Wenn die BU nicht funktioniert, ist das ein Problem mit weitreichenden Folgen. Denn das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beruf, das immerhin jeden vierten Bundesbürger betrifft, geht mit einem hohen Armutsrisiko einher. Doch der Status Quo sei unbefriedigend, das System der Absicherung gar gescheitert, kritisieren die Grünen. Was von privaten Versicherern angeboten wird, verliert durch "undurchsichtiger Klauseln" im Ernstfall seine Verbindlichkeit und damit seinen Nutzen.

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BU ohne gesetzliche Standards

"Wir brauchen dringend gesetzliche Standards für die Berufsunfähigkeitsversicherung, die den juristischen Scharmützeln der Versicherer ein Ende setzen. Sonst ziehen die Kunden immer den Kürzeren", äußerte sich Gerhard Schick als finanzpolitischer Sprecher der Grünen, gegenüber der "Welt am Sonntag". Die Versicherer benützten die "undurchsichtigen Klauseln im Kleingedruckten, um Zahlungen zu vermeiden", sagte Schick weiter, so war jüngst auf Welt Online zu lesen.

Weitere gravierende Mängel des jetzigen Systems weiß auch Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu benennen: "Die derzeitige staatliche Absicherung ist vielfach nicht ausreichend. In der Schweiz etwa zahlen auch Selbstständige in die Rentenversicherungssysteme ein, wodurch der Schutz auch bei Invalidität umfassender ist."

Großteil der Deutschen ohne Absicherung

Aktuell haben viele Bundesbürger keinen Versicherungsschutz, denn 42 Millionen Erwerbstätigen stehen laut GDV rund 17 Millionen BU-Verträge gegenüber. Das viele Bundesbürger im Ergebnis ohne Absicherung dastehen, findet Grieble "höchst fragwürdig".

Ein weiteres Problem: In vielen Verträgen ist die vereinbarte BU-Rente so niedrig, dass sie den Betroffenen im Ernstfall kein auskömmliches Leben sichert. Zum Jahresbeginn 2015 ergab eine Stichprobe der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen unter 326 Verträgen, dass die versicherte Monatsrente im Schnitt nur 400 Euro betrug (Versicherungsbote berichtete). Damit bleibt die Summe weit unter der staatlichen Grundsicherung in Höhe von rund 700 Euro. Eine Berufsunfähigkeitsrente wird aber auf die Grundsicherung angerechnet: Wer keine höhere Summe vereinbart, dem bleibt folglich nichts.

Wie bekannt ist, war die Frage nach der Erwerbsunfähigkeit und ihrer Absicherung bis vor 15 Jahren über das gesetzlichen Sozialversicherungssystem abgesichert. Nun müssen Erwerbstätige privat vorsorgen: das gilt für alle, die nach dem 1. Januar 1961 auf die Welt kamen. Wer krank wird oder sich so schwer verletzt, dass er für seine Arbeit nichts mehr taugt, braucht also eine Versicherung – die was taugt.

Private Anbieter nehmen nicht jeden

Doch werden nicht wenige Verbraucher von den privaten Anbietern zurückgewiesen, gerade wenn sie in Risikoberufen (mit hoher Unfallfrequenz oder überproportionalem körperlichem Verschleiß) beschäftigt sind – Arbeitsplätzen also, wo BU-Versicherungen den meisten Sinn machen und die höchste Notwendigkeit besitzen. Ein BU Schutz wird hier also zu oft von vornherein verwehrt. Aber auch extrem teure Policen für derartige Risiko-Gruppen, die selten zu den Top-Verdienern zählen, heißen nicht anderes, als: sorry, nicht bei uns.

"Ein bezahlbarer Schutz wird gerade denjenigen verweigert, die dringend auf ihn angewiesen sind. Wir müssen sicherstellen, dass jeder Zugang zu einer bezahlbaren Berufsunfähigkeit hat", formuliert Schick deshalb seine Forderung. In seinen Augen ist die private Berufsunfähigkeitsversicherung gescheitert.

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Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wehrt sich gegen das Image der BU-Versicherer als Neinsager. Im Januar veröffentlichte der Verband Zahlen, wonach 94 Prozent aller Antragsteller auch von der Versicherung ein Angebot erhalten. Auch dauere es in der Regel nur 13 Tage für eine Leistungsentscheidung, wenn beim Versicherten eine dauerhafte Erkrankung festgestellt werde. Doch diese Zahlen sind selbst in der Branche höchst umstritten. So präsentierte das auf BU spezialisierte Analysehaus Franke & Bornberg Zahlen, die weit weniger optimistisch stimmen.

welt.de