Gebäudeversicherung: Versicherer auf dem Weg in die digitale Schadenbearbeitung
Schadenbearbeitung in der Gebäudeversicherung: Welche Erwartungen und Anforderungen haben gewerbliche Versicherungsnehmer der Immobilienwirtschaft an einen effizienten und kundenorientierten Schadenmanagementprozess? Welche Dienstleistungs- und Kommunikationsanspruch haben sie heute und in Zukunft? Eine aktuelle Studie zeigt, dass Versicherer bereits auf dem Weg in die digitale Schadenbearbeitung sind. Doch es gibt Nachholebedarf.
Die Gemeinschaftsstudie der V.E.R.S. Leipzig GmbH, der Crawford & Company (Deutschland) GmbH und der Funk Gruppe GmbH „Spannungsfeld Schadenbearbeitung in der Verbundenen Gebäudeversicherung: Kundenbedürfnis vs. Wirklichkeit – aus der Gegenwart in die Zukunft!“ nimmt die Schadenregulierung in der Gebäudeversicherung unter die Lupe. Im Ergebnis zeigt sich, dass Versicherer zunächst als Problemlöser und Servicedienstleister (Teil I der Studienergebnisse) in Bezug auf das Schadenmanagement in der Gebäudeversicherung auftreten. Gerade bei der Schnelligkeit der Schadenbearbeitung bestehen noch Defizite.
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Digitalisierung in der Schadenbearbeitung
94 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Versicherer arbeiten mit digitalen Akten (E-Akten). Die Studienbefunde zeigen auf, dass zudem bereits 75 Prozent der Befragten Teilprozesse der Dunkelverarbeitung nutzen, beispielsweise für die Deckungsprüfung oder die Information der Vertriebspartner. 70 Prozent der Entscheidungsträger halten die komplette Dunkelverarbeitung von Standardschäden geringer Höhe in den nächsten fünf Jahren für realistisch. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sich die genannten Teilprozesse bisher nur auf die operative, nach innen gerichtete Bearbeitungseffizienz beziehen.
Die Einbeziehung externer Datenstrukturen zu einem durchgängigen Prozess ist bisher nicht erfolgt. So arbeiten derzeit nur 50 Prozent der Befragten mit einer standardisierten Schnittstellentechnik. Die höchsten Hürden, die es bei der digitalen Schadenbearbeitung noch zu überwinden gilt, sind nach Einschätzungen der Interviewpartner unterschiedliche Datenformate/Medienbrüche sowie die unterschiedliche Qualität der Daten.
Schadenregulierung per Telefon und E-Mail
Heute wie in Zukunft werden das Telefon und E-Mails die am häufigsten genutzten Kommunikationskanäle für die Schadenmeldung sein. Derzeit gehen 40 Prozent der Schadenmeldungen per Telefon und 23 Prozent per Email ein. Nahezu 100 Prozent der Interviewteilnehmer erwartet, dass diese beiden Kommunikationskanäle auch zukünftig die wichtigsten Medien bleiben werden.
Social Media und Schaden-Apps werden kaum Chancen eingeräumt. Knapp über die Hälfte der Befragten stimmt außerdem zu, dass eigene Kundenportale in den nächsten fünf Jahren einer der wichtigsten Kommunikationskanäle bei der Schadenmeldung und -bearbeitung sein werden; allerdings sind die Kundenportale derzeit per se noch deutlich ausbaufähig. Dagegen haben sich Informationsportale für Vermittler schon etabliert, die bereits von 80 Prozent der befragten Häuser zur Verfügung gestellt werden, damit ihre Vermittler jederzeit aktuelle Informationen über den Bearbeitungsstand einholen können. Insgesamt gehen alle befragten Versicherer von einer nachhaltig wachsenden Bedeutung der Digitalisierung als Erfolgsfaktor der Zukunft aus.
Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern für Versicherer von entscheidender Bedeutung
Ein weiterer Aspekt der Befragung betrifft die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. So haben alle befragten Versicherer Rahmenverträge mit externen Dienstleistern – vor allem mit Trocknungs- und Sanierungsunternehmen sowie mit Gutachtern/Regulierern. Als wesentliche Kriterien bei der Auswahl der Dienstleister nannten alle Befragten Kapazitätsreserven und Compliance.
Darüber hinaus spielen für 95 Prozent der Interviewpartner der Preis, das Netzwerk und die Regionalität eine wichtige Rolle. Zertifizierungen und Gütesiegel sind dagegen nur deutlich nachrangig wichtig: Lediglich 45 bzw. 20 Prozent der Interviewpartner wählen ihre Dienstleister auch nach diesen Kriterien aus. Insgesamt gehen 85 Prozent der befragten Versicherer künftig von einer zunehmenden Bedeutung des Dienstleisternetzwerks aus. Entsprechend wird auch der Einsatz von Kundenbewertungen zum Benchmarking externer Partner ein bedeutender Faktor für die Zukunft sein, so die Meinung von 90 Prozent der befragten Versicherer.
