Die Start-ups, die klassischen Versicherungsleuten den Kunden streitig machen, setzen in ihrem Betrieb auf „moderne Finanztechnologie“. So schreibt es Autor Dennie Liemen (Vorstand der Beratungswerk24 AG) an diesem Dienstag in einem Beitrag für das „Versicherungsjournal“ und am Mittwoch im Versicherungsboten. Bei der technischen Basis der meisten Startups kann man wohl nicht von moderner Finanztechnologie sprechen, wie Herr Liemen es tut. Diese neuen Unternehmen nutzen genau so viel Technik, wie es Versicherungsmakler in ihrem Back Office schon immer tun: Maklerprogramme, die die Daten und Policen des Kunden verwalten. Mit mehr oder weniger gut funktionierenden Schnittstellen zur Assekuranz.

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Fin – ohne Tech

Dennie Liemen ist Vorstand der Beratungswerk24 AG.Wenn nun die FinTechs Schnittstellen zu Maklerpools wie Jung DMS & Cie , BCA oder Fonds Finanz nutzen, dann ist das nicht neu, sondern Stand der Technik. Dementsprechend ist die Mehrzahl der Startups, die von Investoren um Vermittler und Versicherer herum gebaut werden im Augenblick noch lediglich Fins – ohne Tech. Die Lücke zwischen Papierakten und Daten stopfen viele der Startups derzeit mit Handarbeit. Mangels Schnittstellen müssen Kundendaten von den Mitarbeitern der junge Unternehmen von Hand erfasst werden. Finstere Steinzeit statt FinTech.

Studenten statt trainierte Profis

Wie werden die Kunden beraten? Kein Einzelfall ist das Beispiel Clark. Das Unternehmen sucht für seinen Dienst am Kunden „Werkstudenten“ (PDF). Zwar sollen die Hilfskräfte möglichst einen Studiengegenstand Versicherung nachweisen. Aber sind diese Studenten trainiert? Versicherer arbeiten mit ausgebildeten Fachkräften, nicht nur draußen vor Ort. Auch im Back Office. Das ist für die Qualität wie der Kunde beraten wird, ist das schon ein Unterschied.

Zwei Klicks zur neuen Autoversicherung?

Knip.ch sagt es klarer. Das Startup sucht Kaufleute zur Datenpflege (PDF). Gestsafe.de will auch Kundendaten (PDF) pflegen lassen. Allerdings reichen hier wieder billigere, weniger trainierte Werkstudenten, die sich zu einem günstigeren Kurs einkaufen lassen. Autor Liemen schreibt im „Versicherungsjournal“ in Bezug auf Möglichkeiten der FinTechs und ihrer Apps oder Webseiten “Mit zwei Klicks ist die Versicherung schnell gewechselt. Aber wird der Vermittler damit überflüssig?“ Dominik Groenen hält dagegen: „Zeigen Sie auch bitte hier den Wechsel mit zwei Klicks in der KFZ Versicherung, welches Startup macht dies?“

Check24 ist Startups um viele Millionen voraus – an Kunden und Investitionen Dieser Schnellwechsel der Autopolice ist, so Groenen, wenn auch in eingeschränkter Weise, beim Portal Check24.de möglich. Er ergänzt aber: „Bei Check24 sind wir sicherlich nicht mehr im Startup-Bereich.“ Das stimmt wohl. Check24 ist den kleinen Startups um viele Jahre und Millionen-Investitionen und Kunden voraus. Autor Liemen wiederum sagt in Bezug auf den Vertrieb und dem Ziel eines dauernden Kundenkontakts der Vermittler, es gelte zu jeder Zeit für den Kunden erreichbar zu sein. Und: „Viele Vermittler hinken dem digitalen Wandel in ihrer Branche hinterher.“

Allianz investiert 800 Millionen in Digitalisierung – und die FinTechs?

Liemen-Kritiker Groenen widerspricht Dennie Liemen und sagt: „Schauen wir einmal genau den Markt an. Pools, Makler und Assekuranz geben aktuell ein Megatempo vor und investieren mehr Geld als alle Startups zusammen. Allein der Allianzkonzern nahm für die digitale Zukunft seiner Vermittler im vergangenen Jahr 800 Millionen Euro in die Hand (der Versicherungsbote berichtete) und investiert in Geschäftsmodelle, die Online- und Offline-Welten mit den Allianz-Vertretern verbinden.

Revolution der Versicherungsbranche?

Dominik Groenen ist Gesellschafter bei erste digital (Scan2insure) und massup, einer Business-Plattform für den Verkauf einfacher Versicherungen.Möglicherweise haben die alten Versicherer derzeit noch einen digitalen Rückstand. FinTech-Fürsprecher Liemen sagt jedenfalls, von einem solchen Rückstand „profitieren nun vor allem die jungen Fintech-Start-ups.“ Und weiter sagt Liemen: “Junge Gründerteams wie die Clark oder Friendsurance wollen den Versicherungsvertrieb revolutionieren“. Diese kochten zwar auch nur mit Wasser, also Produkten der Assekuranz, „haben aber scheinbar den größeren Kessel und die heißere Flamme“, soweit Dennie Liemen.

Oder Internetblase 2.0?

Liemen-Kritiker Dominik Groenen hält die Rolle der FinTechs dagegen für stark überbewertet und fürchtet, dass mangels neuerer oder gar besserer Technologie vor allem eines geschehe: „Mit den aktuell sprudelnden Investorengeldern wird technisch nichts Neues geschaffen. Lediglich wird mit schicken, ansprechenden Apps und Webseiten eine neue Internetblase aufgebaut“. Ferner steht in Frage, ob FinTechs des Versicherern oder deren Vertrieblern schnell genug Kunden abjagen können, damit sie auf eine „schwarze Null“ kommen. Auf dem Weg dahin scheint es aber Hindernisse zu geben. Kritker Groenen verortet bei den FinTech-Firmen fachliche Defizite, wie er es kürzlich im Interview mit dem Versicherungsboten sagte.

