Was tun, wenn der Mix aus gesetzlicher und privater Altersvorsorge nicht wie gewünscht funktioniert? Wenn die Riester-Abschlüsse stagnieren und auch die bAV nur einen Bruchteil der Beschäftigten erreicht? Dann packen wir einfach eine dritte Säule hinzu, so dachte sich die Bundesregierung, und zauberte im Koalitionsvertrag die sogenannte „Deutschlandrente“ aus dem Hut.

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Deutschlandrente als Standardprodukt für jedermann

In den Augen der Befürworter ist die Deutschlandrente eine eierlegende Wollmilchsau, die alle Nachteile von Riester, Rürup und Co. beseitigt. Angedacht ist ein „Standardprodukt für Jedermann“, das zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet wird, so erklärten die hessischen Landesminister Tarek Al-Wazir (Grüne), Stefan Grüttner und Thomas Schäfer (beide CDU) kurz vor Weihnachten in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

So sollen die Verbraucher einerseits vor "überteuerten" Riester-Produkten geschützt werden, wo viel Geld für Verwaltung und Vertrieb verloren gehe, andererseits vor der Unübersichtlichkeit des Marktes, wo windige Vermittler mit Graumarktprodukten, Schiffs-, Schrottimmobilien- und Pleitefonds für lange Gesichter bei den Kunden sorgen. Alle zahlen einfach in einen gemeinsamen Deutschlandfonds ein, so die Idee, der Arbeitgeber führt die Beiträge direkt vom Lohn ab. Und wenn dann einer sagt, das funktioniere nicht, so etwas könne doch gar nicht gutgehen, dann wird der Zweifler auf das erfolgreiche Vorbild für dieses Modell verwiesen: So komme der norwegische Staatsfonds seit 1997 auf eine durchschnittliche Rendite von über 5 Prozent. Mit welcher Lebensversicherung lässt sich das heute noch erzielen?

Die Zustimmung im Bundestag wäre sogar mit überwältigender Mehrheit zu erreichen, denn neben den Unionsparteien und der SPD befürworten auch die Grünen die Deutschlandrente. „Es stellt sich in der Tat die wichtige Frage, ob wir nicht ein einfaches Musterprodukt für die private Vorsorge zur Verfügung stellen können“, erklärt der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß (CDU). Es gebe noch Klärungsbedarf, aber die Parteien würden das Modell begrüßen. Also kann sich der Bundesbürger bald auf seine Deutschlandrente freuen – die gesetzliche Rente, die die gesetzliche Rente ergänzt?

Anlageexperten melden Zweifel an

Je mehr die Bundesregierung die Pläne für die Deutschlandrente vorantreibt, desto lauter sind auch die kritischen Stimmen zu vernehmen. Eine dieser Stimmen gehört Manfred Laux, langjähriger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Investment- und Asset-Managementgesellschaften (BVI). Das Konzept eines Zentralfonds halte er schon im Kern für kontraproduktiv, erklärte Laux der FAZ, denn damit wären alle Beteiligten, unabhängig von ihrer persönlichen Situation, einer einheitlichen Anlagepolitik ausgesetzt. Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern werde damit „die Möglichkeit genommen, eine dem jeweiligen Alter angepasste Risikostruktur für ihr Anlagekapital zu wählen“, erklärt der Anlageexperte.

Mit anderen Worten: Wer sagt, dass jemand individuell auf dem Kapitalmarkt keine besseren Ergebnisse erzielen würde? Ist ein einheitlicher Fonds wirklich für alle Sparer gleichermaßen geeignet? Und was, wenn sich der Deutschlandfonds schlecht entwickelt, wider Erwarten doch nicht die gewünschte Rendite bringt? Immerhin ist die Möglichkeit angedacht, sich per „Opting Out“ gegen die ergänzende Vorsorge zu entscheiden. Nur wer dies ausdrücklich beantragt, kann auf die Deutschlandrente verzichten.

Milliardenschwerer Fonds weckt Begehrlichkeiten?

Einen weiteren Kritikpunkt führt Laux ins Feld: dass der Deutschlandfonds von der deutschen Rentenversicherung verwaltet werden soll. Das könnte bei der Politik Begehrlichkeiten wecken, wenn die Kassen mal wieder leer sind und so manches Finanzierungsloch gestopft werden muss. „Die Gefahr des staatlichen Missbrauchs des von breiten Bevölkerungsgruppen eingezahlten Kapitals ist nicht von der Hand zu weisen – wie die fortdauernde Nutzung der Sozialkassen für versicherungsfremde Leistungen deutlich werden lässt“, warnt der Ökonom im Gespräch mit der FAZ.

Manfred Laux ist freilich nicht ganz ohne Eigeninteresse, er vertritt die Interessen der Fondsbranche. Wenn der Staat nun zusätzliches Kapital abzwackt, das dem Markt der privaten Altersvorsorge dann verloren geht, kann das der deutschen Investmentindustrie nicht egal sein. Aber auch CDU-Rentenexperte Weiß warnt vor einem möglichen Missbrauch der angesparten Gelder. Ähnlich wie Laux fordert er, sich zunächst auf die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge zu konzentrieren - „Wenn wir das noch in dieser Legislaturperiode ordentlich hinbekommen, ist zumindest ein wichtiger Schritt getan“, sagte Weiß der FAZ.

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"Eine marktferne und gemeinwohlorientierte Altersvorsorge ist gut"

Doch auch die Befürworter widmen ihre Chance. Katja Mast von der SPD erklärt: "Der Kern, eine marktferne und gemeinwohlorientierte Anlagemöglichkeit zu schaffen, ist gut". Und der Bundesvorstand der Grünen will für das kommende Jahr ein eigenes Modell vorbereiten. Im Jahr 2017 ist schließlich Bundestagswahl - und wer sagt, dass es dann keine schwarz-grüne Regierung geben könnte? Die Versicherungswirtschaft wird derartige Aussichten mit Sorge wahrnehmen.

FAZ Online