Was Verbraucher nach Ansicht des Versicherungsexperten nicht wissen: Die bisherigen Telematik-Tarife basieren nur auf wenigen Daten und werden noch nicht mit den relevanten Vergleichsdaten abgeglichen. Die Vorteile können deswegen derzeit gar nicht eingebracht werden, die mittels Telematik möglich sind und in anderen Märkten bereits sehr erfolgreich realisiert werden, argumentiert Nießen, der auch Mitglied in der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) ist. Von daher sollten Versicherer ihre Methodik ändern.

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Telematik - Mehr Mut gefragt

Die individuellen Daten werden zumeist von den Telematik-Geräten direkt an den IT-Partner des Versicherers gesendet. Aus diesen Daten kann dann ein Risiko-Score ermittelt werden, der dann dem Versicherer zur Prämienbestimmung zur Verfügung gestellt wird. Wenn aber der Tarif des Versicherers bestmöglich ergänzt werden soll, sind zwei Kriterien maßgeblich: die Vollständigkeit der Daten und der Vergleich mit den Daten anderer Fahrer.

Um eine ordentliche Vollständigkeit der Daten zu erreichen, muss der sekündliche Informationsfluss genutzt werden, so dass das Fahrverhalten adäquat im Kontext analysiert werden kann. Mit den Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen können zum Beispiel Fahrmanöver wie ein Überholvorgang identifiziert und auch risikotechnisch klassifiziert werden. Denn man kann sehen, ob der Überholvorgang vorzeitig abgebrochen werden musste oder zeitig mit dem Überholen begonnen wurde. Auch weitere Informationen sind nutzbar: Welche Wetterverhältnisse und Straßenzustände herrschten zum entsprechenden Zeitpunkt? All diese Daten sollten die Bestands- und Schadendaten des Versicherers ergänzen. Nur dann ist die Ableitung aussagekräftiger Merkmale zur Tarifierung möglich.

Vergleichsdaten enorm wichtig

Vergleichsdaten können enorm wichtig sein, wie ein Blick in andere Staaten zeigt, in denen Telematik schon etabliert ist. In den USA greifen die Versicherer auf gemeinschaftliche Datenpools zurück, in denen dann eine signifikante Masse von Autofahrten sowie Schadenerfahrung zur Verfügung stehen. So könne man mit den Statistiken wirklich ableiten, welche Fahrmanöver wie schadenträchtig sind, argumentiert Nießen. In Deutschland allerdings verfolgen Versicherer bislang eher abgespeckte Konzepte, mit denen sie die Telematik-Daten ihrer Kunden nicht in einen relevanten Kontext setzten können.

Hingegen seien die Schadenerfahrungen eines einzelnen Versicherers aus den aktuellen Pilotversuchen für die Ableitung eines risikogerechten „Scores“ nicht ausreichend. Obwohl in den letzten Jahren die Studien zeigten, dass Autofahrer Telematik-Tarife interessant finden, wenn sie dadurch Prämien einsparen können oder die Sicherheit von Familienmitgliedern substantiell erhöhen können.

Debatte um Datenschutz und Big Brother-Fantasien

Das gewichtigste Gegenargument gegen Telematik-Tarife seien aktuell der Datenschutz und Big Brother-Fantasien. Deshalb müssen die Versicherer klarer kommunizieren, wie Daten erhoben, verwertet und für die Tarifierung genutzt werden. Kunden müssen wissen, wie ihre Fahrerdaten gespeichert werden und ob sie für die Nutzung durch Dritte zur Verfügung stehen.

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Nutzer sozialer Netzwerke zeigen Verhalten auf, dass ein großer Teil der Bevölkerung bereit wäre, für einen Vorteil (z.B. erhöhte Sicherheit oder auch Beitragsersparnis) Daten preiszugeben. Telematik-Tarife werden sich in bestimmten Segmenten durchsetzen. Doch nur die Anbieter können wettbewerbsfähig sein, die bei der Datenerhebung konsequent und umfassend vorgehen, so der Towers-Watson-Experte. Wer bei Telematik langsam sei, werde langfristig die schlechteren Risiken im Portfolio haben.

Tower Watson