Von Joachim Haid, München

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Da Prof. Schade mich in seinem Beitrag mehrmals erwähnt hat, möchte ich auf seinen Gastkommentar beim Versicherungsboten antworten.

Die Aussagen von Prof. Schade, offizieller Berater von fairr, wurden größtenteils gerade ad absurdum geführt. Denn während er seinen mehrseitigen Kommentar geschrieben hat, stand fairr offensichtlich bereits in abschließenden Verhandlungen mit einem Versicherer.

Aktuell bewirbt fairr.de, dass nun allen künftigen und vorhandenen Kunden in Kooperation mit der myLife Lebensversicherungs AG bereits heute ein garantierter Rentenfaktor für den Rentenbeginn zugesagt wird. Darauf kommen wir im Folgenden noch öfters zurück.

Zur Lebenserwartung

Prof. Schade kritisiert, dass ich die Auswirkungen der Sterbetafel DAV 2004 R bei der Funktionsweise von fairr-Riester berücksichtigt habe. Schließlich seien hier die künftigen Annahmen zur Lebenserwartung im Vergleich zur „statistischen Masse der deutschen Rentenversicherung um erstaunliche 40%“ stark übertrieben, so der Aktuar. Wie man der folgenden Tabelle entnehmen kann, ist auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung der durchschnittliche Rentenbezug seit 1980 durchgehend angestiegen – bei Männern um 6,2 Jahre und bei Frauen um 7,6 Jahre.

Quelle: Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen

Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen

Hinzu kommt, dass in den oben genannten Zahlen alle bei der Deutschen Rentenversicherung versicherte Personen erfasst sind – sowohl Gesunde, wie auch Kranke. Es ist allerdings recht unwahrscheinlich, dass jemand der schwer krank ist, als erstes darüber nachdenkt, wie er seine künftige Altersvorsorge mit einer Riester-Rente darstellen kann.

Innerhalb der privaten Altersvorsorge gibt es also eine Art automatische Risikoselektion, die zu einer höheren durchschnittlichen (so genannten ferneren) Lebenserwartung führt.

Im Weiteren verweist Prof. Schade zusätzlich mit Blick auf die Heubeck-Richttafeln, dass dort rechnerisch heftiger gestorben wird, als in der Praxis zu beobachten ist. Die vom Professor erwähnte Tafel „RT-2005R“ konnte ich zwar nicht finden, zur Richttafel 2005 G findet man auf den Internetseiten der Heubeck AG folgende Hinweise:

„Die Richttafeln 2005 G berücksichtigen zudem Fluktuationswahrscheinlichkeiten differenziert nach Geschlecht, Eintrittsalter und Betriebszugehörigkeit. Damit stehen der Praxis die Formeln und Fluktuationswahrscheinlichkeiten zur Verfügung, wie sie nun auch für die Bewertungen von Pensionsverpflichtungen nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) erforderlich sind.“

Konkreter: Diese Generationensterbetafel wird innerhalb der betrieblichen Altersvorsorge, im Speziellen für die Anforderungen nach BilMoG, verwendet und scheidet deshalb systembedingt für die Betrachtung bei Riester-Renten aus.

Zu Prof. Schades unrealistischer Annahme einer linearen Steigerung der Lebenserwartung

Das Argument eines ewig anhaltenden, linearen Anwachsens der Lebenserwartung hält Prof. Schade für nicht realistisch. Im Folgenden verliert er sich im Zitieren von medizinischen Studien, die zum einen ein maximal erreichbares Lebensalter von 120 bis 140 Jahren für den Menschen für möglich halten. Zum anderen wird eine Studie aus den USA bemüht, welche einen gegenläufigen Trend, zum Beispiel auf Grund einer regelrechten Adipositas-Epidemie, zum Ergebnis hat. Diese Erkenntnisse werden dann durch die Erwähnung weiterer Studien auf Europa übertragen.

Joachim Haid ist Versicherungsmakler, Finanztrainer und Geschäftsführer der SOFTFIN UG (haftungsbeschränkt), München. Dieses Softwareunternehmen bietet für die Praxis entwickelte webbasierte Anwendungen für Versicherungsvermittler, Honorarvermittler/-berater und Finanzdienstleister.Joachim HandNun könnte man natürlich lange darüber diskutieren, welche Aussagekraft US-Studien für die ferne Lebenserwartung in Deutschland haben. Auch könnte man wieder Gegenstudien zitieren, die umgekehrte Prozesse zeigen, da immer mehr Jugendliche auf Zigaretten- und Alkoholkonsum verzichten und Risikopatienten per App und digitalen Helferlein überwacht werden – Stichwort: eHealth.

