Versicherte in der Knip-Zange oder Vermittlerlobby auf dem Holzweg?
Versicherungsvertrieb: Die Lobby der analogen Vermittler, vertreten durch den Verband der Versicherungskaufleute BVK, kritisiert die neuen digitalen Dienstleister, die als Versicherungsmakler aufgestellt immer öfter ihr virtuelles Kundenbüro im Smartphone des Kunden einrichten. Diese FinTechs aus Bits und Bites könnten für den Verbraucher den Rat eines Vermittlers aus Fleisch und Blut nicht ersetzen, warnt der BVK. Allein an umfassenden Argumenten hapert es beim BVK. Und an einem Blick auf aktuelle Projekte seiner Branchenkollegen.
Die Kritikpunkte des Vermittlerverbands sind schnell aufgezählt. Viele Kunden „wissen gar nicht, auf was sie sich einlassen“; so wird BVK-Vorstand Michael H. Heinz in einer Mitteilung seines Verbands zitiert. Auch eine persönliche Beratung suche man „bei FinTechs weitgehend vergeblich“. Ferner sieht Heinz „gefährliche (...) Deckungslücken“, die die „wenigsten User (der Verband gibt sich modern) ... kompetent einschätzen“ könnten. Das stimmt. Und diese Herausforderung der Produktrecherche betrifft auch Versicherungsmakler, die beim Sondieren des Policenangebots vor einem riesigen Produktwald der Assekuranz stehen.
Anzeige
Alle Vermittler stehen vor einem Produktwald
Das Analysehaus Franke und Bornberg hat den Versicherungsboten einmal in seinen „Vertragscheck“ blicken lassen, mit dem Makler alte und neue Tarife vergleichen können. Wir zählen: Allein am Beispiel Allianz Leben betrachtet stehen dort aktuell zum Kauf elf Angebote für Rürups 2005 erfundene Basisrente zur Auswahl. Beschränkt der User seine Auswahl auf Fondsprodukte, dann halbiert sich die Anzahl der Offerten. All dies betrifft nur die Basisrente, und nur das Beispiel Allianz. Hinzu kommen beim Makler noch weitere gut 100 Lebensversicherer, deren Produkte und Finanzlage der unabhängige Berater für seinen Kunden sondieren muss.
Aber ist die Masse, hochgerechnet rund 500 Rürup-Tarife, ein Problem, das nur digitale Makler wie Clark, Knip, Moneymeets & Co haben? Nein. Wie gesehen ist die Masse der Tarifangebote der Assekuranz unabhängig von der Art des Kunden. Und erster Kunde der Versicherer ist der Vermittler; egal ob bei ihm Bits, Bytes oder Blut in den Datenadern fließen. Zurück zum Vermittlerlobby aus Fleisch und Blut, zurück zu Heinz’ These, viele Kunden „wissen gar nicht, auf was sie sich einlassen“. Das kann sein. Nur erklärt Heinz dieses ,was’ auch nicht.
Argumente: Fehlanzeige
Statt inhaltlicher Argumente ist in der Pressemitteilung des BVK die Wirkkette der Maklervollmacht sachlich beschrieben. Vom Auftrag des Kunden an den Makler über die Verwaltung der Kundenpolicen bis hin zum Recht des Maklers, Versicherungen des Kunden umdecken zu dürfen. Korrekt. Allerdings ist diese Vorgangsbeschreibung zu Maklervollmacht und Folgen eines nicht: Ein Argument. Also kein Argument gegen die Online-Betreuung des Kunden, der online bekümmert werden will. Nur diese Art Kunde, tendenziell älteren Baujahrs, wird die Apps „kaufen“. Und ja: Noch erkennen willige Kunden nicht recht, was es mit einer Maklervollmacht auf sich hat.
Natürlich hakt es bei vielen FinTechs auch noch in Sachen Service für den Kunden zu seinen vorhandenen Verträgen, wie Versicherungsmakler und Jurist Raphael Strels kürzlich als Testkunde bei dem Online-Makler Clark feststellte. Vor allem komplexe Personen-Konstellationen, bei Strels wurde unter anderem die mitversicherte Tochter in der privaten Krankenversicherung übersehen, haben viele digitale Makler noch nicht im Griff. Dies ist allerdings kein technisches, sondern und auch im Beispiel Clark ein menschliches Problem – was BVK-Heinz’ Einwand entkräftet, eine persönliche Beratung finde bei FinTechs nicht statt.
Auch Traditionsmakler beraten immer öfter online
Dies mag auf die persönliche Anwesenheit des Beraters im Wohnzimmer des Kunden bezogen auch korrekt sein. Wenn der Berater denn als Person vor Ort überhaupt noch von Kunden gefordert ist. Im Trend ist das inzwischen seltener der Fall. Der Beweis ist, immer mehr ,normale’ Makler beraten ihr Kundenvolk immer öfter auf Online-Kanälen, zum Beispiel in Form der Videokonferenz.
