Deutschlandrente – Fonds für Jedermann?

Was ist passiert? Einen Tag vor Weihnachten präsentierten die hessischen Landesminister Tarek Al-Wazir (Grüne), Stefan Grüttner und Thomas Schäfer (beide CDU) in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihre Idee einer „Deutschlandrente“. Das Konzept sieht vor, eine sogenannte „Standardrente für jedermann“ zu schaffen, die zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Fonds der Rentenversicherung verwaltet wird. Und diese Deutschlandrente soll die bisherigen Säulen der Altersvorsorge um eine weitere kapitalgedeckte ergänzen. Die Deutschlandrente verstehen die Verfasser auch als Antwort auf die Schwächen des umlagefinanzierten Systems, bei dem die Beiträge der Versicherten gleich wieder ausgegeben werden. Denn in einer alternden Gesellschaft wie in Deutschland stehen einer abnehmenden Zahl an Beitragszahlern eine zunehmende Zahl an Leistungsempfängern entgegen: dadurch geraten die Rentenkassen unter Druck.

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Und so funktioniert das neue Modell: In der Deutschlandrente soll der Arbeitgeber -zusätzlich zum Pflichtbeitrag- einen Teil des Lohnes aller Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Mit den Geldern der Mitarbeiter wird ein Kapitalstock für die Altersvorsorge aufbaut. Man könnte auch von einer „gesetzlichen Betriebsrente“ sprechen. Weil die Deutschlandrente bei der Rentenversicherung angesiedelt ist, versprechen die hessischen Minister, sie sei billiger als die umstrittenen Riester-Produkte, weil hier keine hohen Kosten für den Vertrieb anfallen. Auch sollen die Bundesbürger davon abgehalten werden, ihre Geld in Graumarktprodukte zu stecken, staatlich nicht kontrollierte Geldanlagen wie etwa Schiffsfonds oder stille Beteiligungen, von denen sich einige in jüngster Zeit als Geldvernichtungsmaschine entpuppten.

Vorbild: Norwegischer Staatsfonds

Aber kann ein solcher Staatsfonds funktionieren? Ein Fonds also, der von einer öffentlichen Körperschaft verwaltet wird und Beitragszahlungen beinahe aller Beschäftigten sammelt? Ja, es gibt positive Beispiele – etwa der norwegische Pensionsfonds Oljefondet, der zwischen 1998 und 2012 eine jährliche Rendite von durchschnittlich 3,14 Prozent abwarf. Es gibt Kapital-Anlagen, mit denen man mehr Rendite erwirtschaften kann, doch der norwegische Fonds hat sich auch hohen sozialen Standards verpflichtet. Das Aufsicht führende Finanzministerium verbietet etwa Investments in Firmen, die Nuklearwaffen, Landminen oder Streubomben produzieren. Unternehmen, die schwere Umweltschäden verursachen oder Menschenrechte verletzen, können nicht auf Geld aus dem Fonds hoffen. Auch mit Lebensmitteln wird nicht spekuliert. So mancher Riester-Anbieter zeigt sich da weniger wählerisch, weil immer wieder Kritik an den Versicherern laut wurde, sie würden ihr Geld etwa in Rüstungsfonds stecken.

Seit 1967 wird Norwegens Staatsfonds betrieben, im Jahr 2012 verwaltete er laut dem österreichischen „Wirtschaftsblatt“ eine stolze Summe von 833 Milliarden Dollar. Damit besitzt das Land der Fjorde, das mit 5 Millionen Einwohnern weniger Menschen beherbergt als der Großraum Berlin-Brandenburg, den größten staatlichen Fonds der Welt. Ein Reichtum, der freilich aus den Ölquellen des Landes genährt wird. Zudem leidet der Staatsfonds unter dem aktuellen Niedrigzins wie andere Finanzmarkt-Akteure auch. Im Sommerquartal 2015 musste eine Wertminderung bei den Anlagen von 32 Mrd. Dollar verkraftet werden. Karsten Kallevig, seit dem 1. Januar 2016 Generaldirektor bei der norwegischen Zentralbank, klagte jüngst, dass er nicht genug geeignete Geldanlagen für seine Milliarden finde.

