Die Vorgeschichte: Ein attraktiver Maklerbestand soll verkauft werden. Das Unternehmen ist transparent und seriös geführt, Innenstadtlage und hoher Kundenbestand versprechen auch für den Nachfolger ein attraktives Geschäft. Peter Schmidt moderiert den Verkauf. Drei Kandidaten springen wieder ab, obwohl die Verhandlungen bereits weit fortgeschritten waren. Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahr ins Land gegangen. Die Makler, die ihr Firma verkaufen wollten, wirkten nicht genervt oder gestresst: Sie wollen verkaufen, aber müssen nicht.

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8 Monate nach dem Beginn der Verhandlungen

Der potentielle Kaufinteressent Nummer 4 wird ins Rennen gebracht. Hier waren die formellen finanziellen Grundlagen für einen Kauf von Beginn klar. Allerdings war er von den Verkäufern und mir auf Priorität 4 gesetzt worden, da sein Profil nicht 100%ig mit dem Wunschprofil der Verkäufer für einen Nachfolger identisch war.

In den folgenden Wochen ging es zunächst zwischen Kandidat 4 und mir per Telefon und Mail hin und her. Diskussionsgrund war die Vermittlungsvereinbarung: Allerlei juristisches Kleinlein zeigte, dass Kandidat 4 im Risikomanagement seine Stärken hatte. Aber diese „Problemchen“ waren lösbar. Es konnte mit den Verhandlungen losgehen.

Ein erstes Treffen zwischen Kaufinteressent Nummer 4 und den Verkäufern wurde anberaumt. Auch in diesem Gespräch kam man schnell auf Gemeinsamkeiten zu sprechen. Doch bei den Höflichkeiten blieb es nicht. Bereits zum ersten Termin wurde eine Absichtserklärung unterschrieben und eine strukturierte Due Diligence eingeleitet.

Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Die Verkäufer konnten schnell die gewünschten Daten liefern. Inzwischen hatte man Übung darin. Der Prüfprozess begann. Kandidat 4 ging schnell ans Eingemachte. Es wurden auf Grundlage anonymisierter Daten Kundenwerte und ein mögliche Business-Cases erstellt. Im Ergebnis wurde ein Kaufpreis angeboten. Der angebotene Kaufpreis unterschritt den erwarteten Kaufpreis erheblich.

Enttäuschung bei den Verkäufern über das Kaufangebot. Doch nach der Enttäuschung rückte der Inhalt der Wert-Expertise in mehrfacher Hinsicht wieder in den Mittelpunkt der Verhandlungen. Zahlreiche Telefonate mit dem Kaufinteressenten folgten.

Aus der Expertise war erkennbar, dass nicht nur die Bestandseinnahmen zur Preisfindung herangezogen werden sollten. Auch die Kundenpotentiale und das Neugeschäft sollten einbezogen werden, wenn über eine Refinanzierung des Kaufes aus Renditebetrachtungen nachgedacht wird.

Bei Kandidat 4 begann ein Umdenkprozess. Förderlich waren Hinweise zum Potential des zu erwerbenden Kundenbestandes für die Vertriebsmitarbeiter des Käufers. Es wurde ein neuer Business Case bei den Kaufinteressenten aufgesetzt. Die Refinanzierung des Kaufpreises wurde inklusive der zu erwartenden Bestandentwicklung neu bewertet und die Strategie zur Einbindung des neuen Bestandes konkretisiert.

Sommerpause. Verhandlungspause. Aber im Hintergrund wurde bei Kandidat 4 weiter gerechnet und auch die Verkäufer weitere Daten.

Kommt es nach zwölf Monaten zum Kauf?

Nach weiteren zwei Monaten wurde ein neues und verbessertes Angebot unterbreitet. Der neue Vorschlag war ein Mix aus einer höheren Sofortzahlung und fest definierten Raten nach dem Kauf. Ein Angebot, welches zwar unter den Erwartung der Verkäufer lag, aber in der Nähe der Wertermittlung (!). Eine Einigung wurde greifbar.

Inzwischen hatten sich die Verhandlungspartner nach mehreren Treffen und weiteren Wochen, die auf Grund des operativen Geschäftes auf beiden Seiten ins Land gingen, auf den Kaufpreis geeinigt. Ich war im Hintergrund mit beiden Seiten in Kontakt und moderierte und argumentierte. Ziel: Einigung zwischen beiden Seiten.