Kurze Reaktionszeiten bei den gewerblichen Immobilienunternehmen
Ähnlich wie bei den Versicherern werden auch bei den in Teil II der Studie untersuchten gewerblichen Immobilienunternehmen Kundenorientierung und Service als entscheidende Faktoren genannt: 93 Prozent der Befragten bieten einen Notfalldienst für ihre vom Schaden betroffenen Mieter an. Dieser kann durch eigene Mitarbeiter (hauseigene Handwerker, Hauswart) oder auch durch externe Dienstleister abgedeckt sein. Zwischen Schadenannahme und Schadenbeauftragung vergeht in der Regel nicht viel Zeit: überwiegend erfolgt innerhalb eines Tages die Beauftragung der Schadenbeseitigung (71 Prozent), wobei in 18 Prozent der Fälle der Schaden bereits innerhalb einer Woche vollständig beseitigt ist. Hier werden Spannungswerte zur Versichererseite deutlich.
Die schnelle und kompetente Schadenabwicklung ist für ein Immobilienunternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor im Verhältnis zu seinen Kunden und für die eigene Wirtschaftlichkeit. Auch für die gewerblichen Immobilien- unternehmen spielt das Dienstleisternetzwerk eine große Rolle bei der Schadenbeseitigung. In der Regel gibt es Kooperationen mit mehreren Handwerksbetrieben und Sanierungsunternehmen.
Entwicklungspotenzial bei der digitalen Versicherungsschadenbearbeitung in der Immobilienwirtschaft
Wie die Untersuchung zeigt, erfolgt bei etwa 20 Prozent der Befragten keine digitale Erfassung der gemeldeten Versicherungsschäden (d. h. weder bei der Schadenaufnahme noch bei der weiteren Administration, siehe Abbildung 2). Zudem werden nur bei 67 Prozent der Befragten nach der digitalen Erfassung des Schadens weitere Schritte automatisch angestoßen (z. B. Beauftragung der Schadenbearbeitung und -beseitigung, Information der Versicherer und Vermittler).
Erst bei der Hälfte der befragten Häuser gibt es bereits Teilprozesse der Dunkelverarbeitung. Dazu zählen beispielsweise die Meldung an den Versicherungsvermittler und die Beauftragung von Handwerkern. Als wesentliche Störquellen bei der digitalen Weiterverarbeitung der Gebäudeschäden werden insbesondere eine nicht digitale oder auch ungenaue Erstmeldung des Schadens sowie die Qualität der Schadenannahme bzw. -abfrage gesehen.
Die größten Herausforderungen bei der digitalen Schadenbearbeitung stellen für die gewerblichen Immobilienunternehmen allerdings technische Probleme und Unsicherheiten (z. B. unzureichende Datensicherungen und Schadenbearbeitungs-Software), die mangelnde Verzahnung der bestehenden Systeme sowie fehlende Schnittstellen (v. a. zu kleineren Handwerksunternehmen) dar. Ähnlich wie die Versicherer gehen auch die befragten Immobilien- unternehmen von einer nachhaltig steigenden Bedeutung der Online-Kommunikation bei der Schadenabwicklung aus.
Erwartungen der Immobilienwirtschaft – Potenziale für Versicherer
Für die Zusammenarbeit mit Versicherern und Vermittlern werden vor allem die Erreichbarkeit (100 Prozent der Befragten) und die Fach- und Branchenkompetenz der Ansprechpartner sowie die Qualität der Leistung (jeweils 93 Prozent der Befragten) als sehr wichtige Faktoren angesehen, so die Ergebnisse der Studie. Allerdings besteht nach Ansicht der befragten Immobilienunternehmen bei den Versicherern Nachholbedarf hinsichtlich der Erreichbarkeit der Ansprechpartner sowie zeitnaher und regelmäßiger Informationen. Auch die Entscheidungs-, Freigabe- und Bearbeitungszeiten der Versicherer sind verbesserungswürdig, so die Ansicht der Befragten. Generell wünschen sich die gewerblichen Immobilienunternehmen eine Erhöhung der Schadenbearbeitungs- und Zahlungsgeschwindigkeit, eine höhere Transparenz und Individualität der Prozesse.
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Autoren der Studie: Prof. Dr. Fred Wagner: Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften e. V. an der Universität Leipzig / Christine Seiler: Prokuristin, L. Funk und Söhne, Leiterin Immobilienwirtschaft, Funk Gruppe / Tobias Walter: Business Development Director Europe, Crawford & Company / Alina Singer: Geschäftsführerin, V.E.R.S. Leipzig GmbH / Daniela Fischer: Projektleiterin Studien, V.E.R.S. Leipzig GmbH.
Die Studie besteht aus zwei Teilen: Einer Interviewreihe mit 20 Schaden-/Unfallversicherern und einer Interviewreihe mit 15 gewerblichen Versicherungsnehmern der Immobilienwirtschaft.