Wie bedrohlich ist die Situation für die Lebensversicherung? Die Zahl der Mahner wird jedenfalls nicht kleiner. Nachdem bereits die OECD vor einem halben Jahr gewarnt hatte, eine neue Finanzkrise könnte diesmal von den europäischen Lebensversicherern ausgehen, gesellt sich nun erneut die BaFin hinzu.

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Niedrigzins erfordert höhere Sonderrückstellungen

Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht der BaFin.© Ute Grabowsky / photothek.net / BaFin Auf die deutschen Lebensversicherer kommen nach Ansicht von Frank Grund, Exekutivdirektor der BaFin-Versicherungsaufsicht, deutlich höhere Sonderrückstellungen zu. „In diesem Jahr wird die Zinszusatzreserve sicher nicht sinken“, sagte der Jurist in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit Reuters. Er rechne vielmehr mit einem „signifikanten Anstieg“. 2018 und 2019 sei dann ein zusätzlicher Schub zu erwarten, so dass sich die Versicherer auf eine lange anhaltende Niedrigzinsphase einstellen müssten. „Alles andere wäre fahrlässig.“

Mit anderen Worten: Die Versicherer müssen immer mehr Geld zurücklegen, um die langfristigen Garantien ihrer Kunden befriedigen zu können. Das mindert auch die Attraktivität der Policen, werden diese Rückstellungen doch aus Kundengeldern gespeist. Die deutschen Lebensversicherer haben allein 2015 rund 10 Milliarden Euro zurückstellen müssen, um ihre Zinsversprechen aus Hochzins-Zeiten zu erfüllen. Im Jahr 1994 lag allein der Garantiezins bei klassischen LV-Verträgen bei 4,0 Prozent, aktuell ist er auf 1,25 Prozent abgesackt.

„Belastung noch vertretbar“

Seit 2011 summiert sich die Zinszusatzreserve bereits auf 32 Milliarden Euro. Doch können alle Versicherer ausreichend Rückstellungen bilden? Frank Grund befürchtet, dass einige Versicherer an ihre Grenzen kommen könnten. Der Fachmann, selbst viele Jahre als Vorstand bei Versicherern aktiv, spricht von der Zinszusatzreserve als „Medizin“, die „zunehmend anspruchsvoll“ für die Unternehmen werde. „Bei ihrer Einführung hätte niemand mit einer so langen Niedrigzinsphase gerechnet. Wir halten die Belastung noch für vertretbar, sehen uns das aber genau an“.

Geschäft mit LV-Leichen

Die Konsequenz könnte zum Beispiel sein, dass vermehrt Versicherer die Reißleine ziehen und ihre Bestände verkaufen. Aktuell wartet die Frankfurter Leben darauf, Bestände des Schweizer Lebensversicherers Basler im Wert von 2,6 Milliarden Euro aufkaufen zu dürfen, die BaFin muss das Geschäft noch prüfen und bestätigen. Im Rahmen des Erwerbs sollen neben rund 100.000 Versicherungsverträgen die für den Bestand tätigen Mitarbeiter sowie die komplette operative Infrastruktur auf die Frankfurter Leben-Gruppe übergehen. Eigentümer der Frankfurter Leben ist ein Fonds, der von der BHF Bank und dem chinesischen Investor Fosun gehalten wird.

Die Frankfurter Leben betreibt das sogenannte „Run-Off-Geschäft“, das heißt, sie handeln mit Policen von Versicherern, die ihr Leben-Neugeschäft eingestellt haben. Und mit diesen „LV-Verwesern“ wollen sie gutes Geld verdienen, zum Beispiel durch eine Reduzierung der Verwaltungskosten. Frank Grund selbst sieht diese Geschäfte kritisch. „Ich halte es für fraglich, ob eine Konsolidierung durch Übernahme von Beständen die Probleme der Branche löst“, sagte der Aufseher gegenüber Reuters. Mehrere Bestände zusammenzuführen, sei zunächst sehr aufwendig, was den erhofften Größenvorteile verpuffen lassen könnte.

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"Provisionen müssen deutlich sinken"

Frank Grund hat eine andere Baustelle ausfindig gemacht, wo die Versicherer nach seiner Ansicht sparen können. Die Kosten für den Abschluss einer Lebensversicherung müssen nach seiner Einschätzung sinken - "und zwar signifikant", wie Grund fordert. Das erwarte der Gesetzgeber und liege auch im Interesse der Branche. Laut einer Analyse der Hochschule Ludwigshafen unter den zwölf größten Lebensversicherern liegen die Abschlusskosten bei durchschnittlich 5,2 Prozent der Beitragssumme.

Reuters