Bau auf! Wohn-Riester lohnt
Wohn-Riester - Die Finanzgemeinde debattiert, Riester-Anbieter gegen Verbraucherschützer und kritische Presse, ob sich Wohn-Riester lohnt oder nicht. Der Gegner des Häuslebesitzers heißt Wohnförderkonto, wo der Riester-Bauherr nach 30 Jahren mit kassierten Zulagen oder Steuervorteilen am Ende Förderschulden angesammelt hat, die er als Rentner abstottern muss. Lohnt sich das? Hier wird es vorgerechnet.
In einer aktuellen Diskussion erregte sich die Finanzgemeinde in einer Facebook-Fachgruppe für Versicherungsvermittler über einige kritische Artikel, die von der Presse und von Verbraucherschützern verbreitet wurden. Der Tenor: Wohn-Riester lohnt nicht. Stimmt das? Da es auf diese Frage keine pauschale Antwort gibt, Riester-Experten müssen rechnen können, Riester-Verkäufer erst recht, rechnen wir jetzt einen Modellfall.
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Der Gegner heißt Wohnförderkonto Ein Mann. Sein Name ist Jan Schimmer. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Schimmer arbeitet und will riestern. Seine Frau ist selbständig und wird in den kommenden 30 Jahren mittelbar förderberechtigt mit-riestern. Heute kauft Jan Schimmer ein Haus. Er hat keinen Schimmer, ob Wohn-Riester lohnt, aber sein Finanzberater empfiehlt ihm das, rechnet, und bastelt ihm in seinen Hauskredit einen Wohn-Riester rein. Jan Schimmer ist heute 37 Jahre alt. Mit 67 geht er in Rente. Bis dahin will er seine Hypothek abgestottert haben. Seinen Wohn-Riester, eingepackt in einen Bausparvertrag, muss er zum Rentenbeginn glattgestellt haben. So sagt es das Gesetz.
Wir sind jetzt im Jahr 2046. Jan Schimmer war fleißig, hat bis 67 sein Haus entschuldet, und freut sich nun auf seinen Ruhestand. Was ihm nicht so richtig klar ist, er hat bei Vater Staat rund 86.000 Euro Schulden angehäuft. Die stehen auf dem so genannten Wohnförderkonto, und zwar mit einem Minus vor dem Betrag. Dieses Soll bedeutet, dass Schimmer steuerlich so gestellt wird, als würden ihm zum Rentenbeginn 86.000 Euro in die Hände fallen. Diesen Betrag muss er versteuern. Und diese Steuern muss Schimmer in den nächsten 18 Jahren, bis 85 sagt das Gesetz, abgestottert haben.
Woher kommen 86.000 Schulden auf dem Wohnförderkonto?
Wie die 86.000 Euro Schulden auf den Wohnförderkonto entstehen, ist schnell erklärt. Wir erläutern das am Beispiel der Steuerförderung. Jan Schimmer kann 30 Jahre lang 2.100 Euro von der Steuer absetzen. Diesen Betrag berechnet der Staat als fiktiven Zufluss und schlägt zwei Prozent Zins auf. Macht nach 30 Jahren rund 86.000 Euro. Bevor jetzt Rechenfüchse protestieren, weil wir für Frau Schimmer keinen Steuervorteil einrechnen, zur Erinnerung dies: Frau Schimmer ist selbständig, zahlt nur 60 Euro Mindesteigenbeitrag pro Jahr, um als mittelbar Förderberechtigte ihre Zulagen zu kassieren.
(Exkurs) „Günstigerprüfung light“: Der Steuervorteil entspricht übrigens 30 Jahren Zulagen für zwei Erwachsene, Jan Schimmer und Frau, und zwei Kinder (im Rechenbeispiel einmal 185 für eine „altes“ Kind vor 2008 geboren und ein jüngeres), für die 20 Jahre Zulagen fließen. (Exkurs Ende)
Hat ein Normalrentner 27 Prozent Steuersatz?
Und wie viel kostet es jetzt unseren Musterrentner Schimmer, 86.000 Euro ratenweise bis Alter 85 zu versteuern? Das weiß man erst, wenn man den Steuersatz des Rentners kennt. Im einem Zeitungsbericht, und nicht nur dort, wurde vor einigen Wochen geschrieben, ein „Normalrentner“ habe „27 Prozent“ Steuersatz. Das erregte lautesten Protest unter den Lesern des Blattes. Manch selbst ernannter Experte, der sich angeblich mit Riester und Geld und Steuern auskennen wollte, rechnete.
Und einer dieser „Experten“ rechnete vor, dass ein Rentner ja fantastisch hohe Einnahmen von 50.000 Euro und mehr haben müsste, um auf 27 Prozent Steuersatz zu kommen. Im zutreffenden Fall wären mit solchen Einkommen des „Normal“-Rentners alle Sorgen um die Altersarmut erledigt; dies nur mal nebenbei erwähnt.
