Sparkasse aufgrund von Falschberatung zu Schadensersatz verurteilt
Die Sparkasse Dessau wurde aufgrund fehlerhafter Anlageberatung zu 23.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Das Finanzinstitut hatte einer Kundin im März 2007 eine Beteiligung an Schiffsfonds des Emissionshauses MPC vermittelt, ohne über die hohen Vertriebskosten und Risiken aufzuklären. Das Urteil vor dem Landgericht Dessau-Roßlau ist noch nicht rechtskräftig (Geschäftsnummer: 2 O 176/14).
Die geschädigte Kundin hatte auf Vermittlung eines Sparkasse-Beraters eine Beteiligung an der Zweite Reefer Flottenfonds GmbH & Co KG gezeichnet, einem geschlossenen Schiffsfonds des Emissionshauses MPC. Doch wie das Landgericht Dessau-Roßlau in seinem Urteil feststellt, hat die Sparkasse Dessau die Anlegerin weder durch rechtzeitige Übergabe des Fondsprospekts, noch durch eine mündliche Beratung hinreichend aufgeklärt. Dies berichtet die Anwaltskanzlei Nittel & Minderjahn mit Sitz in Neckargemünd. Der Schiffsfonds investierte in 14 Kühlschiffe und befindet sich aktuell in großen Schwierigkeiten. Seit 2009 erhalten die Anleger keine Ausschüttungen mehr.
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Rechtsanwalt Michael Minderjahn, der die geschädigte Sparkassenkundin erfolgreich im Prozess vertreten hat, erklärt: "Die Sparkasse hat meine Mandantin weder über die wesentlichen Eckdaten zur Funktionsweise des Fonds informiert, noch über die damit verbundenen Risiken. Auch auf das eigene Interesse, von den mit rund 25 Prozent sehr üppig ausgefallenen Vertriebskosten zu profitieren, hat die Sparkasse nicht informiert“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Ob die Sparkasse in Berufung geht, nicht bekannt.
Sparkasse dank Beratungsvertrag zu umfassender Beratung verpflichtet
In ihrer Urteilsbegründung verwiesen die Richter darauf, dass die Sparkasse ihre „Pflicht zu einer anleger- und anlagegerechten Beratung schuldhaft verletzt“ habe. Demnach erfordere gerade ein geschlossener Schiffsfonds eine besonders intensive Beratung, weil die Anlage mit erheblichen Marktrisiken und hohen Vertriebskosten verbunden sei. Sogar im Emissionsprospekt wurde explizit betont, dass unternehmerisch orientierte Anleger, die mit dem Risiko einer Anlage in Schiffe vertraut sind, die Zielgruppe dieser Schiffsfonds bilden, nicht jedoch Privatkunden mit dem Ziel der Vermögenssicherung.
So konnte sich die Sparkasse auch nicht darauf berufen, dass eine Prospekthaftung im engeren Sinne für sie gar nicht in Betracht komme, weil als Prospektverantwortliche die MPC-Treuhandtochter TVP in Erscheinung trete. Mit anderen Worten: Man habe die Beteiligung nur vermittelt, weil die Kundin explizit darum bat, und deshalb nicht umfangreich beraten müssen. Auch für mögliche Fehler im Prospekt hafte man nicht.
Hier verwiesen die Richter die Sparkasse Dessau auf ihre Pflichten. So sei zwischen dem Geldhaus und der Kundin ein sogenannter Beratungsvertrag zustande gekommen und nicht ein bloßer Vermittlungsvertrag, auch wenn dies anders im Prospekt gestanden habe. Somit hätte der Berater seine Kundin umfassend über die Risiken aufklären müssen, denn das Gespräch hätte eine konkrete Anlageentscheidung zum Gegenstand gehabt.
„Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Hierfür sei es nicht entscheidend, ob die Klägerin die Sparkasse explizit um ein Anlagegespräch gebeten hat. Banken seien regelmäßig Anlageberater und nicht lediglich reine Anlagevermittler, wie das Gericht mit Blick auf ein BGH-Urteil betonte (BGH NJW 2014, 2348).
Bank konnte rechtzeitige Aushändigung des Verkaufsprospektes nicht belegen
Zudem konnte sich die Klägerin darauf berufen, dass ihr das 193 Seiten umfassende Emissionsprospekt zu spät überreicht wurde – nämlich am Tag der Vertragsunterzeichnung. Nicht genug Zeit, um sich mit den darin aufgeführten Bedingungen vertraut zu machen, wie die Richter befanden.
Zwar hatte die Frau eine standardisierte „Empfangsquittung“ unterschrieben, mit der sie versicherte: „Ich hatte vor der Beitrittserklärung ausreichend Zeit, den Verkaufsprospekt, die wesentlichen Verträge insbesondere auch die Risikohinweise (…) zu lesen.“ Doch diese standardisierten Erklärungen „besagen nichts zum Zeitwert der Übergabe und haben daher weder einen Erklärungs- noch Beweiswert“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Grundsätzlich liege die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene und nicht rechtzeitige Übergabe des Prospekts beim Anlieger, betonte das Gericht. Aber während die Kundin die Situation genau beschreiben konnte, bei der sie das Prospekt erhalten haben will, konnte die Sparkasse eine zeitigere Zustellung nicht belegen. Dieser Tatbestand bewirkte eine Art Beweislastumkehr.
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In der Urteilsbegründung heißt es hierzu: Behauptet der Anleger „konkret, unter welchen Umständen die Übergabe des Prospektes erfolgt ist, trifft den Anlageberater im Rahmen seiner Pflicht, sich über die vom Prozessgegner behaupteten Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, eine sekundäre Darlegungslast. Er hat, um eine Beurteilung zu ermöglichen, ob eine von ihm behauptete frühere Prospektübergabe angesichts der Besonderheiten der Anlageform und des Umfangs des Prospekts so rechtzeitig erfolgt ist, dass der Anleger seinen Inhalt noch umfassend zur Kenntnis nehmen kann, anzugeben, bei welcher sonstigen Gelegenheit dem Anleger der Prospekt ausgehändigt und übersandt worden ist.“