Allerdings ginge diese Diskussion völlig an der zurecht angebrachten Kritik an Modellen wie dem fairriester Fondssparplan vorbei. Denn diese Kritik berücksichtigt lediglich den in der heute geltenden Rententafel DAV 2004 R enthaltenen Trend bzgl. eines möglichen Anstiegs der Lebenserwartung. Wirft man einen Blick in diese Rententafel, so stellt man fest, dass dort ein Mann, der heute 67 Jahre alt ist, sich statistisch über weitere 23,60 Jahre (Frau: 27,22 Jahre) freuen kann. Der heutige Rentner würde also ca. 90 Jahre alt werden (Frau: 94).

Wirft man nun einen Blick in die gleiche Rententafel und schaut sich die Situation beispielsweise im Jahr 2047 an – also das Jahr, in dem eine heute 35 jährige Person 67 Jahre alt würde, so erhält man folgende Werte:

Der im Jahr 2047 dann 67 jährige Mann kann sich über 29,08 Jahre freuen (Frau: 32,56 Jahre). Die Rententafel erwartet also, dass diese Person ca. 96 Jahre alt wird (Mann) bzw. 99 (Frau).

Von einem dauerhaften Anstieg bis in alle Ewigkeit ist nie gesprochen worden, auch nicht von einem Alter von 120 oder gar 140 Jahren!

Übrigens: Mein Schwiegervater, Jahrgang 1925, feiert in wenigen Wochen seinen 90. Geburtstag. Obwohl er an Demenz erkrankt ist und unter Morbus Bechterew leidet und deshalb seit etwa drei Jahren die Pflegestufe 1 hat.

Abgesehen davon stellt sich die berechtigte Frage, weshalb fairr gerade sein Modell um eben eine solche Rentenversicherung in Form einer Art Anwartschaft erweitert und damit verkompliziert hat? Wenn diese Themen doch alle so unwichtig sein sollen, wie Prof. Schade es ausführt. Warum bewirbt fairr dies als „Altersvorsorge 2.0“ auf seinen Seiten und jubelt:

„Gemeinsam mit unserem Partner, der myLife Versicherung, bieten wir Dir als einziger Riester-Fondssplarplan für die Auszahlphase schon bei Vertragsabschluss garantierte Rentenkonditionen mit festen Rentenfaktoren an“

Der Rentenfaktor

Damit sind wir auch bereits bei einem weiteren Kritikpunkt von Prof. Schade angekommen - dem Rentenfaktor. Hier wird mit finanzmathematischen Berechnungen gezeigt, dass bei einem angenommenen Zinssatz von 3 Prozent auch ohne Versicherung in der Rentenphase eine mögliche Rentenzahlung über knapp 27 Jahre möglich wäre. Unterstellt wurde hier der bis vor kurzem von fairr im Onlinerechner eingesetzte Rentenfaktor von 45.

Wer nun seinen finanzmathematischen Taschenrechner zückt und nachrechnet stellt fest: Stimmt. Bis Alter 94 wäre so ein Entnahmeplan mit Kapitalverzehr möglich (wer selbst nachrechnen will: n-heydorn.de)

Sagen wir also, mein Schwiegervater, 90, hätte solch eine Lösung als Altersvorsorge gehabt. Dann sollte er langsam beginnen bei Rot über die Ampel zu gehen, denn er liefe Gefahr, dass in wenigen Jahren „am Ende des Geldes noch zu viel Leben“ vorhanden ist.

Das Beispiel funktioniert natürlich nur, wenn durchschnittlich 3 Prozent über diese 27 Jahre erwirtschaftet werden. Bei 2,5 Prozent im Durchschnitt reicht es schon nur noch für knapp 25 Jahre. Sollten während der Entnahmephase auch mal Jahre mit negativer Performance vorhanden sein, verzehrt sich das Guthaben noch schneller.

Genau hier sind wir beim eigentlichen Sinn einer Rentenversicherung angelangt. Diese ist nicht dafür vorhanden, primär Vermögensaufbau zu betreiben - sprich, dass zum Zeitpunkt X Kapital Z zur Verfügung steht.

Eine Rentenversicherung sichert das biometrische Langlebigkeitsrisiko ab und soll sicherstellen, dass auch Personen, die doch älter als 94 werden, oder wenn eben während der Entnahmephase der Zinssatz schwanken würde, dennoch eine kalkulierbare, monatliche, lebenslange Einnahme zur Verfügung haben.

Erwähnt werden sollte übrigens noch, dass fairr, während Prof. Schade seinen Kommentar schrieb, die Kritik von Axel Kleinlein und mir bzgl. des unabhängig vom Eintrittsalter verwendeten Rentenfaktors von 45 Euro verändert hatte. Bis nun diese Woche fairr die Kooperation mit dem Versicherer myLife bekannt gegeben hatte, wurde ein Rentenfaktor verwendet, der mit niedrigerem Abschlussalter ebenfalls niedriger wurde.

Seit dieser Woche werden nun die Rentenfaktoren verwendet, die sich durch myLife ergeben. Damit wurde im Bereich des Rentenfaktors der Online-Rechner von fairr innerhalb von rund vier Wochen dreimal verändert.