Investor Carsten Maschmeyer erwartet FinTech-Sterben

Carsten Maschmeyer, AWD-Gründer und inzwischen Investor bei verschiedenen Biotechnik- und Internetfirmen, sieht ähnliche fachliche Hürden, die nicht jedes FinTech überspringen kann. Im „Manager Magazin“ wurde Maschmeyer gefragt, ob die Regulierung die neuen Finanzunternehmen nicht am Wachstum hindern könne. Dazu sagte er an diesem Dienstag in dem Magazin, dass die Einhaltung der BaFin-Vorschriften bei Startups nicht immer ernst genommen werde; diese „Naivität“ bei den Jungfirmen dürfe nicht sein. Unterm Strich erwartet Investor Maschmeyer auf Bank-FinTechs bezogen: „So wie es bei den Banken ein Filialsterben gibt, wird es auch ein Fintech-Sterben geben.“

Maschmeyer, nun wirklich ein Versicherungskenner, investiert im Bereich Internet vor allem in Banking-Startups (barzahlen.de), bei denen wegen der teils erforderlichen BaFin-Zulassung noch mehr Professionalität gefordert ist als in der Assekuranz. Der Vorteil beim Banking ist, dass die technischen Systeme mit IBAN-, BIC-Nummer und HBCI-Sicherheitsstandard bereits bestehen; so wie es das Online Banking bereits seit weit über zehn Jahren gibt. Aber ein Regulierungsproblem haben Versicherungs-FinTech auch.

Unterschrift am Bildschirm? Eigentlich nur bei Sixt

FinTech-Marktkenner Dominik Groenen zählt auf: „Das beginnt bei nicht immer VVG-konformen Vertragsabschlüssen, geht über die teils fehlende Beratung des Kunden, obwohl manches Startup Versicherungsmakler-Pflichten hat und endet zuweilen bei der Unterschrift“. So seien Unterschriften, die der Kunden bei einigen Startups mit der Maus am Computer oder von Hand auf dem Tablett-Bildschirm ausführt schwebend unwirksam, sagt Christian Müller, Unternehmensberater und Versicherungsberater aus Kassel, gegenüber dem Versicherungsboten.

Müller, der große Unternehmen zu Versicherungs-Geschäftsmodellen berät erklärt das am Beispiel des Autovermieters Sixt. Dort unterschreiben die Kunden schon seit vielen Jahren auf einem Bildschirm. „Das sind aber spezielle, nach dem Signaturgesetz zertifizierte Terminals. Diese sind mit dem privaten iPad eines Verbrauchers nicht zu vergleichen! Auch nicht beim Preis. Die Sixt-Terminals kosten gut und gerne 2.000 Euro pro Stück“, mahnt Müller.

Friendsurance HighTech ist das Vergleichsprogramm Rendite2000 - Maklerstandard

Und wie sieht es mit Friendsurance aus? Immerhin auch ein Unternehmen, das nach Worten von Autor Dennie Liemen den Markt revolutionieren will? Dieses Unternehmen und seine Wirkung sieht Kritiker Dominik Groenen wenig revolutionär: „Friendsurance verkauft Smartphone-Versicherungen bei deinhandy.de und preis24. Damit macht kein Versicherer große Gewinne, dass sich die Zusammenarbeit mit Friendsurance lohnte“, beschreibt Groenen die Handy-Versicherungsaktivitäten von Friendsurance.

Handyversicherung lohnt kaum

Inzwischen, seit 1. Juni 2015, wechselte der Risikoträger der Friendsurance-Handy-Policen samt Kundenbestand nach hohen Verlusten der Sparte von der Deutschen Familienversicherung zur amerikanischen Assurant, die in Deutschland als Assurant Allgemeine firmiert. Und sonst? Steht Friendsurance ansonsten für HighTech? Jedenfalls kaum bei den Tarifvergleichen, die das Startup von 2011 anbietet: „Für den Tarifvergleich greift (Friendsurance; Anmerkung der Red.) auf Softwareprodukte wie der rendite2000 AG zurück“, heißt es unter Punkt 5e. der Geschäftsbedingungen von Friendsurance.

Fazit: Zwei Fachleute – Zwei Einschätzungen

Wo Dennie Liemen in seinem Beitrag sagt, die Versicherungs-Startups „wollen da ansetzen, wo die Bedürfnisse der Kunden sind. (...) am besten papierlos, transparent und verständlich“, kontert der kritische Betrachter Dominik Groenen: „Die Versicherer optimieren schon längst noch und nöcher ihre Kundenprozesse und technischen Abläufe. Das ist doch nichts Neues“, sagt Groenen. Wo Kenner Liemen konstatiert, „Suchmaschinen-Marketing gehört zum täglichen Handwerkzeug“ der Startups, relativiert Groenen. Bei den Versicherern existiert deutlich mehr Know-How in Sachen Suchmaschinen. Versicherer haben ganze Teams für diese Themen und sind besser aufgestellt als so manches Fintech.“

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Ein Ruck!

Dominik Groenens Schlusswort: “Die Versicherer müssen sich lediglich noch einen Ruck geben und ernsthafte strategische Partnerschaften mit ,echten’ Fintechs eingehen. FinTechs die Know-How, Technologie und nachvollziehbare Business Cases darstellen können. Kein Versicherer sollte auf die unrealistischen Investoren-Stories von Clark, Knip, Getsafe et cetera setzen.“