Allianz Firmenversicherung - "Wir beobachten die Trends am Flottenmarkt sehr genau"
Gewerbeversicherung: Sollten Versicherungsvermittler dem schwierigen Geschäft mit der Flottenversicherung wagen? Und welche Chancen bietet die Telematik für die Versicherung gewerblicher Fuhrparks, also das Messen des individuellen Fahrverhaltens mit Hilfe einer Black Box im Auto? Versicherungsbote hat mit einem schriftlichen Fragebogen bei Oliver Theis nachgefragt, Abteilungsleiter Firmen Kraft bei der Allianz Versicherungs-AG.
Versicherungsbote: Im vergangenen Jahr lag die Schaden-Kosten-Quote laut GDV-Verband bei den Kfz-Flotten deutscher Versicherer über 100 Prozent, was einen Verlust von zirka 186 Millionen Euro bedeutet. Warum schreibt die Branche seit knapp 10 Jahren rote Zahlen?
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Oliver Theis: Bei der Allianz haben sich die Zahlen gegenüber dem Vorjahr nochmals verbessert. Wenn man sich als Versicherer in einem solch schwierigen Umfeld wie dem Flottengeschäft bewegt, ist es ausgesprochen wichtig, seine Hausaufgaben in Punkto Aktuariat, Technical Excellence, Portfolioanalyse et cetera zu machen. Hier sind wir extrem gut aufgestellt.
Versicherungsbote: Der Bereich Gewerbeversicherung wird von Vermittlern traditionell nur ungern angefasst. Zu komplex, zu aufwändig und zu unattraktiv heißen die vorherrschenden Vorurteile. Welche Chancen bieten sich Vermittlern mit einer Flottenversicherung im Angebot?
Oliver Theis: Mit unseren Flottenversicherungsprodukten bieten wir für Fuhrparks ab drei Fahrzeugen eine Reihe von auf die individuellen Bedürfnisse der Fuhrparkbetreiber ausgerichteten Lösungen. Komplex mag die dahinter liegende Tarifierungslogik sein, jedoch nicht das einzelne Produkt. Wir legen großen Wert auf kundenorientierte Prozesse und Produkte. Wenn Sie beispielsweise unser Stückbeitragsmodell mit dem ergänzend angebotenen Riskmanagement kombinieren, können Vermittler ihren Kunden ein sehr attraktives Gesamtpaket anbieten.
Versicherungsbote: Wie sollten Vermittler mit dem Produkt Flottenversicherung umgehen? Sollte in jedem Fall ein Experte das Geschäft übernehmen?
Oliver Theis: Grundsätzlich kann man Folgendes sagen: Je größer die Flotte, desto individueller werden die Deckungskonzepte und damit die Anforderungen an die entsprechende Expertise.
Versicherungsbote: Immer mehr Menschen mieten sich - ganz nach Bedarf - ein Fahrzeug. Der Carsharing-Markt wächst stetig. Folglich versprechen sich auch Industrieversicherer im Bereich der Flottenversicherung viel vom Carsharing. Welche Herausforderungen birgt das Geschäft mit Mietautos?
Oliver Theis: Carsharing birgt für den Versicherer vor allen Dingen die Herausforderung, dass das zu versichernde Risiko kaum mehr am Fahrzeug, sondern vielmehr am sich beständig ändernden Nutzerkreis orientiert werden muss.
Versicherungsbote: Mehrere Kfz-Versicherer wollen nächstes Jahr Telematik-Tarife für das Privatkundengeschäft einführen. In der Gewerbeversicherung wurden bisher kaum Pläne bekannt. Wie ist der Stand in der Flotten- und Industrieversicherung bei der Allianz?
Oliver Theis: Wir beobachten die Trends und Entwicklungen am Flottenmarkt sehr genau. Die Nutzungsmöglichkeiten von Telematikanwendungen unterscheiden sich im Flottensegment spürbar von denen des Privatkundengeschäfts. Aktuell analysieren wir noch die verschiedenen Anwendungsvarianten sowie deren Potentiale.
Versicherungsbote: Wann wird sich Telematik Ihrer Einschätzung nach auf dem deutschen Gewerbemarkt etablieren?
Oliver Theis: Telematik ist begrifflich ein weites Feld. So ist diese Technik zum Beispiel in den Smartphones längst etabliert. Die Nutzung bei gewerblichen Fahrzeugen wird von der fortschreitenden Weiterentwicklung der vernetzten Fahrzeuge wie auch von integrierten Systemkomponenten wie dem paneuropean. E-Call abhängen.
Versicherungsbote: Welchen Beitrag kann die Telematik leisten, um Kosten in der Flottenversicherung zu senken? Können Sie dies bitte an Beispielen verdeutlichen?
