Berufsunfähigkeit - Die meisten Kunden bekommen ihre Leistung
Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Wahrscheinlichkeit, dass berufsunfähig gewordene Menschen von ihrer Versicherung Geld bekommen, ist hoch, meldet Franke & Bornberg. Die Ratingagentur hat nach 2014 zum zweiten Mal die Leistungspraxis der Versicherer untersucht. Drei von vier Kunden bekommen in der Regel nach einem halben Jahr ihre Berufsunfähigkeit anerkannt. Immer öfter lösen psychische Erkrankungen den Leistungsfall aus.
Für seine Leistungspraxis-Studie bekam das Hannoveraner Ratinghaus Einblick in die Akten sieben großer Versicherer, die einen Gesamtbestand von 4,7 Millionen Policen mit Versicherungsschutz gegen Berufsunfähigkeit (BU) repräsentieren, meldet Franke & Bornberg. Den Angaben zufolge hatten die betrachteten Versicherer Ende 2014 zusammen rund 76.000 Leistungsfälle im Bestand und in demselben Jahr gut 22.000 neue Leistungsanmeldungen wegen BU.
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In drei von vier Fällen wird geleistet
Bei jedem der sieben Versicherer hat Franke & Bornberg nach eigenen Angaben mehr als 100 Leistungsfälle untersucht. Ablehnungen seien aufgrund ihrer Bedeutung für die Kunden überproportional berücksichtigt worden. Zu den Ergebnissen: Drei von vier Kunden bekommen ihre beantragte BU-Leistung. In der Regel hat der Kunde nach einem halben Jahr Klarheit, ob er vom Versicherer Geld sieht.
„Die Dauer bis zur Anerkennung ist durchschnittlich kürzer als bis zur Ablehnung. Das lässt darauf schließen, dass sich Versicherer die Entscheidung nicht leichtmachen“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke & Bornberg. Oft haben die Versicherer auch gar keine Möglichkeit, schneller zu agieren. Wenn sie für ihre Entscheidung vom Kunden Unterlagen benötigen, die etwa von Ärzten oder Kliniken nur verzögert geliefert werden.
Immer mehr psychisch Erkrankte
Oder Verzögerungen treten ein, weil Kunden nicht an der Klärung des Sachverhalts mitwirken und den Versicherer vergeblich auf Antworten warten lassen und zum Beispiel Fragebögen nicht zurückschicken. Diese Fälle machen 44 Prozent der BU-Meldungen aus, bei denen es nicht zur Leistung kommt, sagt Michael Franke. Und die Krankheiten, weswegen Versicherte BU-Rentner werden? Immer öfter löst die Psyche Berufsunfähigkeit aus: „Der Anstieg psychischer Erkrankungen ist dramatisch“, berichtet Michael Franke. Ein zusätzliches Problem sei es, dass der Leistungsprüfer beim Versicherer nur selten vom Schreibtisch aus beurteilen könne, ob der Versicherte tatsächlich berufsunfähig ist.
Hier sind laut Franke Gutachter mit hoher Spezialisierung gefragt. Jedoch seien die Verfügbarkeit und die Kapazität dieser Experten begrenzt, lange Antwortzeiten der Gutachter an der Tagesordnung. Zu dem öfter erhobenen Vorwurf, die Versicherer würden „Gefälligkeitsgutachter“ beauftragen, damit sie möglichst wenig bezahlen müssen, liefert Franke & Bornberg entlastende Zahlen.
Insgesamt seien in der Stichprobe des Ratinghauses in 700 Fällen nur 77 Gutachter zur Rate gezogen (10,8 Prozent der Fälle). Laut den untersuchten Versicherern, so berichtet Franke & Bornberg, sei deren Gutachter-Anteil lediglich 6,6 Prozent der Leistungsfälle: „Eine Konzentration auf wenige, den Unternehmen gewogene Gutachter war nicht festzustellen: Die 77 Gutachten wurden bei 55 verschiedenen Fachleuten in Auftrag gegeben.“
„Abstrakte Verweisung führt ein Schattendasein“
Wenn BU-Leistungen abgelehnt werden, dann etwa durch so genannte abstrakte oder konkrete Verweisung, gelegentlich auch mit der Aufforderung des Versicherten nach Umorganisation seines Arbeitsplatzes. Dies passiert aber laut Franke & Bornberg immer seltener und mache inzwischen weniger als drei Prozent aller Ablehnungen aus. Michael Franke: „Anders als die öffentliche Diskussion manchmal glauben macht, führt die abstrakte Verweisung nur ein Schattendasein“.
Obwohl diese Begründung für abgelehnte BU-Leistungen „häufig als gravierendes Manko“ gelte, sagt Franke, sei die abstrakte Verweisung im Jahr 2014 nur für 0,4 Prozent aller Ablehnungen verantwortlich gewesen. Auch Anfechtungen und Rücktritte des Versicherers, meist wegen falscher vorvertraglicher Gesundheitsangaben der Kunden, seien zwar seit Jahren prozentual rückläufig, ihr Anteil ist aber aus Sicht von Franke & Bornberg immer noch zu hoch.
Vor Gericht trafen sich wegen BU-Ablehnungen den Angaben zufolge 678 Kunden der untersuchten Gesellschaften; dies seien drei Prozent aller BU-Entscheidungen. Verloren haben die Versicherer 59 Prozesse (8,7 Prozent). Der Rest teilt sich auf in Vergleiche (447) und gewonnene Prozesse (172). Gegenüber den Vorjahren sei die Zahl der verlorenen Prozesse auf Seiten der Versicherer deutlich gesunken. Sie machten 2014 nur noch 0,32 Prozent aller Regulierungen aus, berichtet Franke & Bornberg.
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Untersuchungssteckbrief (Angaben von Franke & Bornberg)
Die Daten (Stand 2014) für die BU-Leistungsstudie von Franke und Bornberg wurden im November und Dezember 2015 erhoben. An der Untersuchung haben sich, wie in den Vorjahren, insgesamt sieben Versicherer beteiligt: Aachen Münchener, Ergo, HDI, Nürnberger, Stuttgarter, Swiss Life sowie Zurich Deutscher Herold. Diese Versicherer repräsentieren:
- Gesamtbestand 4,7 (2013: 4,8) Mio. BU-Versicherte, davon 1,3 (2013: 1,3) Mio. BUZ zur Beitragsbefreiung einer Hauptversicherung
- BU-Leistungsbestand zum Jahresende 2014: rund 76.000 (2013: 74.000) Fälle
- Rund 22.100 BU-Leistungsfall-Neuanmeldungen 2014 (2013: 22.300)