Es gibt Berufsgruppen, bei denen ein Ausscheiden noch vor dem Rentenalter wahrscheinlicher ist, als bei anderen. Beispielsweise sind Gerüstbauer recht häufig von Berufsunfähigkeit betroffen. Das Risiko in Deutschland, den Beruf nicht mehr ausüben zu können, ist gut bezifferbar und konkret. Etwa einem Viertel aller Berufstätigen in Deutschland ist es bereits vor ihrem Eintritt ins Rentenalters aus Krankheitsgründen nicht mehr möglich, ihre Tätigkeit weiterhin auszufüllen. Verglichen damit, stellt sicht die Absicherung mit Hilfe von privaten Versicherungsverträgen als viel zu gering heraus. Seit dem die Bundesregierung vor eineinhalb Jahrzehnten begonnen hat, den gesetzlichen Schutz deutlich einzuschränken, können alle Jahrgänge, die nach 1961 geboren sind, nur noch auf einen begrenzten Erwerbsminderungsschutz bauen.

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Zugleich ist die Verbreitung der Policen im Falle der Erwerbsunfähigkeit deutlich geringer als etwa die zum Schutz des Hausrats. Dabei bergen Verdienstausfälle ein weitaus existentielleres Risiko als ein verschmorter Plattenspieler. „Die Versicherungswirtschaft ist darin gescheitert, für alle Bürger tragfähige Lösungen für einen Schutz gegen Berufsunfähigkeit zu entwickeln“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV).

Positionspapier zur Deckung der Risiken

Der Bund der Versicherten hat nun in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat ein Positionspapier erarbeitet, in dem dargestellt wird, wie sich die Deckung des Risikos verbessern ließe, zudem steht darin die Forderung nach einem erleichterten Zugang für versicherungswillige Verbraucher. Das bedeutet, dass sie bis zu einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von 1500 Euro ohne beziehungsweise mit einer stark vereinfachten Gesundheitsprüfung aufgenommen werden müssen. Zudem dürften auch Diabetes oder psychische Erkrankungen nicht länger ein Ausschlussgrund für einen Vertrag sein. „Meist scheitert ein Abschluss an dem viel zu teuren Beitrag oder an schon bestehenden Vorerkrankungen“, kritisiert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale. Deshalb sollten Versicherer aufhören, so stark nach Berufsgruppen zu unterscheiden, nur so könne wieder ein Ausgleich über größere Versichertenkollektive stattfinden.

Sozialpolitische Pflicht der Versicherer

Schließlich sollten Kunden besser einsehen können, warum ihr Antrag nicht angenommen wurde. Die Versicherungswirtschaft gab sich in der Form gesprächsbereit, in der Sache aber unnachgiebig. Für sie sei eine Aufnahme ohne Gesundheitsprüfungausschließlich in geschlossenen und kompletten Arbeitnehmergruppen wie in der betrieblichen Altersvorsorge praktikabel. „In der freiwilligen Individualvorsorge würde ein Verzicht auf die Risikoprüfung dagegen eine Abwartehaltung belohnen, erst dann den Versicherungsschutz zu beantragen, wenn sich ein Versicherungsfall bereits andeutet“, sagt Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Branchenverbands GDV.

Das würde die Beiträge in die Höhe treiben und den Markt unattraktiv machen, argumentiert der GDV. Darüber hinaus könne jeder einen Versicherungsschutz erhalten, wenn er ihn rechtzeitig einrichte. Immerhin 94 Prozent der Anträge auf einen Vertrag würden angeblich angenommen. Die Verbraucherschützer hingegen sehen die Assekuranz stärker in der sozialpolitischen Pflicht und die Produkte seien in ihrer gegenwärtigen Form wirklich nicht bedarfsgerecht.

Rückkehr zu einem vertretbaren gesetzlichen Schutz

Die private Absicherung wird gleich von mehreren Seiten angegriffen. Da sind zum einen zu wenige Verträge und zum anderen begrenzte Vertragslaufzeiten und Rentenhöhen, welcher der privaten Absicherung sukzessive die Wurzeln abknabbern. Außerdem benachteiligt die starke Selektion bestimmte Berufsgruppen oder Menschen mit Vorerkrankungen. Eine Rückkehr zu einem vertretbaren gesetzlichen Schutz gegen Berufsunfähigkeit findet in der Politik durchaus Sympathien und Branchenkritiker dort Gehör. Manche Minsterien sind zur Unterstützung der Etablierung eines besseren Schutzes durchaus bereit, doch sind Eingriffe in die Vertragsfreiheit der Versicherer gleichsam ein diffiziles Unternehmen. Allerdings sind solche Probleme Haus gemacht. Wenn zugelassen wird, dass so zentrale Bereiche wie die Berufsunfähigkeitsabsicherung respektive die Verantwortung dafür an Unternehmen abgegeben wird, dann fällt eben der eine oder andere Mensch hinten herunter. Und den Unternehmen jedenfalls ist das nicht zu verübeln.