. Weiter zeichnet Tapp, dessen Verband sich vor allem um die digitale Welt kümmert, gegenüber der Presse ein Szenario vom „Einstieg in die Entmündigung und ideologische Bevormundung“ der Bürger und spricht von einer „maßlosen Regulierungspolitik“ des BMJV.