Oliver Theis: Ein Beispiel für den werthaltigen Einsatz von Telematik im Versicherungskontext ist das schnelle Auffinden von gestohlenen Fahrzeugen. Auch taucht in diversen Telematikpiloten immer wieder eine durch erhöhte Aufmerksamkeit/Disziplin der Fahrer reduzierte Schadenhäufigkeit auf.
Versicherungsbote: Welche Chancen bietet die Telematik mit Blick auf das Schadenmanagement? Können auch hier Vorteile der Datenerfassung genutzt werden – etwa in der Zusammenarbeit mit Schadengutachtern, Anwälten oder Werkstätten?
Oliver Theis: Es ist durchaus denkbar, dass Telematikanwendungen auch im Schadenmanagement hilfreich unterstützen können. So kann z.B. im Falle einer Pannenmeldung gleich die aktuelle Position mit übermittelt werden.
Versicherungsbote:...die notwendige Technik und Infrastruktur für Telematik ist für die Versicherer teuer, muss doch der gesamte Fuhrpark mit Black Boxes bestückt und die erhobenen Daten ausgewertet werden. Könnten sich Telematik-Tarife für die Versicherer am Ende als teurer entpuppen als „herkömmliche“ Tarife?
Oliver Theis: Sicher bergen Nachrüstlösungen einen gewissen finanziellen Aufwand. Im Flottensegment lässt sich aber häufig ein ROI (return of invest) in überschaubarer Zeit kalkulieren. Hinzu kommt, dass zunehmend auch herstellerseitig verbaute Lösungen ebenso wie Smartphones für übergreifende Lösungen nutzbar gemacht werden.
Versicherungsbote: Auch Firmenkunden könnten sich wegen des organisatorischen Aufwands und wegen der Umrüstungskosten für den Fuhrpark gegen Telematik-Tarife entscheiden. Wie groß ist überhaupt das Interesse von Firmen an Telematik? Haben Sie hierzu Daten und Rückmeldungen?
Oliver Theis: Uns erreichen dazu viele Kundenanfragen. Wir bitten aber um Verständnis, dass wir aus Datenschutzgründen keine Details hierzu nennen können.
Versicherungsbote: Telematik-Versicherer setzen auf einen Disziplinierungseffekt: Ist die Black Box im Auto, verhalten sich die Fahrer vorausschauender. Aber entstehen die meisten Schäden bei Flotten überhaupt durch unvorsichtige Fahrweise? Was sind weitere Gründe?
Oliver Theis: In der Überzahl sind es menschliche Fehler, die zu Schadenereignissen führen. Rein fahrzeugverursachte Fehler sind erfreulicherweise nicht so häufig.
Versicherungsbote: Es gibt scharfe Kritik an Telematik-Tarifen. Ein Argument: wenn die Tarife immer individualisierter werden, stünde die Idee der Versicherung als Solidargemeinschaft auf dem Spiel, weil Versicherer nur noch Rosinen picken und Kunden mit höherem Schadensrisiko nur teuer oder gar keinen Schutz finden. Wie positionieren Sie sich zu diesen Bedenken?
Oliver Theis: Wie schon ausgeführt, unterscheiden sich die Nutzungsmöglichkeiten von Telematikanwendungen im Flottensegment spürbar von denen des Privatkundengeschäfts. Aktuell analysieren wir noch die verschiedenen Anwendungsvarianten sowie deren Potentiale. Wir berücksichtigen bei unseren Versicherungskonzepten immer die Interessen unserer Kunden und fokussieren dabei nicht nur eine kleine Gruppe hieraus.
Versicherungsbote: Als Gegenargument könnte man einwenden, dass in der Gewerbe- und Industrieversicherung schon immer sehr individualisierte Tarife auf die jeweiligen Unternehmen zugeschnitten werden. Verspricht Telematik überhaupt einen Mehrwert? Wo ist die Grenze bei der Ausdifferenzierung von Tarifen?
Oliver Theis: Telematik bietet vom Flottenmanagement über Sicherheitsfeatures bis hin zu fahrerbezogenen Nutzungsmerkmalen eine Reihe von werthaltigen Merkmalen. Genau betrachtet werden muss angesichts dieser Vielfalt, welche Anwendungsvariante wieviel Potential bietet.
Versicherungsbote: Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist der Datenschutz. Ist nicht zu fürchten, dass Kundendaten durch Industriespionage oder zum Ausspähen von Firmendaten missbraucht werden, wenn sie in falsche Hände gelangen? Wie kann hier vorgebeugt werden?
Oliver Theis: Sie können versichert sein, dass wir den Schutz von Kundendaten sehr ernst nehmen und jede künftige Anwendung sich an diesem hohen Standard messen lassen muss.
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Versicherungsbote: Vielen Dank für das Interview (Die schriftlichen Fragen formulierte Mirko Wenig)