Stirbt der Versicherungsvertrieb aus? Diese drastische Frage wählte das Fachportal dasinvestment.com angesichts der Tatsache, dass die Versicherungsbranche innerhalb der letzten vier Jahre jeden zehnten Vermittler verloren hat. Fakt ist, dass die Zahl der Versicherungsvermittler auch im ersten Halbjahr 2015 zurückgegangen ist. Von Anfang Januar bis Anfang Juli verlor die Branche 4.820 Fachkräfte, wie eine Recherche von Versicherungsbote im Vermittlerregister des DIHK ergab – übrig blieben zum Stichtag 1. Juli 235.477 Personen (-2,0 Prozent). Damit setzt sich der Trend aus dem Vorjahr fort, denn auch 2014 war ein Vermittlerschwund um 6.500 Personen zu beklagen (Versicherungsbote berichtete).

Anzeige

Größter Schwund bei gebundenen Versicherungsvertretern

Der größte Rückgang war bei den gebundenen und erlaubnisfreien Versicherungsvertretern zu beobachten, deren Zahl sich von 159.357 auf 154.736 verringerte (-4.621 Vermittler bzw. -2,9 Prozent). Der Trend war abzusehen, da viele große Versicherer einen Stellenabbau im Vertrieb angekündigt hatten bzw. Agenturen von Vermittlern, die sich in den Ruhestand verabschiedeten, nicht neu besetzen wollten. Die Zahl der Versicherungsvertreter mit Erlaubnis ist ebenfalls leicht zurückgegangen: von 30.600 auf 30.375 Vertreter (-225).

Auch weniger Versicherungsmakler aktiv

Ein kleines Minus gab es im ersten Halbjahr 2015 auch bei den Versicherungsmaklern. Waren Anfang Januar 2015 noch 46.769 Makler aktiv, reduzierte sich deren Zahl bis zum 1. Juli um 95 Fachkräfte auf nun 46.674 Vermittler (-0,2 Prozent). Bedeutet dieser Rückgang eine Trendumkehr? Zwischen 2011 und 2014 hatte sich die Zahl der Ungebundenen jeweils leicht erhöht.

Ein wichtiger Faktor könnte sein, ob und wie das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) den finanziellen Druck auf Makler erhöhen wird. Lebensversicherungsunternehmen dürfen seit dem 01.01.2015 nur noch 25%o statt der bis dahin möglichen 40%o der Abschlussprovisionen steuerlich absetzen. Viele Anbieter reagieren mit einer Herabsetzung der Abschlusscourtagen und einer längeren Stornohaftung zu Lasten der Vermittler. Schon jetzt erlöst jeder zweite Versicherungsmakler weniger als 50.000 Euro Gewinn im Jahr, wie eine gemeinsame Studie von Versicherungsjournal und Towers Watson zeigte (Versicherungsbote berichtete).

„Die Änderungen haben bereits fatale Auswirkungen auf den Vermittlermarkt und damit auf die Beratungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland“, schreibt Jörg Christian Hickmann, Vorstand der RWS Vermögensplanung AG, in einem Gastkommentar für Versicherungsbote. Der Fachmann beobachtet eine Abnahme der Beratungsdichte und rechnet mit einer Beschleunigung dieses Trends. Aktuell zeigen sich die Zahlen bei den Ungebunden jedoch relativ stabil.

Kein Honorarberatungs-Boom

Die Zahl der in der Honorarberatung tätigen Berater hat sich innerhalb der letzten sechs Monate kaum verändert. Zum Jahresanfang waren 292 Vermittler als Versicherungsberater erfasst, aktuell sind es 301 Personen. Damit bleibt die Honorarberatung vorerst eine Nische im Versicherungsvertrieb.

Angewachsen ist die Zahl der produktakzessorischen Versicherungsvermittler: von 3.279 auf 3.391 (+3,4 Prozent). Dabei handelt es sich um Gewerbetreibende, die nicht hauptberuflich Versicherungen vertreiben und von der Erlaubnispflicht befreit sind, sich aber gleichwohl bei den Industrie- und Handelskammern registrieren müssen. Typisches Beispiel ist ein Autohaus, das zusätzlich zum Verkauf von Fahrzeugen auch Kfz-Versicherungen anbietet.

Zahl der registrierten Versicherungsvermittler zum 2. Januar 2015. Quelle: Versicherungsvermittlerregister

Registrierungen Vermittlerregister, Stand 1. Juli 2015