Finanzen: Bei fast jeder zweiten deutschen Bank droht Stellenabbau
Deutsche Banken schauen deutlich pessimistischer in die Zukunft als der europäische Durchschnitt. Stolze sechsundvierzig Prozent der Deutschen Banken erwarten sogar einen Stellenabbau im eigenen Haus. Sie leiden an belasteten Gewinnmargen und dem ewigen Niedrigzins. Für die nächsten sechs Monate wird in mehreren Bankhäusern eine weitere Verschlechterung des Geschäfts befürchtet. Doch während man in Deutschland noch klagt, gibt man sich im restlichen Europa schon wieder zuversichtlich. Krise allenthalben.
Alltag in den europäischen Bank-Häusern: Kampf um Profitabilität, allgegenwärtige Verschlechterung der eigenen Geschäftslage und die Erwartung von Stellenkürzungen. Im Vergleich aber könnten die Kürzungen in Deutschland massiver ausfallen als im europäischen Durchschnitt. Nämlich fast jede zweite Bank in Deutschland (sechsundvierzig Prozent) plant, im laufenden Jahr den Stab ihrer Mitarbeiter zu verkleinern. Europaweit liegt der Anteil bei dreiundvierzig Prozent. Andererseits planen einundzwanzig Prozent der deutschen Banken, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, in Europa insgesamt sind es schon neunundzwanzig Prozent. Banken in Deutschland sind etwas langsamer und etwas pessimistischer, aber es gibt auch Gutes zu berichten.
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Verschlechterung des Bank-Geschäfts in den nächsten 6 Monaten
Die Commerzbank hat unlängst fünftausend Stellen gestrichen, auch über die Hypo-Vereinsbank kursieren Gerüchte über Stellenstreichungen und dabei werden sie nicht die einzigen bleiben, die unangenehme Mitarbeitergespräche erwägen. Denn einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young zufolge gehen rund vierzig Prozent der deutschen Geldhäuser in den nächsten sechs Monaten von einer Verschlechterung des Geschäfts aus, schreibt das Handelsblatt.
Hauptmotive für den Sparkurs der Banken sind einerseits das historisch niedrige Zinsniveau, welches die Zinseinnahmen minimiert, andererseits hohe regulatorische Anforderungen an Eigenkapital und Risikovorsorge, die die Gewinnmargen drücken. Aus Sicht der Bankmanager ist keine Besserung der Lage erkennbar. Fünfunddreißig Prozent der deutschen Banken erwarten gar eine Verschlechterung der eigenen Geschäftslage, immerhin siebenundzwanzig Prozent erwarten eine Verbesserung. Europaweit geht der Trend in der Banken Szene aber wieder hin zum Optimismus: sechsundfünfzig Prozent der europäischen Banken prognostizieren eine Verbesserung der eigenen Lage, nur sechzehn Prozent stellen sich auf eine Verschlechterung ihrer Situation ein.
Return on Equity in Deutschland noch ferne
Europäische Banken erwarten in diesem Jahr, eine etwas bessere Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften als im Vorjahr. Der sogenannte Return on Equity (RoE) soll im Durchschnitt um 1,6 Prozent steigen. Die deutschen Banken hingegen gehen von einer Verschlechterung um durchschnittlich 0,5 Prozent aus. So lautet das Resultat des aktuellen „Bankenbarometers“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Für die Studie befragte man 226 Banken in mehreren europäischen Ländern, fünfzig Banken nahmen in Deutschland an der Umfrage teil. “Im aktuellen Niedrigzinsumfeld gibt es für die Banken kaum noch etwas zu verdienen – gleichzeitig drängen immer neue Wettbewerber auf den deutschen Markt und verstärken den ohnehin sehr hohen Preisdruck. Hinzu kommen die weiter steigenden regulatorischen Anforderungen. Die Situation in der deutschen Bankenbranche bleibt also schwierig, die Gewinne dürften vorläufig auf niedrigem Niveau verharren“, fasst Claus-Peter Wagner, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY, zusammen.
In der Konsequenz müssen die Banken ihren Sparkurs fortsetzen und interne Kosten weiter senken. Vierzig Prozent der deutschen Banken planen Kostensenkungsmaßnahmen in erheblichem Umfang, zwölf Prozent setzen auf umfassende Restrukturierungsmaßnahmen wie z.B. den Verkauf von Geschäftsbereichen. Dazu kommt der Beschäftigungsabbau, vor allem im Bereich des Retail Banking und im Firmenkundengeschäft. Hier rechnen neunundzwanzig Prozent der Banken mit Stellenstreichungen und nur neun Prozent mit Neueinstellungen. Auch im IT-Bereich und in der Verwaltung sind in der Konsequenz Stellen-Verluste erwartbar. Im Bereich Compliance, Risiko und Finanzen entstehen hingegen neue Jobs: fünfzehn Prozent der deutschen Banken sind für diese Funktionen auf der Suche nach zusätzlichen Mitarbeitern.
