Alles fing damit an, dass Hegelich zusammen mit seinen Kollegen den Hashtag #Ukraine am Tag des Umsturzes untersucht hat. Hier wurden 24 Stunden lang alle Tweets gesammelt und dann nachträglich ausgewertet. Dabei sei ihnen aufgefallen, dass einige dieser Meldungen offenbar nicht von echten Menschen, sondern von sogenannten Social Bots geschrieben worden sind. Die Gefahr liegt hierbei darin, dass diese aussehen wie echte User und das Verhalten von solchen versuchen zu kopieren. Damit sei die oft getroffene Behauptung, Twitter würde die öffentliche Meinung widerspiegeln, analytisch sehr gefährlich.

Anzeige

Hegelich und sein Forschungsteam haben inzwischen mehrere tausend dieser Bots identifiziert. Jetzt wollen sie herausfinden, wem diese Bots z.B. auf Twitter folgen und umgedreht. Was bereits herausgefunden wurde, ist, dass die Bots Persönlichkeiten wie beispielsweise dem Boxer Wladimir Klitschko folgen oder nationalistischen russischen Bloggern.

Von Trollen, Social Bots und DOS-Attacken

„Die reale Meinung verkommt in der virtuellen Welt zum Schatten ihrer selbst,“ so brachte es eine ZDF-Dokumentation auf den Punkt. Ein Social-Media oder Marketing-Manager einer Versicherungsgesellschaft kann nicht so viel erreichen wie die sogenannten Trolle, hinter denen oft ein Mensch mit viel Zeit und technischer Affinität steckt. Trolle, so Hegelich, sind Menschen, die aus böswilliger Absicht heraus in den sozialen Medien gezielt Kommentare senden, welche Manipulation zur Absicht haben. So können sie beispielsweise ein ganzes Forum lahm legen, weil sie dort nur herumpöbeln oder versuchen, Diskussionen in eine ganz andere Richtung zu lenken beziehungsweise zu sabotieren.

Noch gefährlicher wird es allerdings durch Social Bots in Social-Media-Kanälen. Das sind Fake User, die vorgeben, echte Menschen zu sein, aber durch eine Software gesteuert werden. Mit einem Computer automatisiert, kann diese Software nicht nur einen Account steuern, sondern theoretisch auch eine Million Accounts und mehr. Das birgt ein großes Gefahrenpotential, für die Versicherungswirtschaft wie auch für jeden anderen Industriezweig. Könnten sogar Mitbewerber auf die Idee kommen, sich Attacken gegen einen Konkurrenten anzuschließen?

Für Schlagzeilen sorgen auch regelmäßig DOS- beziehungsweise Denial-of-Service-Attacken. Das ist ein Angriff auf ein Computersystem oder einen Server. Indem so viele Anfragen an das System gestellt werden, kann es letztlich zusammenbrechen. Das ist paradox. Firmen geben auf der einen Seite viel Geld dafür aus, sich in den sozialen Medien zu präsentieren. Social Bots können auf der anderen Seite aber Auswertungen davon und Click Counts sehr einfach manipulieren. Aktuell können mit sehr, sehr wenigen Ressourcen große Image-Schäden produziert werden.

Big Data in Sozialen Netzwerken

Der Versicherungsnehmer als ein spezieller Konsument hat angefangen, wie Konsumenten anderer Branchen auch, seine Entscheidungen über ein Produkt von sozialen Netzwerken abhängig zu machen. Dazu kommen die Datenmengen (Big Data). Diese machen es schwierig, dass eine Versicherungsgesellschaft alle Posts lesen oder Kommentare beurteilen kann. Umso mehr will man aktuell mit den Big-Data-Methoden Trends erfassen. Bei Twitter will man zum Beispiel wissen, was trendige Hashtags sind. Die am meisten verwendeten Hashtags werden ausgewertet. Tatsächlich läuft das echte Leben dann aber doch nicht parallel zu dem digitalen Leben.

Heute könne man davon ausgehen, dass es einen Übergang zwischen Social Media und echten Cyber-Angriffen gibt, denn Informationen dafür, sucht man zuerst in den sozialen Netzwerken.

Wer steckt dahinter?

Wer dahinter steckt, das heißt wer die Absicht hat, einem Unternehmen, einer Person bzw. Personengruppe zu schaden, könne oft nicht gesagt werden, denn die Urheber sind schwer zurückzuverfolgen. Im jüngsten Fall von Hacker-Angriffen auf Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen könnte es um den Diebstahl sensibler Patientendaten gehen. Im Eingangsfall, Ukraine, spreche einiges dafür, dass es russische Ultra-Nationalisten sind, also der sogenannte rechte Sektor, der diese Bots nutzt, philosophiert Herr Hegelich.

Hegelich selbst hat einen Twitter-Bot programmiert, der Tweets an Leute schickt, die selbst an @ERGODeutschland, @AOK_Politik und @GenerliVers getweetet haben. Diese Tweets sind definitiv auch in alle Statistiken eingegangen. Damit seien Analysen per se schon einmal manipuliert. Doch was bedeuten diese "Möglichkeiten" für die Zukunft?

Bots können den Wettbewerb verzerren

Es kann ein wirtschaftliches Spiel mit dem Feuer bedeuten. Firmen können erpresst werden, Bots können den Wettbewerb verzerren und auch die Werbebudget für Social Media kaputt machen. Es kann derzeit schon davon ausgegangen werden, dass Börsenkurse mittels Bots manipuliert worden sind. Nachrichten auf Twitter zu Börsenthemen können Kurssprünge zur Folge haben. Eine Studie der Sicherheitsfirma "white ops" aus dem Jahr 2015 besagt sogar, dass durch Klicks der Bots auf Social-Media-Anzeigen bereits etwa 7,3 Milliarden Dollar Schaden entstanden sind. Solche Zahlen seien aber mit Vorsicht zu genießen, da man zunächst erst einmal alle Bots auffinden müsste, erklärt Dr. Hegelich dazu.

Anzeige

Die Aufgabe, die sich Dr. Hegelich gestellt hat, ist es herauszufinden, ob diese Bots auf die "echte Welt" Einfluss haben. Für die nahe Zukunft findet er den Ansatz gut, Bots zuzulassen, diese aber als solche zu kennzeichnen.