Barmenia über neues Onlineportal: "Natürlich haben wir Diskussionen mit unserem Vertrieb geführt"
Die Barmenia bietet seit einiger Zeit wichtige Versicherungen auch online über das Portal "BarmeniaDirekt" an. Dabei zeigten sich viele Vermittler überrascht von der neuen Plattform, da die Barmenia scheinbar still und leise ihre Online-Offensive vorbereitete. Entsteht hier unliebsame Konkurrenz für die Vermittler, so dass Kunden nun unmittelbar im Netz abschließen? Versicherungsbote hat mit Heiko Scholz gesprochen, dem Leiter der Hauptabteilung Vertriebsmarketing der Barmenia.
Versicherungsbote: Die Barmenia bietet seit über einem halben Jahr - über das Portal BarmeniaDirekt - ihre Produkte auch online an. Im Vergleich zum Branchenprimus Allianz, der seine Digitalisierungsoffensive mit Investitionen von knapp 100 Millionen Euro hinausposaunte, kommt die Einführung des „Direktversicherungsportals“ der Barmenia doch klammheimlich. Warum hat Ihr Unternehmen den stillen Weg gewählt?
Anzeige
Heiko Scholz: Auch ohne den „lauten“ Weg ist die Barmenia bereits seit vielen Jahren mit dem Thema der Digitalisierung und der Transformation von Geschäftsprozessen beschäftigt. Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Und das Direktversicherungsportal letztlich eine Reaktion auf ein geändertes Kundenverhalten und eine Weiterentwicklung der Barmenia-Unternehmen. Onlineabschlüsse sind bei der Barmenia übrigens bereits seit vielen Jahren über die Webseite möglich. Für die Reisekrankenversicherung gilt das sogar schon seit 1998. Da können wir uns fast schon als Vorreiter bezeichnen. Damit haben wir bereits sehr früh auf den sogenannten hybriden Kunden reagiert, der in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedliche Kommunikations- und Abschlusswege zu seinem Versicherer sucht. In der Zwischenzeit gibt es aber auch Kunden, die ausschließlich den direkten Onlinekanal wählen möchten. Genau dafür treten wir mit der Marke BarmeniaDirekt auf den Markt. Und das machen wir ganz und gar nicht heimlich. Im Gegenteil. Wir richten das Marketing speziell auf diese Zielgruppe aus. Und das bedeutet natürlich, dass es insbesondere in den Onlinekanälen stattfindet.
Versicherungsbote: Haben Sie nicht im Vorfeld den Unmut der eigenen Vermittler befürchtet? Wie haben Sie dem entgegengewirkt?
Heiko Scholz: Natürlich haben wir im Vorfeld den Kontakt gesucht und den Diskussionen mit unserem eigenen Vertrieb geführt. Und natürlich hat es dafür zunächst keinen Applaus gegeben. Aber wir haben deutlich gemacht, dass es speziell um diese Kunden geht, die ausschließlich den Onlinekanal suchen und damit für den klassischen Vertrieb zunächst als Ansprechpartner nicht oder nur sehr schwer zur Verfügung stehen. Wir stehen damit also nicht in Konkurrenz zu unserem Vertrieb, sondern zu anderen Direktversicherern.
Versicherungsbote: Wie wurde das Projekt von den Mitarbeitern und insbesondere vom vertrieblichen Außendienst angenommen?
Heiko Scholz: Natürlich zu Beginn mit einer gehörigen Portion Skepsis. Aber bereits nach kurzer Zeit haben wir es geschafft, auch im „Onlinebestand“ bei beratungsintensiveren Produkten einen Kontakt zu unserem Vertrieb zwecks Beratung herzustellen. Und das ist es, was wir möchten. Der Kunde bestimmt den Kontaktpunkt. Und wir bieten ihm entsprechende Alternativen. Wenn er möchte, kann er jederzeit alle Leistungen der Barmenia in Anspruch nehmen.
Versicherungsbote: Besteht nicht die Angst, dass Vermittler in geraumer Zukunft stark reduziert werden?
Heiko Scholz: Im Gegenteil. Das gesamte Thema ist in eine umfangreiche Digitalisierungsstrategie eingebunden. BarmeniaDirekt ist dabei nur ein Punkt. Gleichzeitig stärken wir unseren Vertrieb in diesem Bereich. Wir schaffen ein optimales Umfeld, damit jeder Vertriebskollege in der Lage ist, dem Kunden entsprechend seines Wunsches auf allen Kanälen zu begegnen. Dazu gehören Social-Media-Aktivitäten, die Weiterentwicklung der Webseiten unseres Vertriebes oder die Möglichkeiten der Bewertung durch Kunden sowie der offene und transparente Umgang damit.
Versicherungsbote: Die Allianz ist davon überzeugt, dass Kunden sich verstärkt online informieren und dennoch offline abschließen - die Zahl der sogenannten RoPo-Kunde („Research online. Purchase offline“) wird demnach wachsen. Haben Sie einen ähnlichen Ansatz?
Heiko Scholz: Das können wir nicht sagen. Der Kunde entscheidet über den Informations- und Kommunikationskanal. Und dabei wechselt er diesen regelmäßig. Unsere Aufgabe ist es, jedem Kunden an jedem Kontaktpunkt den gewohnten und integrierten Service, den er von der Barmenia gewohnt ist, zu bieten. Das klappt noch nicht 100-prozentig, aber wir sind da sehr zuversichtlich, auf dem richtigen Weg zu sein.
