R+V - "Spezielle Telematikversicherungsprodukte für Flotten werden aktuell nicht nachgefragt"
Gewerbeversicherung: Welche Chancen bietet der schwierige Flottenmarkt für Vermittler? Und wie sehr wird die Telematik die gewerbliche Autoversicherung verändern? Einen schriftlichen Fragebogen zu diesen Themen haben wir an die R+V / Kravag geschickt. Es antwortete Carsten Panzer, Underwriter Kraftfahrt R+V im Kfz-Betrieb.
Versicherungsbote: Im vergangenen Jahr lag die Schaden-Kosten-Quote laut GDV-Verband bei den Kfz-Flotten deutscher Versicherer über 100 Prozent, was einen Verlust von zirka 186 Millionen Euro bedeutet. Warum schreibt die Branche seit knapp 10 Jahren rote Zahlen?
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Carsten Panzer: Der Markt saniert im Flottenbereich stark. Auch in diesem Jahre werden bei defizitär verlaufenden Kundenverbindungen Anpassungen der Beiträge und/oder des Leistungsumfangs vorgenommen. Teilweise trennen sich Versicherer von größeren Kundenverbindungen oder Beständen, um den Schadenverlauf zu verbessern. R+V konnte seine gute Position im Firmenkundengeschäft ausbauen. In einem harten Marktumfeld wurden weiterhin notwendige Sanierungen und Beitragsanpassungen erfolgreich umgesetzt. Sanierungsmaßnahmen im Firmenkundengeschäft müssen auch zukünftig kontinuierlich durchgeführt werden.
Der Bereich Gewerbeversicherung wird von Vermittlern traditionell nur ungern angefasst. Zu komplex, zu aufwändig und zu unattraktiv heißen die vorherrschenden Vorurteile. Welche Chancen bieten sich Vermittlern mit einer Flottenversicherung im Angebot?
Panzer: Mit einem Flottenkunden wird eine Vereinbarung für alle Fahrzeuge getroffen. Bei erfolgreicher Akquise können hierdurch eine Vielzahl von Fahrzeugen eingedeckt werden. Der Vermittler kann an dem Prämienvolumen der Gesamtverbindung partizipieren und entsprechend davon profitieren.
Versicherungsbote: Wie sollten Vermittler mit dem Produkt Flottenversicherung umgehen? Sollte in jedem Fall ein Experte das Geschäft übernehmen?
Panzer: Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, wenn ein Experte involviert ist. Gerade bei Großflotten ist eine optimale Prozessabstimmung in Betrieb und Schaden zwischen den Beteiligten (Kunde, Vermittler, Versicherer) notwendig. Hiermit wird ein reibungsloser Geschäftsablauf gewährleistet.
Immer mehr Menschen mieten sich - ganz nach Bedarf - ein Fahrzeug. Der Carsharing-Markt wächst stetig. Folglich versprechen sich auch Industrieversicherer im Bereich der Flottenversicherung viel vom Carsharing. Welche Herausforderungen birgt das Geschäft mit Mietautos?
Panzer: Im Carsharing-Bereich muss zwischen gewerblichen Anbietern und Peer-to-Peer Carsharing-Plattformen unterschieden werden. Bei den gewerblichen Flotten sind die besondere Verwendung und der dadurch resultierenden Schadenverlauf im Pricing zu berücksichtigen. Weiterhin muss der Kunde die speziellen Voraussetzungen und Regeln für die Vermietung von Kfz beachten.
Mehrere Kfz-Versicherer wollen nächstes Jahr Telematik-Tarife für das Privatkundengeschäft einführen, darunter die Marktführer Allianz und HUK Coburg. In der Gewerbeversicherung wurden bisher kaum Pläne bekannt. Wie ist der Stand in der Flotten- und Industrieversicherung bei der Kravag?
