Es rumort in der Branche. Am Donnerstag vor einer Woche veröffentlichte Helge Lach, Vorstand der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) einen vielbeachteten Blogeintrag, in dem er App-Anbieter wie Knip und Clark scharf angriff. Diese würden nicht nur den Kunden eine Maklervollmacht abtrotzen, teils ohne deren Wissen, sondern gar zum Nachteil der Verbraucher handeln. „Ahnt der Kunde im Einzelfall, dass ihm zum Beispiel bei der Umdeckung einer Kranken- oder Lebensversicherung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen kann? Wurde er darauf vom App-Betreiber aufmerksam gemacht?“. Wer sich auf die neuen Wettbewerber einlasse, „setzt sich dem Risiko aus, durch die Maklervollmacht bei der Versicherung elementarer Lebensrisiken im digitalen Blindflug unterwegs zu sein“, wetterte der Vorstand.

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Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Liebe DVAG, Ihr seid der Grund, warum es uns überhaupt gibt!“, konterte Knip-Chef Dennis Just in einem offenen Brief. Versicherungsvermittler seien die unbeliebteste Berufsgruppe in Deutschland, was auch seine Ursache in Strukturvertrieben habe, die Kunden unter hohem Verkaufsdruck unpassende Policen aufschwatzen würden. Das Handelsblatt schrieb daraufhin, „in der Versicherungsbranche fliegen die Fetzen zwischen „old“ und „new economy“. Doch Unterstützung erhielt die „alte“ DVAG von unerwarteter Seite. Dominik Groenen, selbst FinTech-Unternehmer, hielt dem Knip-Gründer eine Studie des Analysehauses Innovalue aus Hamburg entgegen, wonach 74 Prozent der App-Nutzer von Clark, GetSafe und Knip unzufrieden seien. Die Gründe: fehlende Beratung, fehlende Transparenz sowie datenschutzrechtliche Fragen.

Munich Re sieht in FinTechs wichtige Kooperationspartner

Es steckt also viel Gift in der aktuellen Debatte, die teils die Sachebene verlässt und persönlich wird, viel Zähnefletschen und Waffenrasseln. Da sind Stimmen, die eine sachliche und nüchterne Diagnose wagen, sehr willkommen. Eine solche Stimme ist Harald Rosenberger, beim Rückversicherer Munich Re für weltweite Innovationen zuständig. Im Interview mit dem Fachmagazin Versicherungswirtschaft heute äußerte er sich anlässlich der Konferenz Digisurance in München, die am Freitag ihre Tore öffnet, wie der Rückversicherer die neuen Marktteilnehmer betrachtet. Zwar geht er hierbei nicht explizit auf den Streit ein - seine Anmerkungen sind aber aufschlussreich.

„Die Unternehmen von Munich Re suchen aktiv Kontakt zu innovativen Unternehmen, auch außerhalb der eigenen Branche“, sagt Rosenberger. „So ist Munich Re in Innovationszentren weltweit vertreten, um zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Start-ups oder Hochschulen Impulse für Innovationen zu erhalten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.“ Nicht nur im Silicon Valley sei man aktiv, sondern auch in Metropolen wie London, Tel Aviv, Madrid oder Peking. Auch habe die Tochter Ergo in Berlin ein Digital-Lab eingerichtet, in dem neue digitale Anwendungen für Kunden entwickelt werden.

Munich Re nimmt folglich FinTechs eher als Kooperationspartner wahr denn als Gegner – und treibt eigene Forschungen in seinen Zukunftslabors voran. Als weitere Bausteine für die digitale Zukunft nennt Rosenberger das Startup-Förderprogramm „Plug and play“, das der Versicherer gemeinsam mit seinem Tochterunternehmen Hartford Steam Boller (HSB) finanziert. Auch eine Kooperation mit der technischen Universität München sowie Roadshows wie „Between the Towers on Tour“ geben den neuen potentiellen Marktteilnehmern eine Bühne.

Sich verändernde Produktlandschaft

Diese Kooperationen sind nach Einschätzung von Rosenberger nützlich, da die „Risikolandschaft von Versicherungskunden“ sich rapide ändere. Von der Digitalisierung seien nicht nur Produktionsprozesse betroffen, sondern auch Verkehr und Logistik. Der Experte erklärt: „Ein bedeutendes Wachstumsfeld sind z. B. Cyber-Versicherungen. “Smart Homes” und “Industrie 4.0″ sind Schlagworte für einen immer stärker vernetzten Alltag und eine immer stärker vernetzte Wirtschaft. Hier entstehen neue Risiken.“

Die sogenannte Smart-Home-Technik bietet zum Beispiel für die Hausrat- und Wohngebäudeversicherung große Chancen. Mittels Sensortechnik sollen Kunden künftig das eigene Heim überwachen und mit dem Smartphone aus der Ferne steuern können. Im Falle eines Defektes – etwa eines Wasserrohrbruchs – alarmieren die Sensoren nicht nur automatisch den Anwender über dessen Smartphone, sondern auf Wunsch auch eine Notfall-Helpline. Neue Risiken sind aber ebenso gegeben: Etwa, dass die Technik gehackt und fremdgesteuert wird (siehe Video).

Harald Rosenberger selbst leitet bei Munich Re ein ganzes Team, das sich ausschließlich Innovationen im IT-Bereich widmet. Ein weiteres Beispiel: Die Kooperation des Versicherers mit Metabiota aus San Francisco, einem Unternehmen, das Techniken zur Risikoanalyse von Epidemien erprobt. In Echtzeit wird die Ausbreitung und Gefahrenlage analysiert und beobachtet.

Erlaubt das Interview ein Fazit? Vielleicht dieses: Anders als im ungebundenen Vertrieb, wo das Aufkommen von FinTechs in Deutschland eine recht junge Entwicklung ist, arbeiten die großen Versicherer schon lange mit jungen Unternehmen und Startups aus der Technik- und IT-Branche zusammen. Sie pumpen ihr Geld in die Unternehmen und kaufen sich ein, betreiben auch eigene Zukunftslabors. Ähnliche Kooperationen sind auch von anderen Marktgrößen, etwa der Allianz, bekannt.

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Rosenberger will in den FinTechs folglich eher die Chancen als die Gefahren sehen. "Ich hoffe vor allen Dingen auf einen engen Austausch zwischen Versicherungsunternehmen und neuen Spielern. Wir möchten unsere Kunden mit neuen Unternehmen zusammenbringen, da wir davon überzeugt sind, dass der Versicherungsbranche diese neuen Spieler helfen, ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln." Die Branche könne von Start-ups lernen, ebenso wie andersherum.

Versicherungswirtschaft Heute