Schwäbisch Hall wirft 50.000 Altkunden aus hochverzinsten Bausparverträgen
Die Schwäbisch Hall hat angekündigt, rund 50.000 Kunden mit hochverzinsten Altverträge zu kündigen. Damit folgt der Branchenführer dem Vorbild zahlreicher anderer Bausparkassen. Ob die Vertragskündigungen der Schwäbisch Hall zulässig sind, ist zumindest umstritten. Die Bausparkassen wähnen sich im Recht - die Verbraucherzentralen wollen dagegen klagen.
In diesem Jahr wird ein besonders Jubiläum begangen: Der berühmte Bausparfuchs der Schwäbisch Hall feiert seinen 40. Geburtstag. Doch ausgerechnet zum Jubiläum müssen sich viele Altkunden die Frage stellen, ob das Markenversprechen „Auf diese Steine können Sie bauen“ weiterhin gilt. Denn wie viele andere Bausparkassen wirft nun auch die Schwäbisch Hall zehntausende Sparer aus hochverzinsten Altverträgen.
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50.000 Verträge der Schwäbisch Hall betroffen
Ein Sprecher der Schwäbisch Hall hat einen Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ bestätigt, wonach der Branchenprimus sogenannte Altverträge zum 31. Dezember 2015 kündigen wird. Das Unternehmen will die unerwünschten Altkunden in den nächsten Wochen informieren. Betroffen seien Verträge, die seid 10 Jahren oder länger zuteilungsreif sind, ohne dass die Kunden ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen würden. Die Zahl der Kündigungen bewege sich in einer Größenordnung von 50.000 Verträgen. Begründet wird der Schritt damit, dass sich angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen auch die Situation der Bausparkassen drastisch verschlechtert habe.
Ob die Kündigungen rechtens sind, ist umstritten. Die Bausparkassen argumentieren, man müsse das Kollektiv der Bausparer vor jenen Kunden schützen, die gar keinen Bausparkredit wollen, sondern ihr Konto nur fürs Sparen nutzen. Schließlich richte sich das Angebot an Häuslebauer. Eine Untersuchung der Bundesfinanzaufsicht BaFin hat jedoch gezeigt, dass die Bausparkassen auch hochverzinste Altverträge bedienen könnten, ohne dass es ihnen schaden würde. Demnach wären die Kündigungen nur ein Trick, um „teure“ Kunden loszuwerden.
Die Branche wähnt sich juristisch auf der sicheren Seite, nachdem 2014 das Landgericht Mainz die Sicht der Bausparkassen gestützt hatte. Was freilich noch aussteht, ist ein höchstrichterliches Urteil zu dem Vorgang. Und so ist auch der Verbraucherschutz aktiv geworden. Entsprechende Klagen gegen die Kündigungen seien in Vorbereitung, berichtet Niels Nauhauser, Sprecher der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Auch Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, mahnt: „Der Anleger hat ein Recht auf den Kredit – egal, wann er ihn in Anspruch nimmt“.
Sogar die Bundesregierung ist auf die Kündigungen aufmerksam geworden. Man wolle sich allerdings in den Streit nicht einmischen, weil Zivilgerichte zuständig seien, heißt es auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen. Wenn Kunden nicht den Rechtsweg bestreiten wollen, bleibt ihnen aktuell noch die Möglichkeit, sich an den Ombudsmann der Bausparkassen zu wenden. Diese Schlichtungsstelle kann vermitteln, ist allerdings nicht ganz unabhängig – der Schlichter wird von den Bausparkassen selbst bezahlt.
Verspielen Bausparkassen ihre Reputation?
Doch es gibt ein weiteres Argument gegen die Kündigungen, ein marktwirtschaftliches. Die Bausparkassen verspielen durch das harte Vorgehen gegen ihre Kunden Reputation und Vertrauen, mahnt der Verbraucherschutz. Das könnte dazu führen, dass Sparer zukünftig auf andere Vorsorge- und Finanzierungswege ausweichen. Schließlich müssten die Verbraucher im Zweifel damit rechnen, dass die Bausparkasse sie vor die Tür setzt. Neben der Schwäbisch Hall haben u.a. auch die BHW Bausparkasse, Wüstenrot und LBS Bayern zehntausende Altverträge gekündigt.
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Hintergrundinformationen: In den letzten Monaten haben Bausparkassen zehntausende Kunden vor die Tür gesetzt. Betroffen sind hochverzinste Altverträge, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Das heißt, die Kunden haben eine Mindestlaufzeit erfüllt und eine vorher vereinbarte Summe (meist 40 bis 50 Prozent des Zielguthabens) angespart, aber kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen.
Das Problem aus Sicht der Bausparkassen: Kunden, die in den 90er Jahren einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, wurde damals eine überdurchschnittliche Verzinsung versprochen. Durch Basis- und Zinszahlungen war leicht eine Rendite von vier bis fünf Prozent pro Jahr zu erzielen. Jetzt aber haben die Finanzinstitute Probleme, ihre damaligen Versprechen zu erfüllen - sie leiden selbst unter den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. Die Bundesregierung prüft sogar, ob man die Bausparkassen mit einer entsprechenden Kündigungsklausel schützen muss.