Wenn nun Prof. Schade zu diesem Thema abschließend noch kritisiert, das die üblichen Rentenfaktoren „gerne bei 28 und aufwärts liegen...“, und damit „...also nur ca. 30 Euro Rente auf 10.000 Euro und schlechter“ böten, dann ist dabei folgendes zu beachten:

Es muss unterschieden werden zwischen dem garantierten und dem voraussichtlichen Rentenfaktor. Der ursprünglich von fairr verwendete Rentenfaktor von 45 je 10.000 Euro Guthaben war nicht garantiert.

Die von Prof. Schade genannten niedrigeren Werte sind bei guten Rentenversicherern mit fairen Bedingungswerken selbst dann garantiert, wenn der Sparer Veränderungen wie Beitragspausen und/oder Verlegung des Rentenbeginns nutzt. Wie sich myLife hier im Rahmen der bestehenden Kooperation positioniert, kann zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrages leider nicht abschließend verbindlich geklärt werden, da das zugrunde Bedingungswerk weder im fairr Online-Rechner vorhanden ist, noch auf den Internetseiten von myLife hinterlegt war. Dort findet man zum aktuellen Zeitpunkt lediglich das „reguläre“ Bedingungswerk von myLife.

Da aber fairr auf den eigenen Internetseiten positiv erwähnt, das man mit myLife absichtlich einen Anbieter gewählt habe, der eine Treuhänderklausel enthält, so könnte man den Schluss ziehen, das die online angezeigten Rentenfaktoren am Ende doch nicht garantiert sein werden und in bestimmten Fällen wie etwa einer Einführung geänderter Rechnungszinsen oder Sterbe-/Rententafeln reduziert werden.

Wenn Prof. Schade im Bezug auf die niedrigeren, marküblichen Rentenfaktoren schreibt:

„Bei ebenfalls angenommener Verzinsung von 3% reichte hierbei die Rentenzahlung dann immerhin bis zum Alter 128... Das ist sportlich! Wozu wird dann noch eine Versicherung benötigt, wäre die berechtigte Frage?“ ...

... dann muss es für Verbraucher und Interessenten von fairr schon fast wie Hohn wirken, dass etwa für eine am 01.01.1980 geborene Person mit vorgegebenen Rentenbeginn von 67 nun der fairr-Onlinerechner als Rentenfaktor € 30,20 ausweist. Allerdings auch nur, wenn der Sparer keine Todesfallabsicherung für den Ehepartner nach Rentenbeginn wünscht. Ansonsten reduziert sich der Faktor noch weiter.

Abschließend sei hier noch angemerkt, dass die Internetseite von fairr gerade in diesem Bereich besonders „volatil“ ist. Während am 14.09.2015 noch ein Rentenfaktor von 30,20 je 10.000 Euro Rentenkapital in einer Lightbox angezeigt wurde, auf Basis des Garantieguthabens (eingezahlte Beiträge und Zulagen) basierte und mit 199 Euro monatlicher garantierter Rente umgerechnet wurde, so wird er am 17.09.2015 nicht mehr in der Lightbox erwähnt. Und basiert nun auf dem voraussichtlichen Gesamtkapital. Dies ergibt in der Umrechnung nun eine garantierte Rente in Höhe von 488 Euro (siehe Screenshots unten).

Abschließend sei die Frage erlaubt, weshalb es überhaupt ein inzwischen doch recht komplex gewordenes Produkt wie fairriester braucht?

Niedrige Kosten durch ETF-Fonds?

Das bieten auch einige gute Rentenversicherer seit einiger Zeit an.

Niedrige Kosten, da keine Provisionen oder Courtagen enthalten sind?

Auch hier bietet der Markt seit einiger Zeit die Möglichkeit von Nettotarifen an, bei denen ebenfalls keine Provisionen und Courtagen enthalten sind.

Berücksichtigt man nun noch, dass es Rentenversicherer gibt, die neben Nettotarifen und dem Einsatz von ETF-Fonds zusätzlich auch noch die so genannte „Besserungsoption“ enthalten, fällt auch das letzte Argument von Fondssparplan-Befürwortern – sinkende Lebenserwartung und damit in Zukunft höhere Renten bei Verwendung der zukünftigen Rechnungsgrundlagen – weg. Denn die Besserungsoption bestimmter Rentenversicherer sagt:

Sollte zum Rentenbeginn festgestellt werden, dass für den Riester-Rentner bessere Rechnungsgrundlagen gelten, als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, so werden diese besseren Rechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Rente verwendet!

Als Anbieter, die nicht nur Nettotarif, ETF-Fonds und diese Besserungsoption enthalten, sondern dem Verbraucher auch faire Bedingungswerke bieten, sind zum Beispiel die Alte Leipziger und Die Bayerische zu nennen.

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Diese Möglichkeiten des Marktes scheinen aber sowohl fairr, als auch Prof. Schade wohl unbekannt zu sein. Anders lassen sich entsprechende Aussagen in unterschiedlichen Berichten und Interviews kaum erklären.

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