Für den erhöhten Kaufpreis wurden von Seiten der Käufer stärkere Erwartungen an die Mitwirkung der Verkäufer in den kommenden Jahren bei der Kundenbindung, dem Bestandserhalt und für eine Fortsetzung der aktiven Vermittlungstätigkeit konkretisiert. Aber dies war eher kein Problem, den inzwischen hatten sich die Verkäufer - entgegen dem ursprünglichen Plan - entschlossen, sich doch nicht komplett aufs „Altenteil“ zurückzuziehen.

Nun suchte sich jede Seite einen Anwalt des Vertrauens. Weitere Kalenderblätter fielen. Dennoch rückte nun die Erstellung des Kaufvertrages rückte auf die Tagesordnung. Das Klischee von 2 Anwälte und 3 Meinungen sollte sich bewahrheiten. Mehrere Anwälte können eine Einigung gefährden und die Situation mit zusätzlichen Konfliktfeldern bereichern.

Nach 15 Monaten

Nach nunmehr 15 Monaten lag dann doch ein gemeinsamer Kaufvertrag vor. Dieser strotzte nur so von farbigen Kommentaren von den Anwälten beider Seiten. Die sich dahinter verbergenden Detailforderungen wurden inzwischen so kontrovers diskutiert, dass echte Härten ins Spiel kamen. Die emotionale Verärgerung bei den Verkäufern war unübersehbar. Inzwischen bereuten diese, dass sie nicht meinem Rat für einen gemeinsamen Anwalt gefolgt waren. Die Kaufinteressenten wurden auch ungeduldig. Ultimative Forderungen beider Seiten waren die Folge.

Nach fast 17 Monaten wurden meine Moderationskünste nochmals stark gefordert. Der Abbruch der Verhandlungen drohte von beiden Seiten. Dabei war man schon so weit! Mit Geduld, Ruhe und Versachlichung und dem Aufzeigen von Lösungen, die beiden Seiten halfen das Gesicht zu wahren, gelang es den gordischen Knoten zu lösen.

Die Folge: Verkäufer und Kandidat 4 gingen aufeinander zu und besiegelten per Handschlag die Einigung. Wenige Tage später ging alles ganz schnell. Einige „Restarbeiten“ waren schnell erledigt. Dazu gehörte die Erstellung von passenden Kundeninformationen. Bei den Entwürfen konnte ich Textentwürfe und Erfahrungen aus unserer Praxis wiederum beisteuern.

Der Termin zur schriftlichen Bestätigung des Kaufvertrages wurde festgelegt. Die Unterschriften erfolgten. Nun konnten die Versicherer und die Kunden über den vollzogenen Kauf und Betreuungswechsel informieren.

Der letzte Vers der Odyssee

Der interessierte Leser dieser Wege und Irrwege soll seine Schlussfolgerungen selbst ziehen. Auch wenn ich entgegen der klassischen Odyssee keine 23 Verse für die Schilderung des Weges dieser Kunden bis zum erfolgreichen Verkauf gebraucht habe wird deutlich:

Ein Bestandsverkauf ist sehr komplex. Die Auswahl der richtigen Kaufinteressenten, die Preisfindung, die Verkaufsverhandlungen und zahlreiche weitere Themen fordern Verkäufer, aber auch die Käufer sehr stark. Und alles beim laufenden Alltag der Kundenbetreuung und auch dem Jahresendgeschäft.

Doch die scheinbare Kompliziertheit ist nicht nur ein Spezifikum der Versicherungsbranche oder der Maklerschaft. Auch ein aktuelles Beispiel der Verkaufsversuche eines hochpreisigen Modelabels zeigt, dass der Verkauf einer hochwertigen Marke und eines profitablen Unternehmens kein Selbstläufer wird. Es werden eine gute Diagnose, die Auswahl der richtigen Medizin und die Auswahl der passenden Spezialisten gebraucht.

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*Alle Daten sind anonymisiert und so zusammengestellt, dass keine Rückschlüsse auf die betroffenen Personen und Unternehmen möglich sind.