Wichtiger Hinweis: Im Beispiel wurden Renten- und Steuerjahre nach 2040 hergenommen; ab diesem Datum sind gesetzliche Renten bekanntlich voll (nachgelagert) steuerpflichtig. Das passt ja auch: Unser Musterrentner Jan Schimmer baut heute im Jahr 2016 sein Haus, sein Finanzberater bastelt einen Wohn-Riester in die Finanzierung rein und Schimmer geht in 30 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand: 2046. Das bedeutet volle Rentenbesteuerung.
Wohnförderkonto erhöht die Steuerlast
Jetzt rechnen wir aus, wie hoch die Rate ist, mit der Bauherr Schimmer in 30 Jahren jeden Monat abstottern muss, um sein Wohnförderkonto gesetzeskonform bis zum 85. Geburtstag auf Null zu bringen. Dazu brauchen wir seinen Steuersatz als Rentner. Und dazu brauchen wir das Ruhestands-Einkommen der Eheleute Schimmer.
Ohne Wohn-Riester: Herr und Frau Schimmer bekommen im Jahr 2046 pro Jahr 30.000 Euro Rente, unterstellen wir. Darauf werden laut Finanzonkel Norbert Heydorns Steuerrechner rund 3.300 Euro Steuer fällig. Das entspricht einem Steuersatz, sagt Onkel Norbert, von rund 9,8, ach ... sagen wir 10 Prozent. Nix 27 Prozent Steuersatz, wie in kritischen Presse- und Verbraucherschützer-Beiträgen behauptet, oder?
Mit Wohn-Riester
Schimmers effektive Renten-Einnahmen bleiben gleich: 30.000 Euro. Klar. Aber durch das Wohnförderkonto gibt es beim zu versteuernden Einkommen einen kräftigen Zuschlag von knapp 4.800 Euro pro Jahr fiktiven Zusatzeinnahmen. Warum ausgerechnet 4.800 Euro? Das berechnen wir im Anschluss, damit wir hier in der Darstellung nicht durcheinanderkommen. Wir addieren. Jan Schimmer kommt mit Wohn-Riester steuerlich auf knapp 35.000 Euro Einnahmen: Macht rund 4.650 Euro Steuern pro Jahr.
27 Prozent? Nein: 26 Prozent Steuersatz. Grenzsteuersatz
Mal mit, mal ohne Wohn-Riester die unterschiedlichen Steueraufwände saldiert (4.650 – 3.300), muss Jan Schimmer jedes Jahr 1.250 Euro bezahlen, um seine Riester-Schulden abzutragen. Schaut man sich nun die Steuerrechnung genau an, dann kann man dort ablesen: Steuersatz rund 12 Prozent. Also wieder keine 27 Prozent Rentner-Steuersatz wie von manchem Experten behauptet. Oder?
Doch! Liest man nämlich in der Steuerberechnung genauer nach, dann hat Jan Schimmer bei seinen steuerlichen Verhältnissen einen GRENZ-Steuersatz von (hier) gut 26 Prozent. Diese Dimension bedeutet: Hätte Schimmer noch ein-zwei „Schnäpschen“ mehr Rente und die umstrittenen 27 Prozent Steuersatz wären Realität: Als Grenzsteuersatz. Das ist der Steuersatz, der auf jeden Euro mehr Mehreinnahmen fällig wird - um hiermit die Steuersystematik einmal in abgekürzter Form zu erläutern.
86.000 Euro Wohn-Riester-Miese kosten Jahn Schimmer im Monat 100 Euro
Und weil Jan Schimmer im Beispiel 26 Prozent Grenzsteuersatz hat, stimmt auch die Berechnung für seine Rate, mit der er sein Wohnförderkonto entschulden muss. Das rechnet sich so: 86.000 Euro Schuld auf dem Wohnförderkonto geteilt durch 18 Jahre (die Zeit von Alter 67 bis 85) ist gleich rund 4.800 Euro fiktive Mehreinnahme pro Jahr. Darauf die Steuer von 26 Prozent. Macht 1.248 Euro jährlichen Mehraufwand, mit dem Jan Schimmer seine Schulden aus dem Wohnförderkonto in den 18 Jahren nach Rentenbeginn abträgt. Im Monat sind das schlappe 100 Euro. Und noch vier Euro obendrauf.
Ja und? Lohnt sich Wohn-Riester jetzt? Oder nicht? Das war ja die Ausgangsfrage. Aber um diese Frage zu beantworten musste der Autor Sie, liebe Leserinnen und Leser durch den oben aufgeführten Zahlenreigen schicken. Sorry! Vater Staats komplizierte Riester- und Steuergesetze sind schuld. Und wir sind noch nicht fertig. Um festzustellen, ob sich Wohn-Riester für unseren Beispiel-Rentner lohnt, brauchen wir noch drei Zahlen oder Berechnungen.