Angespannte Beschäftigungslage in deutschen Bankhäusern
Alles in allem aber wird die Beschäftigungslage im deutschen Bankensektor angespannt bleiben, so Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei EY: „Die Personalausgaben machen knapp über die Hälfte der operativen Kosten der Branche aus. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Drucks, den Aufsichtsbehörden und Aktionäre auf die Banken ausüben, sind die Erwartungen bezüglich weiterer Stellenkürzungen realistisch.“ Immerhin dürfen sich die Mitarbeiter, welche die kleine Delle überleben, nach mehreren mageren Jahren auf ein leichtes Gehaltsplus freuen: neunundzwanzig Prozent der deutschen Banken wollen die Gesamtvergütung in diesem Jahr erhöhen – nur zwölf Prozent der Banken prognostizieren eine sinkende Gesamtvergütung für ihre Mitarbeiter.
US-Banken sind dabei weitaus profitabler als europäische. Im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Wettbewerbern müssen sich die europäischen Banken im Hinblick auf ihre Profitabilität leider eingestehen: Während Bankhäuser jenseits des Atlantiks derzeit auf eine Eigenkapitalrendite von gut zwölf Prozent kommen, liegt diese Rendite in Europa bei nur zwei Komma acht Prozent, in Deutschland sogar nur bei ein Komma fünf Prozent. Um wenigstens die durchschnittlichen Kapitalkosten von neun Komma vier Prozent abzudecken, müssten die europäischen Banken ihre Kosten um einundzwanzig Prozent senken und ihre Umsatzerlöse gleichzeitig um fünfzehn Prozent steigern. Die deutschen Banken müssten – um ihre Kapitalkosten von acht Komma sieben Prozent zu verdienen – ihre Umsätze ebenfalls um fünfzehn Prozent steigern und gleichzeitig ihre Kosten sogar um fünfundzwanzig Komma ein Prozent reduzieren – ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario um ehrlich zu sein.
Vorläufig keine Konsolidierungswelle in Deutschland
„Das schwache Wachstum und steigende regulatorische Anforderungen zwingen die Banken dazu, auch massive Einschnitte ins Auge zu fassen und ernsthaft darüber nachzudenken, welche Geschäftsbereiche tatsächlich lebensfähig sind“, betont Wagner. Dennoch gehen die Bankmanager nicht davon aus, dass es zu einer flächendeckenden Konsolidierung der Branche kommen werde. Nur zwei Prozent der deutschen und sieben Prozent der europäischen Banken sehen eine starke Konsolidierung noch in diesem Jahr vorher. Und für die kommenden drei Jahre sehen nur zwölf Prozent die Möglichkeit einer umfassenden Marktbereinigung durch Fusionen, Übernahmen oder das Ausscheiden von Marktteilnehmern.
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Banken wollen mehr Kredite vergeben
Zwar sind die Konjunkturerwartungen gedämpft, doch gehen die Banken von einer Lockerung ihrer Kreditvergabepolitik für die meisten Branchen aus. Davon wird vor allem der Mittelstand profitieren: Mehr als die Hälfte der befragten Banken gab an, mehr Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben zu wollen. „Das ist ein gutes Signal für die mittelständischen Unternehmen. Die Banken werden die Kreditvergabe ausbauen und damit ihrer Rolle als Finanzierer für die Wirtschaft gerecht werden. Sie müssen aber gleichzeitig weiter die Risikoposten in ihrer Bilanz abbauen und ihr Ausfallrisiko in stärker risikobehafteten Branchen mindern. Das werden einige Wirtschaftszweige auch zu spüren bekommen“, sagt Müller-Tronnier. Unter den Branchen können sich insbesondere das Gesundheitswesen, Industrie und Maschinenbau sowie der IT-Bereich auf einen leichteren Zugang zu Krediten freuen. Der Energiesektor hingegen dürfte es zunehmend schwer haben, Kredite aufzunehmen: zweiundvierzig Prozent der Banken wollen die Kreditvergabe an Energieunternehmen zurückfahren.