Haben Verkäufer eine Zukunft?
Allein die Fragestellung scheint angesichts der Bestrebungen, Vertriebserfolge auszuweiten, schon ein wenig absurd. Aber ist nicht gerade ein typisches, aggressives Verkäuferverhalten ein Widerspruch zur gewollten Beratungskultur? Wir alle haben die Erkenntnis, dass alle Geschäfte und Marken dauerhaft nur auf der Basis von Vertrauen erfolgreich sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, z. B. dem Handel, hat sich in der Versicherungswirtschaft und Kreditwirtschaft erst seit Mitte der 90er Jahre ein Wettbewerb entwickelt, der alle Beteiligten zwingt, den Markt verstärkt aus Kundensicht zu betrachten und sich mit dem zunehmenden Wettbewerb zwischen online und offline auseinanderzusetzen.
Eine stärkere Kundenfokussierung, die Neuausrichtung der Vertriebskanäle und die GDV Offensive „Gut beraten“ sind nur einige Entwicklungen die zu einer teilweisen strategischen Neuausrichtung bei den Versicherungsunternehmen, Finanzdienstleistern und Maklervertrieben geführt haben. Dennoch sind große Teile der Kunden mit ihrer Betreuung unzufrieden und laut verschiedener Erhebungen zu mehr als 30 Prozent wechselbereit. Das Image der Branche und des Berufsstandes – auch der Bankberater – liegt nach einer Befragung der GFK aus 2014 auf den letzten Plätzen von 32 Berufen. Nur 39 Prozent der Befragten vertrauen zum Beispiel dem Berufsstand Banker. Dies ist nicht nur eine Folge der vielzitierten Finanzkrise, sondern auch eine Folge der Wahrnehmung des einzelnen Kunden im Kontakt mit seinem Berater. Das zeigt, dass auch der Bankberater zum Vertriebsmitarbeiter geworden ist und nicht mehr uneingeschränkt als solider Berater wahrgenommen wird.
Anzeige
Der Kompass für Verkäufer sollte neu justiert werden
Wir brauchen idealerweise den Berater mit einem Verkäufergen. Die Qualität der Berater und der Beratung ist der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg, um Kunden ganzheitlich und dauerhaft zu binden. Empathie, Zuverlässigkeit und erlebter Service sind entscheidend für Loyalität und Zufriedenheit der Kunden. Kunden wollen Beraterverhalten und nicht den Verkäufer. So fordert zum Beispiel die quirin Bank ihre Kunden direkt auf mit der Frage: „Ist Ihr Bankberater ein Berater oder ein Verkäufer?“. Sie will sich damit abgrenzen von einer zu starken verkäuferischen Ausrichtung in der Beratung bei Mitbewerbern. Auch zwischen Arzt und Patient kriselt es. Hier hat ebenfalls eine ungute Entwicklung eingesetzt, die dem Berufsstand nicht gerecht wird. Das oft blinde Vertrauen gegenüber Ärzten ist mittlerweile angekratzt. In der Rolle als Berater konnte der Arzt alles erreichen oder durchsetzen. Sobald aber der Patient dem Arzt verkäuferische Absichten unterstellt ändert sich das. Dieses Bild passt sehr gut zu allen Vertrieben im Markt.
Auch Banker hatten einmal das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Kunden. Das hat gelitten durch zu viele unkluge verkäuferische Akzente in der Ansprache und durch produktbezogenen Verkauf. Über Jahre hieß es: ihr sollt verkaufen und nicht beraten! Damit begann eine Entwicklung, deren Ergebnisse wir heute sehen. Gemeint hat man „informieren“. Das kann zum Beispiel das Internet besser als jeder Verkäufer. Aber das Internet kann nicht individuell beraten.
Aber Verkaufserfolge ohne solide, vertrauensbildende Beratung wird auf Dauer zum Scheitern verurteilt sein. Das Problem liegt unter anderem auch darin, dass wir heute Kunden haben, die mit typischem Verkäuferverhalten negative Erfahrungen gemacht haben. Die Folge ist, man meidet das persönliche Gespräch und informiert sich über das Internet.
Fazit: Wir brauchen also Menschen, die sich als Berater qualifizieren, um am Ende verkäuferisch erfolgreich zu sein. Dies ist kein Widerspruch – denn derjenige der sich als Berater profiliert wird automatisch auf Dauer der bessere Verkäufer sein. Das ist konsequenter und effizienter. Fordert allerdings eine neue Beratungsphilosophie verbunden mit einem Leitbild, das nach außen und innen wirkt. Erste Ansätze werden zum Beispiel auch erkennbar durch die Gründung des VEVK. Nur wer Kunden seriös und fair berät und begleitet wird dauerhaft erfolgreich sein. Das heißt: wir brauchen in der Zukunft keine Verkäufer, sondern Berater, die mit viel Empathie aus den aufgenommenen Informationen und aus ihrer Erfahrung konsequent Handlungsfelder erkennen und daraus „Rat und Empfehlung“ ableiten und somit verkaufen. Für das gehobene Privatkundengeschäft und für Firmenkunden ist das ohnehin unabdingbar.
Die Ergebnisse:
- Mitarbeiter, die motiviert und überzeugt als Berater auftreten
- höhere Verkaufserfolge; denn konsequent beraten bedeutet mehr verkaufen
- loyale und zufriedene Kunden
Nichts wäre auf Dauer teurer, als dem Berufsstand weiter Schaden zuzufügen und nichts wäre preiswerter als den Berater des Kunden aufzuwerten und ihn zu befähigen, diesem anspruchsvollen Berufsbild auch zu entsprechen. Dazu trägt sicher auch die Vergütung für Bestandssicherung und Abschlusserfolge eine wichtige Rolle. Daher brauchen wir insbesondere eine Vergütung die auch Qualität und nicht nur Menge belohnt.
Anzeige
Ein Gastbeitrag von Joachim Isernhagen