Baufinanzierung mit Lebensversicherung: Tilgungsaussetzung oder Tilgungsfalle
Baufinanzierung - Die sinkende Überschussbeteiligung der Lebensversicherung nagt an der Substanz vieler Baufinanzierungen, die gegen Tilgungsaussetzung abgeschlossen wurden. Zum Vertragsablauf werfen die Policen zum Teil erheblich weniger Geld ab als die Bank haben will. Das Problem ist: Viele Häuslebauer wissen nichts von ihrem Unglück, weil sie die Jahresmitteilungen ihres Versicherers nicht aufmerksam lesen. Und weil viele Kreditberater nicht reagieren. Der Versicherungsbote rechnet.
„In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, ...“, so beginnt das alte Märchen vom Froschkönig. In alten Zeiten, als Lebensversicherungen (LV) noch steuerfrei ausgezahlt wurden, konnte es sich lohnen, den Baukredit nicht laufend zu tilgen. Stattdessen sollte der Kredit nach etwa 30 Jahren auf einen Schlag glattgestellt werden. Mit einer LV-Police wurde hierfür angespart. Parallel zahlte der Bauherr Zinsen an die Bank; gleichbleibend hoch, denn es wurde ja jahrzehntelang kein Euro des Baukredits getilgt.
Anzeige
Steuerfreiheit hieß die Parole
Mit einer Lebensversicherung sparen statt den Hauskredit zu tilgen, konnte sich bis Ende 2004 lohnen. Bis dahin waren die Ablaufleistungen der Policen steuerfrei. Zudem konnten Häuslebauer die gleichbleibend hohen Hypothekenzinsen im Falle der Fremdnutzung zu Teilen dem Finanzamt aufhalsen. Jeder Einzelfall war ein steuerliches Rechenexempel, ob sich spätes tilgen lohnt oder nicht. Tatsächlich wurden die Lebensversicherungen zum Baukredit oft vor allem mit dem Argument des Steuersparens verkauft. Mit Folgen:
1.070 Euro bei der Bank
Hier eine Beispielrechnung: Ein Ehepaar hat Ende des Jahres 2000 ein Haus gebaut. Dafür brauchten die beiden Häuslebauer einen Bankkredit von 200.000 Euro; zu 5 Prozent Zins. Damals war diese Kondition fast ein Schnäppchen, würden Powershopper sagen. Die Bank hätte für dieses Annuitäten-Darlehen jeden Monat 1.070 Euro für Zins und Tilgung verlangt. Nach 30 Jahren, also im Jahr 2030, wären die Eheleute schuldenfrei gewesen und die Bank bedient.
1083 Euro mit Versicherung
Stattdessen haben die Kunden dem Verkaufsdruck ihres Bankers nachgegeben und die Tilgung ausgesetzt. Und fortan für ihre 5 Prozent Zinsschuld jeden Monat 833 Euro an die Bank überwiesen. Zusätzlich kauften die Eheleute eine Lebensversicherung, die nach ebenfalls 30 Jahren die 200.000 Euro Kredit tilgen sollte: Monatsbeitrag 250 Euro. Gesamtkosten: 1.083 Euro.
Baufinanzierung: Aus 200.000 Hoffnung werden 60.000 Euro Schulden
Im Vergleich zum Bankdarlehen pur sehen die alternativen Monatsraten der Schuldner (1.070 oder 1083 Euro) fast wie ein Nullsummen-Spiel aus. Wenn die Lebensversicherung Wasser gehalten hätte und ihre Überschüsse stabil bei den damals deklarierten und in der Baufinanzierung kalkulierten sechs Prozent geblieben wären. Das sind sie aber nicht. Wenn die Police (typische Abschluss- und laufende Kosten berücksichtigt) statt sechs nur noch vier Prozent Überschussbeteiligung abbekommt, sinkt die Ablaufleistung nach 30 Jahren auf 140.000 Euro. Dann haben die Bauherren des Jahres 2000 im Jahr 2030 weiterhin 60.000 Euro Schulden.
Nach zehn Jahren hätten Häuslebauer oder Bankbetreuer handeln können Im Jahr 2010, nehmen wir an, hat der Kunde sein Darlehen bei der Bank verlängert, zu nur noch drei statt fünf Prozent Zins. Dies kostete ihn dann nur noch 500 Euro im Monat. Zusammen mit der Rate für die Tilgungspolice (250 Euro) hätte sich die Gesamtlast auf dem Bankkonto von vormals 1.083 auf 750 Euro reduziert: 333 Euro gespart. Monat für Monat. Hätte er diese 333 Euro verkonsumiert, ist das Ergebnis bekannt: Es bliebe bei 60.000 Euro Schulden im Jahr 2030.
Da dies nur ein Modell ist und wir zu realen Fällen nicht wissen, wer was getan hätte, hat der Versicherungsbote Siegfried Perini befragt. Der Bankkaufmann und langjährige Baufinanzierungs-Spezialist aus Neuhof im Raum Fulda sagt: „Die Kunden werden sich wundern, wenn die Modellrechnungen mit den versprochenen Renditen der Lebensversicherungen nicht aufgehen. Meine Erfahrung ist, dass die Kunden dem Berater vertrauten, der die tilgungsfreie Finanzierung damals gemacht hat und damals blind für Hinweise auf die Risiken solcher Konstrukte waren und auch heute noch blind sind.“
Prolongation: Gesparte Zinsen zum tilgen nutzen
Wir sind noch immer im Jahre 2010. Besser wäre es, wenn die Ersparnis des Kunden in seine Tilgungsversicherung geflossen wäre - oder direkt an die Bank, wenn Teiltilgung eingebaut worden wäre. Selbst wenn die Police von 2010 bis zum 2030 nur noch 4 Prozent Überschussbeteiligung bekommen hätte, stünde zum Ablauf der Zielbetrag von 200.000 Euro für die Bank bereit. Der Versicherungsnehmer hätte nur seine Police ab 2010 mit rund 420 Euro im Monat bedienen müssen.
Das sind im Vergleich zu den ersten zehn Versicherungsjahren nur 170 Euro Mehrbeitrag. Bei der Prolongation des Kredits im Jahr 2010 hat (oder hätte) der Häuslebesitzer aber bereits gut 330 Euro gespart, also noch rund 160 Euro monatlich in Reserve. Dieses Geld zusätzlich eigesetzt, wäre die Schuld gegenüber der Bank noch schneller zu tilgen gewesen. Baukredite, die wegen sinkender Überschüsse der Versicherer Not leiden, sind je nach Restlaufzeit der Verträge durchaus heilbar. Wenn der Schuldner oder sein Finanzberater (im Beispiel oben nach zehn Jahren Kreditzeit) das Richtige getan hätten.
Anzeige
Baufinanzierungs-Experte Perini: „Viele Kunden wollten ursprünglich Sondertilgungen machen. Das tun aber die wenigsten. Das niedrige Zinsniveau der letzten Jahre verführt auch dazu, sich nicht gegen womöglich steigende Zinsen abzusichern. Hier könnte es bei vielen Schuldnern zu einem bösen Erwachen kommen. Ich schätze einen Anteil von rund 30 Prozent notleidenden Finanzierungen, wenn das Zinsniveau wieder über 5 Prozent steigen sollte“.