Versicherungsbote: Viele Stimmen aus der Vermittlerschaft befürchteten, dass die Kunden künftig verstärkt online abschließen. Gleichzeitig aber weiterhin vom persönlichen Vertreter beraten werden wollen. Dieser allerdings sieht bei der Provision - durch den Online-Abschluss - in die Röhre und dennoch die Arbeit. Wie wollen Sie dem entgegentreten?
Heiko Scholz: Natürlich kann ich diese Bedenken nachvollziehen. Und sicher wird es auch solche Beispiele geben. Gleichzeitig wird es aber auch unsere Aufgabe sein, dem Kunden die Beratungs- und Betreuungsleistung unseres Vertriebes zu verdeutlichen. Und manchmal tritt man da vielleicht in Vorleistung, damit anschließend der Kunde genau diesen Service schätzen lernt.
Versicherungsbote: Die Gründe für die Digitalisierung sind klar: Menschen nutzen immer mehr das Internet als Informationsquelle für Versicherung. Aber was bedeutet die zunehmende Digitalisierung in der Versicherungsbranche für Vertrieb und ungebundene Vermittler?
Heiko Scholz: Wie bereits beschrieben. Wir reagieren – wie bislang schon - auf dieses veränderte Kundenverhalten. Und wir lassen unseren Vertrieb da auch nicht alleine. Gemeinsam mit unserem Vertrieb stellen wir uns mehr und mehr auf die Veränderungen ein und sehen sie nicht als Bedrohung, sondern ganz im Gegenteil: Wir verstehen sie als Chance, die die ganze Unternehmensgruppe betreffen.
Versicherungsbote: Während andere Branchen den Trend der Digitalisierung deutlich schneller erkannt haben, hinkt die Assekuranz etwas hinterher. Warum kommt die Digitalisierung der Versicherung so verspätet?
Heiko Scholz: Sie haben vollkommen Recht. Eigentlich ist das Produkt Versicherungsschutz geradezu prädestiniert für den digitalen Vertrieb. Diese Entscheidung geht aber in der Regel vom Kunden aus. Denn dieser bestimmt Tempo und Umfang. Unsere Aufgabe ist es, darauf nicht nur zu reagieren, sondern entsprechend vorbereitet zu sein. Hier sehe ich die Barmenia insbesondere durch die bereits seit Jahren neugestalteten Prozesse hervorragend aufgestellt.
Versicherungsbote: Haben die Erfolge der Vergleichsportale wie Check24, Finanzen.de oder der zu erwartende Markteintritt von Google wach gerüttelt?
Heiko Scholz: Wachgerüttelt ganz sicher nicht. Wir beobachten den Markt bereits seit langer Zeit. Auch hier handelt es sich letztendlich um die Umsetzung von Kundenwünschen, die sich in anderen Branchen bereits seit vielen Jahren etabliert haben. Erfolgreich wird der Versicherer sein, der hierfür entsprechend gerüstet ist. Und dabei geht es um viele Aspekte: Produkte, Konditionen, aber insbesondere auch um Prozesse. Auch hier liegt die Barmenia sehr gut im Rennen.
Versicherungsbote: Wie sehen sie das Thema Video-Beratung? Wird es hier zeitnahe Versuche in Ihrem Hause geben?
Heiko Scholz: Die Zahl der Kunden wird wachsen, die diesen Weg in Punkto Beratung wählen werden. Deshalb unterstützen wir unseren Vertrieb dabei. Erste Tests werden durchgeführt. Dabei probieren wir verschiedene Dinge aus. Einige werden wir verwerfen, andere werden „Marktreife“ erlangen. Ich bin der Meinung, dass das der Weg der Zukunft sein wird. Nur so können wir auf Marktgegebenheiten reagieren. Es sind keine umfangreichen Projekte. Einiges wird sich eher in dem Bereich „Trial and Error“ bewegen.
Versicherungsbote: Die Barmenia nutzt die sozialen Netzwerke rege. Wie haben sich der Kontakt und der Umgang mit dem Kunden dadurch verändert?
Heiko Scholz: Bereits seit vielen Jahren ist die Barmenia erfolgreich in den Sozialen Netzwerken unterwegs. War es auch hier am Anfang ein Ausprobieren, so verfolgen wir heute in diesen Kanälen eine Strategie. Sowohl als Versicherungsunternehmen als auch in den Vertriebsstationen. Kunden und Interessenten nutzen diesen Kommunikationskanal bereits selbstverständlich, um mit der Barmenia oder dem Berater vor Ort in Kontakt zu treten.
Versicherungsbote: Laut Google suchen die Deutschen nach Versicherung am häufigstem im Zusammenhang mit ihrem Auto. Laut ihren Angaben werden auch bei ihnen 17 Prozent der Kfz-Verträge im Internet abgeschlossen, erwarten sie durch Barmenia Direkt eine Steigerung?
Heiko Scholz: Für die Kunden, die den reinen Onlinekanal wählen, haben wir unser Angebot hier erweitert und können entsprechende Erfolge aufweisen.
Versicherungsbote: Welche Entwicklung erwarten Sie in anderen Versicherungsbereichen wie z. B. bei biometrischen Risiken?
Heiko Scholz: Auch hier bestimmt der Kunde seinen Bedarf, sein Tempo und seinen Inhalt. Natürlich spielt der Datenschutz hier eine wichtige Rolle. Es ist unsere Aufgabe, dem Kunden ein komfortables, aber auch sicheres Angebot zu unterbreiten.
Anzeige
Versicherungsbote: Vielen Dank für das Interview! (Die Fragen stellten Walter Wolf und Björn Bergfeld)