Ganze Geschäftsmodelle von Dienstleistern für Versicherungsmakler bauen inzwischen auf diesen Trend zur Fernberatung der Kunden. Die modernen Medienkanäle finden im Argument des BVK ebenfalls keine Erwähnung. Und ob nun Traditionsmakler oder neue FinTechs ihre Dienste mittels Internet über die Ferne zum Verbraucher transportieren; hier verschwimmen die Unterschiede. Hier schwinden die unterscheidbaren Kriterien, an denen FinTechs und, nennen wir die innovativen Maklerunternehmen einfach „MaklerTechs“ zu beurteilen sind.
Moneymeets-Urteil: Nicht erwähnt
Eine laufende Betreuung des Kunden können auch digitale Makler nicht abbedingen. Dies ergab sich kürzlich aus einem Urteil des Landgerichts Köln: Ein Beratungsverzicht in den Geschäftsbedingungen ist unwirksam. Geklagt hatte der Maklerverband IGVM. Das Urteil von Köln hatte aber noch eine andere Konsequenz: Verloren hat das Provisionsabgabeverbot. Dieses nicht EU-konforme Verbot, Kunden mit Beitragserstattungen an den Courtage-Erlösen zu beteiligen, wurde in Köln begraben. Natürlich muss die hier im Beispiel von Moneymeets betriebene „Neidwerbung“, so sagte es kürzlich ein Versicherungsmakler in einem Kommentar auf Facebook, den Traditionsvermittlern nicht gefallen.
Aber erlaubt ist die Provisionsabgabe, bis zuletzt vom BVK bekämpft und erst vor wenigen Wochen am Tag der mündlichen Verhandlung IGVM gegen Moneymeets als Gesetzliches Verbot gefordert, nun doch nach einem langen Kampf. Was als Streit mit Argumenten pro und kontra Provisionsabgabe begann, ist nun durch das Kölner Urteil allen klar. Moneymeets wurde von den Richtern in seinem Geschäftsmodell bestärkt, seinen Kunden die Hälfte der Bestandsvergütung zurückzugeben. Demnächst wird das Gesetz über die Versicherungsaufsicht, das VAG, renoviert. Per Stand heute ohne Provisionsabgabeverbot.
„Einfach nur Kunden abgreifen“
Immerhin muss nun auch Moneymeets seinen Kunden das geben, was das Gesetz von jedem Versicherungsmakler fordert: Beratung. Und Haftung; die darf ebenfalls kein Makler in seinem Kleingedruckten ausklauseln. Was bleibt nun von der Argumentation des BVK gegen FinTechs übrig?
Analog-Lobbyist Michael H. Heinz sagt über Fintechs, diese seien eine „eine digitale Modeerscheinung, die einfach nur Kunden abgreifen wollen und werden so rasch in ihren Nischen verschwinden, wie sie gekommen sind“. Auch könnten die neuen Digitalen die „Renditeerwartungen ihrer Kapitalgeber“ kaum erfüllen. Kunden würden „merken, dass sie einem digitalen Hype aufgesessen sind“.
Immerhin, den „informationellen Fortschritt durch das Internet begrüßt der BVK“, schreibt der BVK. Auf den Leser muss diese Aussage wirken wie etwa „Das Internet ist für uns alle Neuland“; zugegeben eine unglückliche Formulierung auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel – immerhin bereits vom Juni 2013. Ernsthafter, die Digitalisierung der Versicherungs- und Kundenwelt als „Hype“ und „Nische“ zu bezeichnen, wie Heinz es tut, zeigt die technologische Rückwärtsgewandtheit des BVK – und wenig Verständnis für die geänderten Nachfragekanäle der Kunden.
Neue Apps der Brancheninsider nicht erwähnt
Worauf der BVK in seiner aktuellen Pressemitteilung nicht eingeht, sind Kunden-Apps, die nun sukzessive von Branchen-Insidern auf den Markt gebracht werden. Asuro, Jung DMS & Cie. und Blaudirekt stehen mit eigenen Apps in den Startlöchern. Die Mission: Policen- und Kundenbestände gegen Angriffe aus versicherungsfremden Galaxien abwehren. Service und Fachkompetenz müssen alle Anbieter auffahren: Seien es Vermittler im Kunden-Wohnzimmer oder dem eigenen Büro ebenso wie App-Makler. Seien sie Brancheninsider oder disruptive FinTechs, die alte Kundenkanäle abschneiden und sich mit ihren Startups zwischen Bestandsmakler und Versicherer schieben.
Anzeige
FinTechs müssen noch viel lernen, besser werden. Ja. Und: Die stärksten Startups werden bleiben. Mit gegenteiligen Prognosen betritt der BVK mit großer Wahrscheinlichkeit einen Holzweg.