Vergleich von Riester-Förderung minus Riester-Schulden bringt das Ergebnis
Erstens brauchen wir die Riester-Schulden. Zweitens brauchen wir die Summe der Riester-Förderung. Drittens müssen wir die über 30 Jahre erfolgte Förderung aufzinsen, auf einen Barwert der Riester-Förderung per Alter 67. Dann können wir mathematisch periodengerecht zum Stichtag des Rentenbeginns Soll und Haben, also erhaltene Förderung und aufgelaufene Schulden vergleichen.
1. Schulden
Jan Schimmer muss 18 Jahre lang jeden Monat 1.250 Euro abtragen: Macht in Summe 22.500 Euro. Das ist sein Aufwand.
2. Förderung
Erhalten hat Schimmer 30 Jahre lang jedes Jahr 2.100 Euro Steuervorteil. Cash bedeutete das für ihn bei angenommenen 35 Prozent Grenzsteuersatz 735 Euro. Mal 30 Jahre ist gleich 22.050 Euro. Das ist Schimmers Ertrag.
3. Die über 30 Jahre erhaltene Förderung aufzinsen
Bei Nr. 2 (Förderung) sind noch keine Zinsen gerechnet: Jan Schimmer bekam ab dem ersten Tag im ersten Jahr die ersten knapp 735 Euro Steuerersparnis „zugesteckt“. Dieses Geld hat er hergenommen und damit sein Kleinhäuschen entschuldet. Aber so dürfen wir hier nicht rechnen, wenn wir Renditen, genauer Kosten mit oder ohne Wohn-Riester ermitteln wollen.
Wir rechnen so: Da Vater Staat auf dem Wohnförderkonto mit zwei Prozent Schuldzins rechnet, berechnen auch wir, wie viel aus 735 Euro pro Jahr geworden wären, hätte man diese Jahresrate 30 Jahre zu zwei Prozent angelegt. Nur so lässt sich vergleichen, was lohnt: Wohn-Riester oder nicht? 735 Euro zu zwei Prozent angespart, ergäben nach 30 Jahren, tätääääh: 29.800 Euro. And the Oscar goes to Wohn-Riester.
Es gewinnt der höhere (Bar-)Wert. Mit knapp 30.000 Wert der Förderung zu 22.000 Euro Wert der Schulden gewinnt hier Wohn-Riester. Falls kritische Finanzexperten jetzt maulen wollen und über den Zinsansatz diskutieren wollen; hier mal ganz ohne Zins gerechnet: 735 Euro mal 30 Jahre ergeben in Summe 22.050 Euro Schulden-Aufwand. Also exakt so viel wie die Förderung: Schimmers Ertrag von ebenfalls 22.050 Euro. Der Bilanzbuchhalter würde jetzt sagen: Das ist die „schwarze Null“.
Wohn-Riester lohnt
Wohn-Riester bringt in diesem, durchaus lebensnahen, exakt von Anfang bis Ende durchgerechneten Beispiel unserem Musterrentner Jan Schimmer einen Vorteil. Außerdem rechnet sich das Ganze auch deshalb, weil Jan Schimmer seine gut 22.000 Euro Schulden nicht auf einen Schlag abtragen muss. Vielmehr darf er in Raten zahlen und bekommt seine Schulden darüber hinaus vom Finanzamt zinslos gestundet. Das verbessert die Bilanz des Wohn-Riester-Häuslebauers weiter. Jan Schimmer schreibt mit Wohn-Riester schwarze Zahlen.
Kritiker – speziell solche, die nichts vorrechnen, geschweige denn nachrechen können – nörgeln ja oft, man könne von solchen Modellen wie dem Beispiel oben keine generellen Aussagen herleiten. Das stimmt. Man muss, vor allem als Finanzberater, der ja für sein Tun auch haftet, jedem einzelnen Bauherrn eine eigene Berechnung erstellen. Andererseits: Ist denn das Beispiel oben sooo exotisch? 30 Jahre wohn-riestern? Machen viele Leute. Rentner-Ehepaare, die 30.000 Euro Renten-Einnahmen haben? Davon gibt es auch viele. Das Musterbeispiel Jan Schimmer ist nicht exotisch, behauptet der Autor. Es ist typisch.
Und nochmal zum Steuersatz der Rentner. Wenn die kritische Presse und Verbraucherschützer das mit dem Grenzsteuersatz entweder verstehen und im zutreffenden Falle auch ihrem Leser so und korrekt erklären würden, lebten wir in einer Welt mit mehr, echten Finanzexperten.
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Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr für eventuelle Rechenfehler. Zinsberechnungen vom Autor. Steuerberechnungen erfolgten mit neutralen Tools von www.n-heydorn.de zu Steuersätzen des Jahres 2016.
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