DIN SPEC 77222 ist ein Regelwerk zur Deckungslückenberechnung (ca. 30 Regeln). Das Regelwerk betrachtet nur die jeweilige Vertragssumme. Bereits 2005 hat man die DIN ISO 22222 Privater Finanzplaner entwickelt und jetzt heißt der neue Arbeitskreis „Private Finanzanalyse“. Man sieht alleine hier schon eine bedenkliche Entwicklung, da der Begriff „standardisierte“ jetzt schon zum Start fallen gelassen wurde! Die DIN ISO 22222 ist eine weltweit gültige Norm für die Dienstleistung der privaten Finanzplanung und legt Anforderungen an das ethische Verhalten, die Fähigkeiten und die Erfahrungen fest, über die ein professioneller privater Finanzplaner verfügen muss. Zudem werden in der Norm die Details der Konformitätsbewertung beschrieben. Es ist ein Managementprozess in 6 Beratungsschritten. Damit würden sich beide Normen ergänzen, leider wird der Verbraucher das nicht differenzieren können.

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Wesentliche Kritikpunkte der DIN SPEC 77222

1. Die Deckungslückenberechnungen müssen um Vertragsinhalte erweitert werden. Man muss bei allen Versicherungssparten heute zwingend auf die Bedingungswerke achten und sollte sich nicht auf die diversen Ratings etc. verlassen. Sonst ist kein Fachwissen, geschweige eine IHK-Ausbildung der Versicherungsmakler erforderlich. Nein, man benutzt das seriöse DIN-Institut für die schlankeste Form zur Kundengewinnung. Rund 30 Regeln zur Höhe von Versicherungssummen und schon sind die Verbraucher bestmöglich gegen Lebensrisiken abgesichert! Es geht hier nur um die „Höhe von Versicherungssummen“. Zwar nicht falsch, aber nur ein „Minimumfaktor“, denn die ganzen Vertragsinhalte bleiben unberücksichtigt. Wer jemals einen Versicherungsschaden hatte, weiß, welche Hintertürchen da vorhanden sind. Schade, dass Versicherungsmakler mit ihrem Wissen über Preis-/Leistungsverhältnisse und den individuellen Risiko-Abwägungen bei dem Lobgesang zu dieser geplanten „Norm“ außen vor bleiben. Die tiefgehenden Bedingungen interessieren überhaupt nicht, geschweige denn Preisvergleiche mit anderen Anbietern. Alles viel zu umständlich… Bei grün fahre ich einfach los… und erst, wenn’s kracht, werde ich beim nächsten Mal wieder einen persönlichen Rat erfragen… Leider muss man erst einmal in den Brunnen fallen, um zu verstehen, dass der Rat im Vorfeld eines Streitfalles preiswerter ist als hinterher!

2. Beim Vermögensaufbau/Geldanlagen bleibt das Thema „Steuern“ außen vor, d. h. individuelle Einkommenssteuer-Auswirkungen der jeweiligen Finanzmarktprodukte werden nicht mit einbezogen.

3. Renditehochrechnungen mit Vergleichswerten aus der Vergangenheit sind bei Rentenwerten total falsch und irreführend. So wird die Rendite vom REX mit 5,3 Prozent (Stand 01.07.2014) p.a. auf die letzten 20 Jahre (!) gerechnet. Der Euribor (3 Monate) mit 0,7 Prozent p.a. auf die letzten 5 Jahre. Das führt zu komplett falschen Ergebnissen für die Zukunft und wenn die Rentenblase platzt, zu hohen Verlusten bei dem „konservativen“ Verbraucher. Daran zeigt sich wieder, dass die Risikoprofilierung beim Kunden sich nicht standardisieren lässt und der Berater eine qualifizierte Ausbildung benötigt.

4. Das Schlimmste von Allem ist, dass diese Eckwerte in den Softwareprogrammen nur einen schnellen verkäuferischen Bedarf suggerieren sollen. Die lizenzierten Softwareanwender lernen im Schnelldurchlauf die Anwendung, sodass der Finanzberater in 15 Minuten zum Ergebnis kommt.

5. Wie seit über 20 Jahren verkündet, soll die Unterschrift im ersten Termin (möglichst innerhalb von einer Stunde) erfolgen! Wer jemals den Beratungsprozess nach DIN ISO 22222 erlebt hat, wird sicherlich nie wieder diesen „Schnellschuss-Verkäufern“ ausgeliefert sein, denn hier ist Kaufreue vorprogrammiert. Nur bei mehreren Gesprächen bis zur Unterschrift hat man die Sicherheit, sein Geld gut investiert zu haben.

„Schmalspurnorm“

Letztendlich stellt sich noch die Frage, ob die Versicherungsmakler sich damit selbst wegrationalisieren. Man könnte den Förderern auch sagen: Füttert die Schlange bis sie groß genug ist, euch zu fressen. Angefangen von JDMS, con.fee, FiNET, pma und anderem mehr, was sich so einleuchtend anhört: 10 unterschiedliche Makler sollen nicht 10 unterschiedliche Deckungslücken ermitteln, ist die beste Aufforderung an die Internet-Börsen, diesen „Deckungslücken-Berechnungs-Standard“ ebenfalls als ihren „allerhöchsten Qualitätsstandard“ zu bewerben.

Warum braucht man den Versicherungsmakler als persönlichen Berater denn noch, wenn die Software am Bildschirm in ein bis zwei Schritten von Rot, evtl. Gelb auf Grün schaltet, und ich doch nur mit „JA“ klicken muss. Kein Wunder, dass Prof. Dr. Hans Jürgen Ott dazu bereits vor einem Jahr von einer „Schmalspur-Norm“ gesprochen hat.

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Über den Autor:
Bernd Schmidt ist Certified Financial Planner (CFP), zertifizierter Finanzplaner nach DIN ISO 22222, seit 1984 selbstständig tätig und u. a. Mitglied im FPSB Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. und dem BVK Bundesverband deutscher Versicherungskaufleute.

Dieser Beitrag ist zuerst im aktuellen Versicherungsbote Fachmagazin 01-2015 erschienen.

Ein Gastbeitrag von Bernd Schmidt (CFP)