Mehmet E. Göker - Ein Leben wie ein Buch
Das Buch „Die Wahnsinnskarriere des Mehmet E. Göker“ ist seit diesem Montag in den Buchhandlungen erhältlich. Auf 300 Seiten erzählt ein energischer Mann von seinen Zielen, dem Auf und Ab in seinem Leben und warum zwischenzeitlich alles so kam wie es ist. Mit der MEG-Vergangenheit, die er zwar noch aufarbeitet, scheint Göker aber abgeschlossen zu haben. Skandalgeschichten zu Krankenversicherern? Fehlanzeige. Eine Rezension der Autobiografie. Und ein Versuch, den Menschen zu verstehen.
Kaufen bei 19,99 Euro? Wer die Biografie des erst 36-jährigen Mehmet Ercan Göker ließt, der versteht ihn besser als alle Reportagen („Versicherungsvertreter“, hier mit Wortprotokoll) über ihn es bisher zeigen konnten. Die Kernenergie dieses Mannes, man kann es kaum anders beschreiben, ist nur mit seinem unbändigen Willen zu beschreiben, etwas Großes, nein etwas sehr Großes zu schaffen. Und dafür hart und härter zu arbeiten. Er ist hart gegen Andere; zu sich selbst ist er aber am härtesten.
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Göker hat Tugenden vom Vater
Göker liefert keine Lebensbeichte. Er macht auch keine Vorwürfe. Auch nicht an ehemalige Weggefährten. Diesen Menschen sagt er, übrigens in nur wenigen Passagen des Buches, welche Fehler sie in seinen Augen gemacht. Gut, Göker relativiert nicht. „In meinen Augen“, solche Worte kommen ihm nicht über die Lippen. Wenn er etwas zu sagen hat, dann sagt er das. Ungefiltert. Streng. Hart. Mit Abstand am härtesten geht die Hauptfigur in Göker Leben, nämlich er selbst, mit sich selbst ins Gericht.
Eine andere Hauptperson im Leben des Mehmet Göker bleibt für ihn sein Vater, im Jahr 2004, da war Göker 25 Jahre alt, verstorben. Wenn man das Buch wie eine Suchmaschine auswertet, dann sind „Papa“ oder „Vater“ (über 240 Mal) die zweitmeist verwendeten Worte; nur noch von einer anderen Kategorie übertroffen. Göker schildert seinen Vater als Vorbild: Für Ehrlichkeit, Fleiß und den geraden Weg. Und er verehrt seine Mutter. Es sind aber die Tugenden des Vaters, vor allem hart zu arbeiten, die er einfordert. Von anderen. Und von sich am meisten.
„Junge, bevor du leidest, lass dein Geld leiden“
Göker lernte von seinem Vater aber auch das Geld ausgeben. Der Senior sei zwar trotz sehr gutem Einkommen aus seinem Schuh- und Schlüsseldienst sehr sparsam gewesen, habe aber seinem Sohn und den Geschwistern zwischendurch immer wieder mal etwas gegönnt. Punktuell, nicht immer! So habe der Vater dem 17-jährigen Mehmet einmal eine Uhr für 500 Mark gekauft, obwohl der Sohn sich eine Uhr für 200 Mark ausgesucht hatte. Göker zitiert seinen Vater, der in diesem Moment gesagt habe: „Junge, bevor du leidest, lass dein Geld leiden“.
Später sollte das Prassen zu einem Dauerzustand im Leben des Mehmet E. Göker werden.
„Andere gehen in den Baumarkt. Ich hatte MEG. Das war mein Spielplatz. Andere sammeln Matchbox-Autos, ich Ferraris“, beschreibt Göker im Buch seine Lebenswelt zu Zeiten der MEG. Schon der junge Mehmet wollte, noch keine 20, spätestens mit Beginn seiner Ausbildung bei der DKV-Krankenversicherung raus. Raus aus den gutbürgerlichen, nein überdurchschnittlich gut situierten Verhältnissen seiner Eltern. Und schneller, höher weiter in die große Welt. Großes leisten, noch Größeres erreichen.
„Fick dich ins Knie“
Bereits während der Ausbildung bei der DKV verdiente Göker recht bald fünfstellig, jeden Monat, weil er fleißig Krankenversicherungen verkaufte. Und weil Biografien Anekdoten brauchen; in Gökers Autobiografie findet man sie zuhauf und unterhaltsam. Sein erster Satz bei der Kaltakquise am Telefon war einmal zu einem Kunden: „Fick dich ins Knie“. Eine Stunde später war aus dem Beleidigten ein DKV-Kunde geworden, schreibt Göker.
Kurz nach Beginn seiner Lehre bei der DKV, mit 21, wollte er einen BMW kaufen: 42.500 Euro. 12.000 bar. Den Rest in 36 Raten. Auf den Gehaltsnachweisen standen 4.000 Euro netto pro Monat (in späteren Lehrjahren waren es 30.000, sagt Göker). Also bonibel. Der Haken: Göker war formal Azubi. Die BMW-Bank lehnte ab, wollte eine Bürgschaft des mit anwesenden Vaters. Göker lehnte ab, verhandelte. Und gewann. Die Bank knickte ein. So erzählt es Göker.
