Dashcams sollen Schadenregulierung in Kfz-Versicherung vereinfachen
Die Kfz-Versicherer fordern den Einsatz von Dashcams, damit sie schneller feststellen können, wer wieviel Schuld an einem Unfall trägt. Das würde bedeuten, jedes Auto wird mit einer kleinen Videokamera an der Windschutzscheibe ausgestattet, um das Verkehrsgeschehen bei einer Fahrt mitzuschneiden. Bei Datenschützern dürfte der Vorstoß für einen Aufschrei sorgen.
Gib mir dein Videomaterial, und ich sag dir, wer Schuld ist am Unfall? So lässt sich ein aktueller Vorstoß der Autoversicherer beschreiben, der bei Datenschützern für blankes Entsetzen sorgen dürfte. Sogenannte Dashcams, kleine Videokameras, die hinter der Windschutzscheibe platziert werden, sollen genutzt werden, um im Falle eines Unfalls schneller klären zu können, wer die Schuld trägt. Ein entsprechendes Statement hat am Freitag der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) anlässlich des Verkehrsgerichtstages 2016 veröffentlicht.
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“Dashcams könnten diverse Gutachten überflüssig machen“
Die Vorteile für die Versicherungswirtschaft liegen auf der Hand. „Dashcams liefern objektive und leicht auszuwertende Informationen und könnten diverse unfallanalytische Gutachten überflüssig machen“, sagt Uwe Cremerius, Leiter der Kommission Kraftfahrt Schaden im GDV. Jedes Gutachten, das wegfällt, bedeutet in einem hart umkämpften Markt eine Kostenersparnis. Und auch für den Kunden soll es einen Vorteil geben: Die Schadenregulierung würde sich deutlich beschleunigen.
Einsparnisse bei der Schadenregulierung würden den Druck auf die Prämien senken. Zwar liefern sich die Autoversicherer nicht so einen erbitterten Preiskampf wie in früheren Jahren, als man in der Branche hohe Verluste in Kauf nahm, um Neukunden zu werben. Noch 2012 musste die Autoversicherungssparte einen versicherungstechnischen Verlust von 600 Millionen Euro hinnehmen, wie aus Zahlen des Versicherungsdachverbandes hervorgeht. Infolge dessen haben viele Versicherer in den letzten Jahren ihre Prämien schrittweise wieder angehoben. 2015 betrug die durchschnittliche Kfz-Haftpflichtprämie 248 Euro und damit 3 Euro mehr als noch im Vorjahr.
Aber schon beobachten Branchenexperten wieder eine Trendumkehr, beobachten Dumpingprämien und Billigangebote. Angeheizt wird der Preiskampf durch Online-Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox, die vor allem mit Prämienersparnissen werben. Dass damit ein Verzicht auf Leistungen einhergehen kann, auch zum Nachteil des Kunden, wird in den Fernsehclips der Vergleichsportale nicht thematisiert.
Den Versicherern drohen weitere Einbußen. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG könnte der Kfz-Umsatz in den kommenden 15 Jahren um weitere 15 Prozent einbrechen. Ursache hierfür ist paradoxerweise ein positiver Anlass: Durch technische Neuerungen sinkt die Unfallhäufigkeit der Autos und damit sinken auch die zu erlösenden Prämien. Außerdem sollen infolge des Carsharing-Booms 4,5 Millionen Autos von deutschen Straßen verschwinden. Beim Carsharing teilen sich nicht nur mehrere Menschen ein Auto, sondern auch die allfällige Autoversicherung.
Datenschützer beobachten Dashcam-Trend mit Sorge
Wer für den breiten Einsatz von Dashcams wirbt, der stößt in Deutschland auf harten Widerstand von Datenschützern. Nicht ohne Grund, erlauben die kleinen Kameras doch hochwertige Aufnahmen – Bildmaterial, das auch den Weg in die sozialen Netze finden kann. Wer garantiert, dass der gefilmte Unfall nicht seinen Weg zu Youtube findet, wo sich tausende Nutzer über das Fehlverhalten eines Autofahrers lustig machen? Und wie weit darf die Nutzung des Videomaterials gehen?
Nach Einschätzung von Uwe Lenhart, Spezialist für Verkehrsrecht und Kolumnist der FAZ, bedeutet bereits „die wahllose Nutzung einer Videokamera im fließenden oder ruhenden Straßenverkehr zur Sicherung von Eigentumsrechten" einen Verstoß gegen das im Grundgesetz garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
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Eine klare rechtliche Regelung zur Verwendung von Dashcam-Aufnahmen fehlt in Deutschland, wie der GDV kritisiert. Die Kameras seien zwar nicht verboten. Aber erlaubt sei nur, die Kamera unmittelbar vor oder während einer Gefahrensituation einzuschalten. „Das ist völlig unrealistisch“, kritisiert Cremerius. „In einer Gefahrensituation versuchen die Fahrer, den Unfall zu verhindern und werden kaum daran denken, die Dashcam einzuschalten.“ Er schlägt als Kompromiss vor, solche Kameras zuzulassen, die eine Fahrt lediglich für einen kurzen Zeitraum aufzeichnen und ältere Aufnahmen kontinuierlich löschen. Dennoch: In Verbindung mit Telematik-Technik, die theoretisch eine Rundum-Überwachung des Autofahrers erlaubt, könnte die Angst vor dem "Spion im Auto" Realität werden.