Das ist das Ergebnis des BKK Gesundheitsatlas 2015, für den die Daten aller 4,3 Millionen Krankenversicherten ausgewertet wurden. Sieht man sich die epidemologischen Daten der letzten Jahre auf Bevölkerungsebene an, lässt sich seit den späten 90er Jahren allerdings keine generelle Zunahme an psychischen Erkrankungen ausmachen. Wie kommt es dann zu der starken Zunahme bei den Krankschreibungen?

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Berufsunfähigkeit: Psychische Erkrankungen keine neue Epidemie

Eine Erklärung sieht Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes, darin, „dass die Menschen ihr psychisches Leiden akzeptieren und Hilfen im Gesundheitswesen in Anspruch nehmen“. Beschäftigten werde daher entsprechend häufiger eine sogenannte F-Diagnosen attestiert. Außerdem hätten Allgemeinmediziner heutzutage umfangreichere Kenntnisse psychischer Krankheitsbilder. „Noch vor 10, 15 Jahren wurden Patienten mit Symptomen, die auf ein psychisches Leiden hindeuten, viel häufiger unspezifische körperliche Beschwerden attestiert,“ so Knieps weiter.

„Die Diagnoseraten haben sich den wahren Prävalenzen über die letzten Jahre angenähert“, so erklärt Prof. Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule Berlin die kontinuierliche Zunahme der Krankschreibungen wegen psychischer Leiden. Insbesondere bei Depressionen vermutet er eine Überdiagnostizierung. Eine Diagnose werde häufig unspezifiziert oder auch bei nur leicht beeinträchtigten Personen gestellt, damit überhaupt eine Unterstützung angeboten werden kann.

Wird zu häufig eine psychische Erkrankung attestiert?

Wegen der wachsenden Zunahme von Krankschreibungen aufgrund psychischer Probleme könnten sich Menschen zu schnell als behandlungsbedürftig erleben und auch bei ‘normalen‘, vorübergehenden psychischen Belastungen das Hilfesystem aufsuchen, vermutet Jacobi.

Darüber hinaus spiele die fortschreitende Digitalisierung eine Rolle. „Wer einmal die Diagnose Angsterkrankung, Depression oder Persönlichkeitsstörung erhalten hat, den wird diese Diagnose ‘verfolgen‘„, da per Computer erfasste Krankendaten in den Krankenakten von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen gespeichert bleiben. Somit würden psychische Erkrankungen teilweise systematisch überschätzt, sagt Jacobi.

Große regionale Unterschiede

Bei den psychischen Diagnosen zeigen sich große regionale Unterschiede. In Bayern und Baden-Württemberg werden Depressionen wesentlich häufiger diagnostiziert als im Norden und Osten Deutschlands. Auch werden Großstädtern in Berlin, Hamburg und München mehr seelische Leiden attestiert als Bewohner in ländlichen Gegenden. So bekamen beispielsweise nur 0,3 Prozent der BKK-Versicherten im Saale-Orla-Kreis in Thüringen ein Burn-out-Syndrom attestiert, während es im bayerischen Kreis Ansbach 3,4 Prozent waren. Ein Antidepressivum bekamen im Kreis Meißen (Sachsen) 4,4 Prozent verordnet, im Kreis Straubing (Bayern) wurde es hingegen 11,5 Prozent verschrieben.

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Diese regionalen Unterschiede lassen sich nicht alleine durch tatsächliche unterschiedliche Erkrankungshäufigkeiten in den Regionen erklären, darauf weist der BKK-Gesundheitsatlas ausdrücklich hin. Vielmehr bestehe ein Zusammenhang mit der Ärztedichte von Nervenarzt, Hausarzt, Psychiater oder Psychotherapeut und der Anzahl an Krankschreibungen wegen psychischer Leiden.

BKK