Mensch = Einkommen und Auto
Und weil es für den jungen und den heutigen Mehmet Göker um Geld geht, dominiert dieser, ja fast schon Grundbegriff, wenn man seine Biografie nach Schlagworten durchsucht. „Geld“ wird 249 Mal genannt. „Verdienen/Verdienst“ (meist mit Geld verknüpft) kommt 127 Mal vor. Die „Million/en“ werden 241 Mal bemüht. Aber den Rekord halten Zahlen größer als 1.000. Diese werden 524 Mal genannt. Wenn Göker über seine Mitarbeiter zu MEG-Zeiten spricht, dann klingt das immer wie eine Vorher-Nachher-Geschichte. Plus Geld plus Auto.
Da kam zum Beispiel ein neuer Mitarbeiter (vorher 30.000 Brutto, Audi A4) zu ihm und verdiente nachher 200.000 und Porsche. Geld und Auto. Das waren die Maßstäbe für Erfolg bei MEG, wenn man die Buchstaben im Buch liest. Aber vor dem Erfolg stand Umsatz. Und weil MEG von 2003 bis 2008 fantastisch wuchs, belohnte Göker seine Leute. Selbst seinem Bodyguard (im Buch 23 Mal und damit öfter erwähnt als etwa die Hallesche Krankenversicherung, die ja auch noch eine Rolle spielt: 18 Mal) bezahlte er am Schluss 17.000 plus Porsche. Auch im Innendienst: Traumgehälter.
„XX Millionen“
Göker forderte Fleiß und Loyalität von seinen Leuten. Und dies belohnte er. Und er belohnte sich. Nach seinem ersten BMW folgten ein Porsche und danach der erste Ferrari. Laut Göker: Im Gründungsjahr 2003 machte die MEG 800.000 Euro Umsatz. 2004: 1,3 Millionen. 2005: 2,5 Millionen. Für 2006 plante er wieder in etwa eine Verdoppelung des Umsatzes. „Ende 2005 (logisch wäre vom Kontext her das Jahr 2006; Anmerkung der Red.) wurden es jedoch circa 14 Millionen Euro. Wir versechsfachten den Umsatz fast“.
Aus der Zeit Dezember 2005 berichtet Göker von Verhandlungen mit der Halleschen Krankenversicherung: „Das Angebot, das man uns unterbreitete, überstieg meine kühnsten Erwartungen, wenn wir 250.000 MB schreiben würden. Wir reden hier von einer Summe von rund XX Millionen Euro. (...) Die Verhandlung verlief besser, als ich es mir erträumt hatte. Alle meine Wünsche wurden bedingungslos erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich: Ich kann nicht nur exzellent verkaufen, ich kann auch exzellent verhandeln.“ Aber Zahlen nennt Göker nicht.
„Hallo, liebe Versicherung, ich brauche 1,5 Millionen Euro!“
Auch im Pleitejahr 2009, die MEG hatte einen riesigen Kostenblock, auch für teils schlecht laufende Niederlassungen und teure Incentive-Reisen, ... es flossen die Millionen noch. Die MEG war nicht flüssig und Göker holte neue Vorschüsse von den Versicherern. Namen? Keine Namen. Nur Summen nennt er. Auf Zuruf kamen Göker zufolge einmal eine Million und nochmal 1,5 Millionen Euro von zwei Versicherern. Göker „Dann kam der Tag, an dem ich merkte: Es fehlt ein bisschen Geld in der Kasse. »Hallo, liebe Versicherung, ich brauche 1,5 Millionen Euro!« – »Herr Göker, jooo, da ...«“.
Besonders hohe Kosten verursachten jedoch die Angestellten des Vertriebs (laut Göker sechs Millionen Euro pro Jahr für Sozialabgaben und Steuern). Göker hatte ab 2007 alle damaligen Handelsvertreter einstellen müssen und für die Vorjahre und wegen nicht abgeführter Abgaben 720.000 Euro Strafe zahlen müssen (200 Tagessätze à 1.000 Euro). Vorbestraft. Und mit den sicheren Gehältern sei die Motivation der Leute gesunken, und vielfach auch die Produktion. Der Rest ist Geschichte. Im Jahr 2009 war die MEG überschuldet. Aus Sicht Gökers wäre das Unternehmen mit (je nach Monat betrachtet) 2,5 bis 6 Millionen Euro zu retten gewesen. Geschichte. Es wurde nicht gerettet.
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Was Göker heute macht? Das ist undurchsichtig (der Versicherungsbote berichtete am vergangenen Freitag). Das Buch, erschienen im Finanzbuch Verlag, endet mit Göker: „Michael Jordan spielt Basketball, Forrest Gump läuft, ich rede.“ Fazit: Lesenswert, wenn man einige Schwachstellen wie falsche Auto-Typenbezeichnungen (in einem Göker-Buch!), und einige fachliche Unfeinheiten zu Versicherung übersieht. Kaufen bei 19,99 Euro.