Im dreiteiligen Interview mit Versicherungsbote plädiert Gesundheitsexperte Hagen Engelhard dafür, dass Makler sich auf einen Schwerpunkt spezialisieren, statt alle Sparten aus einer Hand zu beraten. In der Krankenversicherung gehöre da auch Spezialwissen u.a. zu den Themen "Kostenerstattungsprinzip", "wahlärztliche Behandlung" und "Medikamentenversorgung". Hier finden Sie Teil 1 sowie Teil 2 des Interviews.

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VB: Das private Krankenvollgeschäft schwächelt. Können Vermittler diese Schwäche mit dem boomenden Zusatzversicherungen auffangen? Die Vergütungen sind hier niedriger.

Engelhard: Ich bin davon überzeugt, dass man allein mit Zusatzversicherungen das bei einigen verlorengegangene Vollgeschäft nicht kompensieren kann. Weil man die Anzahl der Abschlüsse doch bei den kleineren MB-Sätzen und Beitragssätzen, die da zustande kommen, sehr weit nach oben fahren müsste. Ich glaube aber, dass der schwächelnde Vollversicherungsumsatz nicht so schwächeln müsste, wie er jetzt schwächelt. Die Branche hat in den letzten Jahren den Fehler gemacht, auf das Pferd zu setzen: „Vollversicherung ist billiger als die GKV. Und je billiger, desto besser!“. Sowohl auf Vermittler- als auch Kundenseite haben sich die Versicherer damit „schwarze Schafe“ in den Vertrieb und in die Bestände geholt.

Hagen Engelhard ist Mitbegründer des Versorgungsnetzwerkes Medi-Kost-Net. Er gibt Seminare und hält Vorträge vor Ärzten, Versicherern, Pools und Gesundheitsdienstleistern. Nachdem das Dumping-Geschäft der letzten Jahr nicht mehr funktioniert, gibt man aber auf und sucht nicht nach Alternativen. Dabei haben wir in Deutschland 4 Millionen freiwillig Versicherte. Wir haben die nie angefasst, diese Leute. Diese Kunden dümpeln in irgendwelchen Firmen umher und sind nie angesprochen worden. Es gibt eine lustige Statistik, die ist nun schon ein paar Jahre alt und heute nicht mehr ganz passend. Als wir im Zuge der Hartz-Reformen die „Ego AG Gründungswelle“ hatten, waren 70 Prozent aller Ego AGs Privatpatienten, während die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen zu 70 Prozent Kassenpatienten waren…

"Ich gehe einfach mal wieder dorthin, wo die Menschen sind"

VB:...wie gewinnt man denn die neuen Kunden und wo findet man sie?

Engelhard: Die Branche hat verlernt, sich und ihre Produkte zu verkaufen. Durch das Internet ist der Kunde seit einiger Zeit immer auf uns zugekommen. Ich suche auf „versicherungbilliger.de“. Aber der Vermittler muss zum Kunden hingehen und sagen: „Ich hab eine gute Idee, du machst grade was falsch. Du bist gesetzlich versichert und das ist nicht dein Standing.“. Also muss ich als Vermittler dorthin, wo sich potentielle Neukunden aufhalten. Das beginnt zum Beispiel bei der Frage: wenn ich als Versicherungsvermittler in ein Fußballstadion gehe, geh ich dann in die Kurve zu den Fans, die für eine Eintrittskarte 10 Euro bezahlt haben, oder geh ich in die VIP-Lounge? Wenn ich Freizeitaktivitäten mache, lerne ich als einsamer Wanderer keinen kennen. Aber geht man auf eine Oldtimer-Ausstellung, laufen dort Leute rum mit hohen Einkommen. Die sind zwar oft schon betagter, aber schleppen auf ihren Veranstaltungen ihre frisch studierten Kinder mit. Bin ich als junger Vermittler bei den Wirtschaftsjunioren tätig? Es gibt der Möglichkeiten viele. Wenn ich aus einer kleineren Stadt komme, organisiere ich eine Afterwork-Party mit Honoratioren des Dorfes. Ich lade den Schlachter, den Notar, den Tankstellenwächter ein und dann unternimmt man gemeinsam etwas.

VB: ...es gibt auch Vermittler, die 80 Prozent ihres Umsatzes im Netz abholen!

Engelhard: Das ist nicht übertragbar auf die Mehrzahl der Vermittler, die trotz Facebook und Xing nur wenig Geschäft im Netz machen. Die sollten sich vielleicht tatsächlich sagen: Ich geh einfach mal wieder dorthin, wo Menschen sind. Ja, ich glaube noch an „Handmade“. Gut, das kann man jetzt auf mein Alter schieben und sagen, „der Engelhard geht ja bald in Rente“. Aber ich glaube, dass „draußen auf der Straße“ noch ungehobene Schätze liegen.

"Die Vermittler müssen Druck auf die Versicherer ausüben!"

VB: Sie betonen die Notwendigkeit von Spezialwissen, um zu PKV und GKV zu beraten. Viele Vermittler stehen aber bereits im Berufsleben. Wo und wie können sie dieses Spezialwissen erwerben, da es bei den Weiterbildungen oft eher um Tarife geht?

Engelhard: Mit der Initiative „Gut Beraten“ finden wir die ersten vernünftigen Ansätze. Auch die Krankenversicherer haben das Thema Weiterbildung aufgegriffen. Ich glaube, da bin ich als Vermittler auch in der Verpflichtung, nicht nur Punkte zu sammeln. Sondern zu schauen, was wird da angeboten? Sind die Themen für mich und meinen Bereich sinnvoll? Und natürlich sollten die Vermittler aktiv auf Bildungsdienstleister oder Maklerbetreuer zugehen, um Beratungen zu den notwendigen Themen einzufordern. Da muss ein gewisser Druck von den Vermittlern in Richtung der Gesellschaften ausgeübt werden. Ansprechpartner wären, wenn es um die gesetzliche Krankenversicherung geht, auch die Krankenkassen.

VB:...und wenn die Anbieter sagen: Wir sind für Weiterbildungen zu bestimmten Themen, etwa wenn es um Abläufe in Kliniken geht, nicht zuständig?

Engelhard: Auch da sind Vermittler nicht ohnmächtig. Wenn ich zum Beispiel einen Maklerbetreuer lange genug nerve, dann nervt der seinen Chef. Und wenn der Chef lange genug genervt ist, dann löst er das Problem irgendwann. Wir konnten dieses Thema bei der „Qualitätssteigerung PKV“ sehr wohl erkennen. Da gab es mehrere auf dem Markt, die den Vermittlern immer gesagt haben: „Wenn ihr Krankenversicherung verkauft, dann muss das und das in den AVB,s geregelt sein.“. Das hat dazu geführt, dass immer mehr Vermittler zu ihren Maklerbetreuern gegangen sind und und gesagt haben: „Wenn das nicht geändert wird, dann kann ich den Käse nicht verkaufen, dann geh ich zu einem anderen Anbieter“. Das wiederum hat dazu geführt, dass der Maklerbetreuer zu seinem Chef geht und sagt: „Hier, wir machen keinen Umsatz mehr, weil...“ . Das hat wiederum dazu geführt, dass Unternehmen ihre AVB,s verbessert haben. Der Druck zur Verbesserung kommt von unten, Revolutionen fangen immer unten an.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig