Ist es, weil Göker so leichtfertig mit gewissen Tabus bricht? Ist es, weil er immer mehr Geld macht, obwohl er theoretisch k.o. ist? Ist es, weil er unerschrocken vermeintlich nicht ganz saubere Deals abwickelt, bei dem ihm alle zusehen - aber keiner was tun kann? Unweigerlich denkt man an "Catch me if you can!". Göker ist zur heimlichen Projektionsfigur, zum negativen Helden geworden. Was für ihn zählt, ist die Frage: „Wollen wir Geld verdienen oder wollen wir Geld verdienen?!“ Damit steht er für eine ganze Ära. Der sechsunddreißigjährige Mehmet Göker will Geld verdienen, no matter what. Mittlerweile schuldet er Versicherungskonzernen in der BRD Millionen von Euro. Aber das ist ihm egal. Mit Schulden macht man schließlich keinen Umsatz. Mithilfe deutscher Makler vertreibt Göker deshalb weiterhin private Krankenversicherungen von deutschen Versicherungskonzernen.

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Mehmet Göker, das Phänomen

Dass der Mythos Göker ungebrochen ist, beweist, dass nach dem ersten Film von Klaus Stern, der im Jahr 2012 erstmals ausgestrahlt wurde und in der Folge mit zahlreichen Preisen für seine hohe dokumentarische und journalistische Qualität geehrt wurde (u.a. Helmut Schmidt-Journalistenpreis, Nominierung Deutscher Fernsehpreis, Nominierung Grimme-Preis, Ernst-Schneider-Preis der Deutschen Wirtschaft) - nunmehr ein zweiter Film über Göker produziert wurde. Wieder hat sich Stern mit dem Thema befasst und stellt einmal mehr das Faszinosum Göker vor. In „Versicherungsvertreter 2 – Die neuen Geschäfte des Mehmet Göker“ verfolgt Stern die gleiche Strategie wie bei seinem ersten Film. Irgendwie klingt der Titel nach einer Parodie. Unweigerlich denkt man an "Die neuen Abenteur von Shaun, das Schaf" oder "Neue Geschichten aus dem Zauberwald". Steht Göker vor einer Karriere als Serienheld seines eigenen Geschäftsgebahrens? Fest steht, dass es diesmal nicht besonders investigativ zugehen wird. Wieder wird Göker für mehrere Monate in seinem Treiben beobachtet und gefilmt und Stern berauscht sich ein weiteres Mal an dessen Unverfrorenheit, aber auch Leidenschaft. Preise gibt es dafür vielleicht diesmal nicht, aber Spaß macht es bestimmt wieder.

Wer es noch nicht weiß: Göker ist berühmt und er verkauft Versicherungen. Seine Mitarbeiter rekrutiert er heute über Facebook, seine Kunden sind ihm nicht besonders treu. Aber das macht nichts. Entscheidend ist, dass sie ersteinmal einen Vertrag machen. Das bringt Provisionen, bis zu achttausend Euro pro Neuabschluss. In seinen besten Zeiten unterhielt Göker in seiner MEG-AG in Kassel einen Stamm von etwa tausend Mitarbeitern, mit denen er es innerhalb Deutschlands auf den zweiten Rang der erfolgreichsten Vermittler privater Krankenversicherungen geschafft hatte.

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Neukunden kann er - Wenn sie nur geblieben wären!

Mit den exorbitanten Provisionen, die er von Versicherungen wie AXA und Alte Leipziger/Hallesche für Neuabschlüsse einfuhr, ging es ihm und seinen Mitarbeitern ziemlich lange ganz gut. Auch für noch nicht abgeschlossene Geschäfte wurden schwindelerregende Beträge gezahlt. Neukunden waren lange das A und O in der PKV und wie sie geworben wurden, blieb zweitrangig. Aber die Taktik Gökers trug nicht ewig und irgendwann war er pleite, hatte die deutsche Staatsanwaltschaft im Nacken und fand sich mit einer Anklage konfrontiert. Aber Gökers Talent ist sein Reaktionsvermögen und irgendwie auch sein Realitätssinn. Er ließ sich in der Türkei nieder (dort gibt es kein Auslieferungsabkommen mit der BRD) und setzte seine Tätigkeit mit etwa zwanzig Mitarbeitern fort, wohlwissend, dass Verkäufer wie er immer Geld verdienen würden, weil Versicherungen immer Neukunden bräuchten. Auch wenn fast alle wieder kündigen, ein paar bleiben eben doch hängen, so Gökers Erkenntnis. Und hilft jetzt Krankenversicherungs-Patienten, aus ihren überteuerten Verträgen auszusteigen. Das ist fast schon Verbraucherschutz, wie das Handelsblatt süffisant bemerkte. Und vielleicht gibt es ja noch einen dritten Teil von der Göker-Doku, in der er wieder sich selbst spielt. Für sein schillerndes Selbstbewusstsein muss man ihm einfach mal sagen: "Respekt Alder!"

wdr.de, versicherungsbote