Private Versicherungen sind außen vor

Schaut man sich das Modell der Deutschlandrente genauer an, werden auch die Schwachstellen sichtbar. Weil der Fonds bei der Deutschen Rentenversicherung angelegt werden soll, ist er vor dem Zugriff des Staates nicht sicher. Ein weiterer milliardenschwerer Geldtopf könnte bei der Politik Begehrlichkeiten wecken – immer dann, wenn die Staatskassen leer sind und irgendein Haushaltsloch gestopft werden muss. „Die Gefahr des staatlichen Missbrauchs des von breiten Bevölkerungsgruppen eingezahlten Kapitals ist nicht von der Hand zu weisen – wie die fortdauernde Nutzung der Sozialkassen für versicherungsfremde Leistungen deutlich werden lässt“, warnt der Ökonom Manfred Laux, ein Lobbyist der Finanzbranche, in der FAZ. Deshalb bräuchte der Deutschlandfonds strengste Regeln, die den Zugriff des Staates verhindern.

Die Deutschlandrente könnte sogar einen Verstoß gegen das Europarecht bedeuten. Gemäß EU-Vertrag müssen die Mitgliedstaaten „alle Maßnahmen unterlassen, (…) die freien und unverfälschten Wettbewerb gefährden.“. De facto nämlich würde mit einem Staatsfonds ein Monopol geschaffen und die Privatversicherer vom Wettbewerb in der Betriebsrente ausgeschlossen. Wer will noch eine Lebensversicherung zeichnen, wenn Teile des Lohnes automatisch in einen Kapitalstock fließen? Zwar ist es den Sparern gemäß dem hessischen Modell möglich, sich per „Opt out“ gegen die Deutschlandrente zu entscheiden – doch es wird auch über eine verpflichtende Beteiligung diskutiert.

Versorgungswerke vs. Deutschlandfonds

Doch was ist überhaupt neu an der „Deutschlandrente“? Auch Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat bereits eine staatliche Betriebsrente in die Diskussion eingebracht. Ein Vergleich zeigt aber deutliche Unterschiede zwischen beiden Modellen.

Andrea Nahles will Pensionskassen und -fonds zwischen den Tarifpartnern aushandeln lassen und bei Versorgungswerken ansiedeln. Das gibt auch den Arbeitnehmern und Gewerkschaften als klassischer SPD-Wählerklientel Verhandlungsmacht darüber, wie diese Fonds ausgestaltet sein sollen. Das Ministerium von Nahles schlägt vor, das Betriebsrenten-Gesetz um einen neuen § 17 zu erweitern, der neuartige Versorgungswerke zwischen den Tarifparteien ermöglichen soll. Es würde ein Flickenteppich verschiedener Einrichtungen entstehen, abhängig nach Branchen: etwa ein Versorgungswerk für Chemiearbeiter und eines für die Metallindustrie.

Entgegen dem Nahles-Modell sieht die jetzt vorgeschlagene „Deutschlandrente“ einen großen staatlichen Topf vor, der auch zentral verwaltet würde. Die Tarifparteien blieben hier außen vor und hätten kaum Einfluss darauf, wie das Geld angelegt wird. Das könnte einerseits die Verwaltung des Fonds vereinfachen, andererseits ihn auch unflexibler und schwerfälliger machen. Ein mögliches Vorbild könnte auch hier Norwegen sein: der Chef des norwegischen Staatsfonds ist bei der Zentralbank angestellt und durch das Parlament kontrolliert.

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Der politische Wille für einen gesetzlichen Kapitalstock, der das Umlagesystem der gesetzlichen Rente ergänzt, ist jedenfalls da. Politiker aus den Unionsparteien, der SPD und von den Grünen sprechen sich dafür aus. "Der Kern, eine marktferne und gemeinwohlorientierte Anlagemöglichkeit zu schaffen, ist gut", erklärte Sozialexpertin Katja Mast von der SPD. Die Pläne sowohl für die Nahles-, als auch Deutschlandrente resultieren auch aus der Unzufriedenheit der Bürger über ihre private Altersvorsorge – etwa die fehlende Transparenz bei Riester-, Rürup- und Lebensversicherungen. Die Branche täte gut daran, selbst Korrekturen einzuleiten.

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