Panzer: Im Flottengeschäft erfolgt meist eine Kalkulation unter Berücksichtigung des individuellen Schadenverlaufs der Flotte. Telematikversicherungsprodukte sind daher eher im Privatkundengeschäft relevant.
Wann wird sich Telematik Ihrer Einschätzung nach auf dem deutschen Gewerbemarkt etablieren?
Panzer: Bei Nutzfahrzeugen ist die erfolgt bereits eine Nutzung von Telematiksystemen durch den Kunden. Da sich das Pricing im Wesentlichen am individuellen Schadenverlauf der Flotte orientiert, bleibt abzuwarten, ob es spezielle Versicherungsprodukte im Flottenbereich geben wird.
Versicherungsbote: Welche Chancen bietet die Telematik mit Blick auf das Schadenmanagement? Können auch hier Vorteile der Datenerfassung genutzt werden – etwa in der Zusammenarbeit mit Schadengutachtern, Anwälten oder Werkstätten?
Panzer: Der Einsatz von Telematik im Bereich des Schadenmanagement ist in vielen Bereichen denkbar. Allerdings sind konkrete Anwendungsfälle in der heutigen Praxis unüblich. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Unfallforensik (Unfallursachenanalyse). Losgelöst davon können Echtzeitinformationen zu Unfallereignissen im Sinne der Schadensteuerung genutzt werden.
Versicherungsbote: Firmenkunden könnten sich schon aufgrund des organisatorischen Aufwands und der Umrüstungskosten für den Fuhrpark gegen Telematik-Tarife entscheiden. Wie groß ist überhaupt das Interesse von Firmen an Telematik? Haben Sie hierzu Daten und Rückmeldungen?
Panzer: Wir haben Kunden kennengelernt, welche fast die ganze Palette der technischen Möglichkeiten ausnutzen. Spezielle Telematikversicherungsprodukte für Flotten werden aktuell nicht nachgefragt.
Versicherungsbote: Telematik-Versicherer setzen auf einen Disziplinierungseffekt: Ist die Black Box im Auto, verhalten sich die Fahrer vorausschauender und vorsichtiger. Aber entstehen die meisten Schäden bei Flotten überhaupt durch unvorsichtige Fahrweise? Was sind weitere Gründe?
Panzer: Bisher erfolgte der Einsatz im Rahmen des Schadenverhütungsmanagement im Pkw-Flottenbereich im Wesentlichen bei sehr hoher Schadenhäufigkeit. Bei Umsetzung des ganzheitlichen Schadenverhütungskonzeptes konnte eine positive Auswirkung festgestellt werden. Bei Flotten ohne Schadenverhütungskonzept wurde der Einbau von den Fahrern sehr schnell nicht mehr wahrgenommen.
Versicherungsbote: In der Gewerbe- und Industrieversicherung werden schon immer sehr individualisierte Tarife auf die jeweiligen Unternehmen zugeschnitten. Verspricht Telematik überhaupt einen Mehrwert? Wo ist die Grenze bei der Ausdifferenzierung von Tarifen?
Panzer: Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen Telematiksysteme auf den Schadenverlauf insgesamt haben. Nur bei positiven Auswirkungen wird dies Einfluss auf die Prämie haben.
Versicherungsbote: Ein weiteres wichtiges Thema ist der Datenschutz. Ist nicht zu fürchten, dass Kundendaten durch Industriespionage oder zum Ausspähen von Firmendaten missbraucht werden, wenn sie in falsche Hände gelangen? Wie kann hier vorgebeugt werden?
Panzer: Datenschutz ist selbstverständlich ein wichtiges Thema. Es muss jederzeit sichergestellt sein, dass diese Daten nur für solche Zwecke verwendet werden, denen der Kunde als Dateninhaber zugestimmt hat. Der sichere Umgang mit sensiblen Daten unserer Kunden ist für uns ein elementarer Bestandteil unseres täglichen Geschäfts.
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Versicherungsbote: Vielen Dank für das Beantworten der Fragen!