Der Spiegel berichtete vor gar nicht langer Zeit über die Hebamme Franka Cadée, die seit 25 Jahren als freiberufliche Hebamme arbeitete, bevor sie sich entschloss, zu promovieren. Bis dahin hatte sie 1500 Hausgeburten begleitet. "Als Hebamme spürt man immer die große Verantwortung, die man trägt", sagte Cadée, 52. Und: "Fehler können theoretisch jedem passieren. Aber ich wusste immer, dass ich von einem guten Sozialsystem unterstützt werde." Von teuren Haftpflichtprämien war sie niemals behindert worden, denn sie lebt und arbeitet in den Niederlanden - nicht in Deutschland.

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Berufsstand wegen Prämien vor dem Aus?

Warum sind in Deutschland die Prämien so hoch, dass Gesundheitsexperten sogar den Berufsstand bedroht sehen? Versicherer begründen es damit, dass behinderte Kinder heute sehr lange leben und sie gut versorgt werden, was teuer wäre. Tatsächlich sind Geburtsschäden durch Hebammengeburten sehr selten, dennoch verursacht ihre schiere Möglichkeit hohe Haftungsrisiken. Zwar hat der Gesundheitsminister eine Bezuschussung versprochen, aber die ist noch nicht durch und ausreichen wird sie auch nicht, sagen die Hebammenverbände.

Ute Wronn vom Deutschen Hebammenverband erklärt, warum dieser Streit ausgerechnet in Deutschland aufkommt. Ein Grund sei paradoxerweise, dass Hebammen in Deutschland eine starke Position inne hätten. "Wir können selbstbestimmt arbeiten, die Geburtshilfe wird als unser originärer Bereich anerkannt", sagt die Geburtshelferin.

Hebammen nicht überall Hebammen

In Deutschland sind Hebammen Hebammen, anderswo sind sie Helfer des Arztes. Insbesondere in Ostmitteleuropa dominiert diese Betrachtung. "Porodní asistentka", heisst sie in Tschechien, Geburtsassistentin. Selbstständige Hebammen, wie sie in Deutschland aktiv sind, wirken nur in wenigen Nachbarstaaten. Und in diesen wenigen anderen Staaten kommt man auf Lösungen, die auch für Deutschland Vorbild sein könnten."Wir schauen besonders auf Holland", sagt Wronn.

In Holland nämlich liegt die jährliche Prämie bei etwa 350 Euro. Dort werden die Kosten für eine Langzeitbehandlung eines behinderten Kindes über einen steuerfinanzierten Fonds abgefangen. Aber in Deutschand sträubt man sich gegen einen Fonds. "Eine Haftung des Steuerzahlers für Behandlungsfehler einer Berufsgruppe wäre kaum zu rechtfertigen", argumentiert ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage des Spiegel. In Holland ist das kein Problem. Bernd Uhlmann, Berater des Bunds freiberuflicher Hebammen Deutschlands, vermutet darum das Problem an einem anderen Ende: "Die Politik hat Angst, dass auch Ärzte und andere Gesundheitsberufe einen solchen Fonds verlangen."

Auch in Österreich zahlt eine Hebamme nur etwa 350 Euro als Versicherungsprämie, doch betont Kathrin Jarosch, Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft: "Dort gibt es keine Regressforderungen an die privaten Haftpflichtversicherer." Das ist in der Bundesrepublik etwas anderes, denn im Gegensatz zu Österreich könnten hier die Krankenkassen für die Behandlung als auch für die Pflege eines bei der Geburt beschädigten Kindes von den privaten Versicherern Geld einfordern.

Vorbild: Smarte Haftpflicht für Geburtshilfe im Ausland

Zwar wird im Bundestag gerade ein Regressverzicht beschlossen, doch ab wann er greift, steht noch in den Sternen. Ein weiterer Unterschied, der Deutschland von seinen Nachbarn unterscheidet und ein Motiv für die maßlosen Prämien sind, ist dieser: "Wir haben hier keine Klagekultur.", sagt Georg Gessner, Geschäftsstellenleiter beim Österreichischen Hebammengremium. Auch in Holland wird nach einem Unfall eher von einem Fachgremium nach Lösungen gesucht, statt dass die Beteiligten sich vor Gericht wiederträfen. Ute Pittrof, Fachanwältin für Medizinrecht in Ingolstadt, entgegnet der Mutmaßung Gessners allerings: "In Deutschland gibt es im Verhältnis nicht mehr Klagen als in Österreich oder der Schweiz." Pittrof macht ein ganz anderes Problem aus: "Die Hebammen verdienen zu wenig dafür, dass sie rechtlich haften wie ein Arzt."

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Ärzte haben gleiches Problem wie Hebammen, aber mehr Geld

Und wirklich, Ärzte sind grundsätzliche mit dem gleichen Problem wie die Hebammen konfrontiert. Wenn sie einen Fehler machen, kann das, wie bei der Hebamme, sehr ernste Folgen haben. Anders als die Hebamme aber, kann sich der Arzt die Prämien eher leisten, weswegen darüber bisher nicht öffentlich debattiert wird. Darüber hinaus ergibt sich für den Berufsstand der Hebammen eine Benachteiligung in Folge des geringen Umfangs ihrer Mitglieder. Martin Albrecht, Geschäftsführer beim privaten Forschungsinstitut für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen IGES sagt dazu: "Die Hebammen sind eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die kein Risikopooling mit anderen Berufen macht." In der Schweiz gibt es ein solches Pooling, in das auch andere Berufsgruppen einzahlen, was den Effekt hat, dass Hebammen hier nur umgerechnet 665 Euro pro Jahr zahlen müssen.

Spiegel Online